Unterwegs im Koreanischen
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12.12: The Day

"12.12: The Day" wird inzwischen als der beste südkoreanische Film 2023 gehandelt. Nachdem er Ende Dezember angelaufen war, klingelten die Kinokassen unaufhörlich. Bereits nach 12 Tagen waren die Produktionskosten eingespielt. 

 

Die Ära der Militärdiktatur von Park Chung-hee endete jäh mit dessen Ermordung am 26. Oktober 1979. Doch die damit hier und da vielleicht verknüpften Hoffnungen auf eine demokratischere Verfassung wurden in der darauf folgenden Irritation, dem Durcheinander und dem damit einhergehenden Machtvakuum konsequent und ohne eine Minute zu verschwenden durch den Sicherheitskommandanten Chun Doo-hwan zunichte gemacht. Zusammen mit der Verbindung Hanahoe, bestehend aus seinen Jahrgangskumpels aus der Zeit der Militärakademie, nutzte Chun Doo-hwan die Gunst der Stunden - und letztlich waren 9 Stunden entscheidend. Um diese dreht sich das KMovie hauptsächlich: wie Chun Doo-hwan es schaffen konnte, die wesentlichen Personen für sich zu gewinnen, zu überreden, wie auch immer zu überzeugen, sich auf seine Seite zu stellen und einen Militärputsch durchzuziehen, der vielen Menschen in Folge auch sehr viel Schmerz bereiteten sollte.

 

Der Film muss in Hinblick auf die außergewöhnlich ungeschminkt aufrichtige Aufarbeitung eines brisanten Bruchs in der jüngeren Geschichte Südkoreas als "wertvoll" bewertet werden. Trotz der in Hinblick auf seine politisch und historisch geradezu dokumentarisch präzise anmutenden Dramaturgie schafft es das KMovie, die Gemüter der großen Masse des südkoreanischen Volkes heute in Wallung zu versetzen. Insbesondere unter dem jüngeren Publikum war es nach kürzester Zeit geradezu üblich, während der 141 Filmminuten in den Sozialen Medien einen Screenshot der durch ihre Smartwatches erfassten Herzfrequenz zu posten, um ihre erboste Empörung zu dokumentieren.

 

"12.12: The Day" spielt in einer uniformierten Männerwelt, in der Sterne und Anzüge das Sagen haben. Da wird geredet, verhandelt, telefoniert. Es wird auch geschossen, aber vergleichsweise wenig. Die Action hält sich in Grenzen, selbst wenn verschiedene Militäreinheiten in Seoul einfallen, um die Sicherheitstruppen um Chun Doo-hwan zu stärken. Dennoch vermag der Film zu packen und emotional aufzuwühlen. Es ist noch nicht lange her, dass sich das Militär handfest in die Politik eingemischt hat. Und doch ist die Militärrevolte des Chun Doo-hwan und seiner Gefolgsleute ein Kapitel, dem lange lieber nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Das KMovie trägt nun seins dazu bei, sich diese Ereignisse damals bewusst zu machen und nicht zu vergessen.

 

Wahrlich traurig, geradezu empörend, dass am Ende letztlich nur der Kommandant der Hauptstadtgarde und eine vage Hundertschaft seiner Leute wagen, den revoltierenden Militärkommandanten um Chun Doo-hwan wirklich etwas entgegenzusetzen. Nicht nur die Drahtzieher des Militärputsches und ihre Kommilitonen Verbindung Hanahoe sind schuld daran, dass der Putsch so einfach gelingen konnte. Leider auch einige mehr waren erschreckend schnell opportunistisch eingeknickt, haben sich überreden oder kaufen lassen oder schlicht aus Angst die Seiten gewechselt. 9 Stunden lang tobte inmitten der Hauptstadt Seoul hinter verschlossenen Türen verschiedener Einsatzzentralen ein erbitterter Machtkampf. Das Militär auf den Straßen richtet die Waffen aufeinander im eigenen Land.

 

Die Hoffnung auf echte Demokratie nach dem Tod des Diktators Park wurde am 12.12.1979 brutal zunichte gemacht, denn der neuer Diktator stand schon in den Startlöchern. Im April wurde er zum Leiter der KCIA (Korean Central Intelligence Agency). Im Mai 1980 ließ er den Ausnahmezustand ausrufen. Er hat das Massaker von Gwangju zu verantworten, die Qualen der Menschen in den verschiedenen Säuberungslagern und in den Folterkammern der KCIA. Am 1. September 1980 trat dann der Machtmensch Chun Do-hwan ganz offiziell seine Präsidentschaft an...

 

Das südkoreanische Kinopublikum 2023/24 konnte in Anbetracht der anschaulich aufbereiteten, filmischen Präsentation jener Ereignisse rund um den 12.12.1979 offenbar gut abgeholt werden. Vielleicht der richtige Film zur richtigen Zeit... In jedem Fall standen die richtigen Schauspieler*innen vor der Kamera - das KMovie ist durchweg hochkarätig besetzt und lebt von den eindringlich prägnanten Charakterporträts. Die Namen der wahren historischen Figuren wurden minimal abgeändert, um mehr dramaturgische Freiheiten zu haben. Denn, auch wenn "12.12: The Day" stellenweise dokumentarisch anmutet, handelt es sich nicht um einen Dokumentarfilm. Das KMovie versteht sich als historisch präzise und zugleich mit dramaturgisch pointierten Freiheitsgraden versehen, um die emotional Dichte und Intensität jener entscheidenden Tage und Stunden noch zu verstärken. 

 

Hatte ich schon gesagt? Prädikat: "wertvoll".

 

Es hilft sicherlich, als Zuschauer*in um die politischen und historischen Zusammenhänge etwas Bescheid zu wissen, denn "12.12: The Day" ist zuallererst eine Produktion für das südkoreanische Publikum. Wenn nicht, dann wird man/frau vielleicht neugierig auf mehr. (In dem Fall wären das KMovie "Peppermint Candy" oder auch die KDramen "Sandglass", "Youth of May" oder "Oasis" zu empfehlen.)

 

 

 

PS:

Der originale Titel "Seouler Frühling" bezieht sich übrigens dezent auf den "Prager Frühling", in dem gut zehn Jahre zuvor in einem anderen Land ebenfalls Hoffnungen auf Demokratisierung mit Militärgewalt jäh zunichte gemacht worden waren...

서울의 봄 - Seoul-ui bom
Lit.: Seouler Frühling
 
2023, 141 Minuten
 
Hauptdarsteller*innen:
-Hwang Jung-min
-Jung Woo-sung
-Lee Sung-min
-Park Hae-joon
-Kim Sung-kyun

 

Plot:

Im Dezember 1979 fällt Präsident Park einem Attentat durch den Leiter der KCIA zum Opfer. Der Sicherheitschef Chun Doo-gwang initiiert daraufhin mit Hilfe seiner Jahrgangskommilitonen, die sich damals zu der militärischen Verbindung Hanahoe zusammengeschlossen hatten, einen Militärputsch. Chun unterstellt dem Stabschef der Armee, in das Park Attentat verwickelt zu sein, ohne dies zuvor mit dem temporär eingesetzten Interimspräsidenten abgesprochen zu haben, geschweige denn dazu offiziell autorisiert zu sein. Ihm eilen stattdessen verschiedene Militäreinheiten zu Hilfe und stärken so seine Position mit Waffengewalt.

 

Unvermittelt sieht sich der Kommandant der Hauptstadtgarde bei seinem Versuch, das Militär aus den politischen Entscheidungen herauszuhalten, fast allein auf weiter Flur.

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