KDrama nach Themen: Mehr Drama geht immer
Wenn Menschen mehr als vier Jahrzehnte auf dieser Erde gelebt haben, dann sind sie meistens in mehrfacher Hinsicht ernüchtert. Hoffnung auf Romantik und die große Liebe ist verschiedenen, ganz konkreten Erfahrungen gewichen ... und die sind oft durch Enttäuschung und Leid gepflastert. Das bleibt nicht aus. Deswegen muss es für eine neue Liebe nicht zu spät sein. Sie wird nur anders sein. Geerdeter. Reeller. Echter. Auf manche Spielchen mag man/frau getrost verzichten. Aufrichtige Nähe und Wärme werden wichtiger als romantisches Geplänkel. Die Zeit, die vor einer/m liegt, ist nicht mehr schier endlos. Und man/frau erwartet auch nicht mehr ein Märchen voller Magie, sondern wünscht sich vielmehr wahrhaftige Momente, in denen man/frau sich spüren kann, einen sicheren Ort zum Verschnaufen und Auftanken. Zuverlässigkeit. Vertrauen und Vertrautheit.
Die Protagonist*innen in "Should we Kiss First" sind alle schon einige Zeit durch das Leben gegangen. Die beiden Hauptfiguren haben Kinder bekommen, und auch wieder verloren, waren verheiratet und sind geschieden, leben ein mehr oder weniger redliches, aber leeres Leben. Sie ist seit 20 Jahren Stewardess und leidet unter Schlafstörung, er ist Mitbegründer einer Werbeagentur und hat Krebs. Beide wollen nicht alleine sein. Beide wollen aber auch keine Beziehung. Schwierig. Ihre besten Freund*innen jeweils wollen sie verkuppeln und haben letztlich Erfolg. Doch dabei gilt: mehr Drama geht immer. In diesem Fall mischt die Vergangenheit der Protagonist*innen im Heute herzhaft mit und löst dabei einiges an Turbulenzen aus.
"Should we Kiss First" rückt zwei erwachsene Menschen in den Mittelpunkt, die (noch einmal) die Liebe erleben und zwar in einer Form, die sie nicht erwartet hätten. Dabei ist die Liebe nicht primär geschmeidig, sexy und erlösend, sondern präsentiert sich irrational, spröde, hartnäckig und vielschichtig. Dabei fordert sie eines bedingungslos ein: die Kapitulation vor diesem Gefühl, das allen Widrigkeiten zum Trotz da ist, deswegen keine Probleme löst, aber dafür die nötige (Lebens)Kraft spendet, sich diesen zu stellen.
Kommt diese Kraft aus der Liebe, die man/frau von jemand erfährt? Oder aus der Liebe, die man/frau selbst schenkt? Das Schöne an diesem KDrama ist: es legt den Schwerpunkt darauf, dass es das eigene Strahlen ist, das etwas verändert. Die Liebe (sich selbst und anderen gegenüber), der man/frau sich öffnet und hingibt, macht den Unterschied im Leben, macht den Unterschied, wie wir das Leben erleben, beziehungsweise welche Möglichkeiten wir erkennen und wählen... Es geht darum, das eigene Gefühl zu akzeptieren, es zuzulassen (auch wenn es einer/m gerade gar nicht reinpasst) und dem zu vertrauen.
Die Geschichte wird in unterschiedlichen Nuancen erzählt - mal humorvoll, mal tiefsinnig, mal zärtlich, mal verspielt, mal barsch, es fliegen auch Fäuste. Das Freudvolle, den Augenblick in vollen Zügen Genießen und die pure Lebenslust haben ebenso Platz, wie die trostlosen Momente der Leere, peinliche Momente, Momente zerstörerischer Wut und lustlose Lethargie. Die Nebenplots betten die Story in ein rundes Ganzes. Die Dialoge sind bis in die Details mit Bedacht gewählt.
Eine dreidimensionale, erwachsene Lovestory. Ja, mal wieder eine Geschichte über die Liebe, aber nicht kitschig. Stattdessen gefühlvoll erzählt, beherzt gespielt und mit Liebe fürs Detail mit Leben gefüllt. Obendrein eine Geschichte voller mal subtiler, mal expliziter Lebensweisheit. Ein KDrama, bei dem man/frau mal lachen, mal sich an Kleinigkeiten freuen, mal schlucken und mal unruhig hin und her rutschen kann. Ein KDrama, das nichts beschönigt und doch mit einem zufriedenen Seufzer satt macht.
Prädikat "wertvoll".
키스 먼저 할까요? - Kiseu Meonjeo Halkkayo?
Lit.: Sollen wir uns zuerst küssen?
2018, 40 Folgen (à 35 Minuten)
Hauptdarsteller*innen:
-Kam Woo-sung
-Kim Sun-a
-Oh Ji-ho
-Park Si-yeon
Plot:
An Soon-jin ist seit zwei Jahrzehnten Flugbegleiterin. Nachdem ihre Tochter vor zehn Jahren gestorben ist, ging auch ihre Ehe in die Brüche. Ihr Mann hat sie mit ihrer Kollegin und Freundin betrogen und zusammen mit ihr wieder ein Kind gezeugt. Die gebrochene Soon-jin investierte viel Zeit und ihr ganzes Geld in ein Verfahren, bei dem sie zumindest das Unternehmen zur Rechenschaft ziehen wollte, der sie den Tod ihres Kindes vorwirft. Sie hatte dabei jedoch keinen Erfolg, da niemand gegen den machtvollen Konzern aussagen wollte. Über all diese Schicksalschläge ist ihr die Lebensfreude abhandengekommen. Sie leidet unter Einschlafstörungen. Zwar macht sie ihre Arbeit, doch ansonsten lässt sie alles schleifen.
Wenn da nicht ihre Freundin und Ex-kollegin wäre, die sie unentwegt verkuppeln möchte, damit sie wieder neuen Lebensmut und Lebensfreude findet... Deren letzte Hoffnung ist nun der beste Freund und zugleich Geschäftspartner ihres Ehemanns. Denn auch ihr Mann möchte seinerseits unbedingt, dass Son Moo-han wieder mehr in sein Leben lässt als nur die Arbeit.
Der inzwischen fast 50 jährige Moo-han ist ebenfalls geschieden. Er war und ist ein Workaholic, bei dem sich sein ganzes Leben um die Arbeit dreht. Seine Frau hatte ihn (deswegen) vor Jahren betrogen und lebt nun mit der gemeinsamen Tochter in den USA. Die einzige Wärme in seinem Leben spendet ihm seine Hündin, die nun jedoch sehr alt und krank ist. Eigentlich wäre es an der Zeit, sie einschläfern zu lassen, doch dazu ist Moo-han nicht bereit.
Soon-jin und Moo-han leben im selben Apartmentgebäude direkt übereinander. Doch die Bewohnerin von 401 und der Bewohner von 501 kennen sich nicht und mögen sich unbekannter Weise auch nicht, nachdem ein Wasserschaden für einigen Ärger gesorgt hat. Die Voraussetzungen für ihre Verkupplung könnten schlechter nicht sein. Oder doch? Sie sind sogar noch miserabler, denn tatsächlich war Moo-han einer der potenziellen Schlüsselzeugen, der damals seine Aussage im Prozess verweigert hatte. Er zeichnete für die Werbekampagne des problematischen Produkts verantwortlich, das vermeintlich auch in anderen asiatischen Ländern bereits zu Todesfällen geführt hatte. Doch er wollte sich dazu nicht äußern und dies führt dazu, dass das Gerichtsverfahren von Soon-jin eingestellt wurde. Er ist einer der letzten Menschen, die Soon-jin in ihr Leben, geschweige denn in ihr Herz lassen wollen würde.
Doch wie so oft kommt es anders. Die beiden finden (zwar eher zögernd, widerspenstig und stolpernd, aber dennoch) zueinander. Nicht über romantische Gefühle, sondern letztlich ganz pragmatisch: Sie wollen beide nachts nicht alleine sein. Er kann ihr vorlesen und sie kann neben ihm einschlafen. So einigen sie sich auf eine unkonventionelle Abmachung: Sie teilen die Nächte miteinander.
Aber da ist eigentlich gar nichts so, wie Beziehungen sind, sein wollen oder zu sein haben. Die diffizilen, widersprüchlichen Gefühle zwischen der vom Leben ernüchterten, etwas sarkastischen Soon-jin und dem eher sperrigen Eigenbrötler Moo-han werden in einer komplexen Vielschichtigkeit erzählt, die man/frau selten gezeigt bekommt. Dies vor dem Hintergrund eines reichhaltigen dramaturgischen Kanons. Holpriger könnten sich die Ereignisse gar nicht überrollen... auf der einen Seite wächst da so etwas wie Nähe und daraus so etwas wie Liebe, doch auf der anderen Seite donnert ein dramatischer Felsbrocken nach dem anderen zwischen ihre Füße, der sie wieder auseinander treibt... Die Tochter aus den USA, die Ex-Frau, der Ex-Mann, das doch nochmals neu aufgerollte Verfahren, der mächtige Konzernchef, der unheilbare Krebs...
Aber auch ein holpriger Weg ist ein Weg. Die beiden haben ihn nicht gesucht, doch gefunden... einen Weg, den sie nun gemeinsam entlangstolpern. Wer weiß schon, wie lange...