Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

VOR ORT IM LAND - Sechste Etappe Seoul - 19. Tag

Abschiednehmen

Samt unserem Gepäck haben wir am sehr späten Vormittag in unserer Basistation in Seoul ausgecheckt. Da wir nicht den Luxus haben, über die Wohnung für den Rest des Tages verfügen zu können, machen wir uns mit Sack und Pack auf zur Seoul Station um die Ecke, lassen uns mit der Rolltreppe in den tiefen Untergrund transportieren und setzen uns dort in die U-Bahn zum Incheon Airport. Nachdem Joka gestern Abend noch unseren smarten Pizzabäcker um die Ecke etwas näher kennengelernt hat, sind eigentlich alle Wünsche erfüllt.

 

Und der Incheon Airport hat uns ja gefallen. Wo wir essen, dürfte uns heute reichlich egal sein, denn die Fluggesellschaft sollte das bezahlen... Und dann bietet Incheon auch eine komfortable Aufenthaltsbereiche, wo wir uns zudem ausstrecken können, wenn es uns zu lang wird. Aus der Reise-Bubble in die Flughafen-Bubble als Puffer zwischen den Welten. Also. Das ist der Plan. 

Unsere Themen:

  • LIFESTYLE: Incheon International Airport
     
  • Ein Resümee

Incheon Airport, Terminal 2

Nach gut einer Stunde kommen wir an der Endstation Terminal 2 an. Es ist früher Nachmittag. Wir buchen im inhouse Hotel ein Zimmer für ein paar Stunden für später, um eine Weile noch zumindest die Beine auszustrecken, bevor wir von der Land- auf die Airseite wechseln,  und schlendern dann an den Essensständen entlang, die uns mal wieder die Qual der Wahl lassen.

 

Während sich Eonni und Joka nach einem letzten dann doch wieder recht leckeren Mittagessen ´koreanstyle´ lang gelegt haben, mach ich mir hier in einer stillen (!) Ecke Gedanken über ein abschließendes Resümee. (Kaum zu glauben, dass ich mich auf einem der hochfreqentiertesten Flughäfen dieser Welt befinde...)  

Also. Hier das Brainstorming für ein Resümee.

Ein Resümee

Über lange Strecken fühlten wir uns tatsächlich wie im KDrama, insbesondere am Anfang. Obwohl vieles fremd war, schien es doch zutiefst vertraut, denn das KDrama bildet die reale Welt offenbar ziemlich gut ab. Wie die Menschen reden, wie sie sich bewegen und verhalten, das ist uns alles zu 100 Prozent vertraut. Dass wir damit unseren eigenen Umgang finden, das musste sich jedoch noch finden.

 

Ich kann für mich sagen, dass ich die Begrüßung vermissen werde - Augenkontakt, dann leicht geneigt ein freundliches  "Annyeong-haseo" (Guten Tag) - ich nehme dich wahr, du nimmst mich wahr. Das tut gut. Es mag hier viele Menschen geben, doch das erlebe ich nicht als belastend. Mir wird es fehlen. Das weiß ich jetzt schon. Dieses relativ verbindliche, wohlwollende, respektvolle in Kontakt gehen ist nach meinem Empfinden sehr angenehm. Das ist zwar in Seoul weniger ausgeprägt, aber selbst hier.

In diesem Zusammenhang: Es gibt einige Szenen (beispielsweise auf den Märkten oder in den vielen klitzekleinen Werkstätten), die ich gerne im Bild festgehalten hätte. Doch ich habe es nicht getan, um so den Respekt zu würdigen und die Privatsphäre zu wahren. (Wäre das irgendwo in Europa anders gewesen? Möglicherweise... Hm.)

 

Krass erlebe ich den Kontrast zwischen der digitalisierten Welt und neuen Energie einerseits, sowie den Relikten der alten Welt, der alten Energie. Das Nebeneinander der teuren Handtaschen und der fetten SUVs, welche die Kapazität der Parkplätze stets um 20 Prozent reduzieren, da sie einfach zu groß sind für die Parkflächen... und jener Menschen, die im Laden am Boden sitzen und den lieben langen Tag Frühlingszwiebel häuten, etwas hämmern, schrauben, sägen oder ähnliches, oder draußen das Altpapier sammeln, oder in kleinen Häusern ohne Bad leben. Joka erlebt die technologisch fortschrittlichen Details sogar noch stärker. Die automatischen Türen, die Features der Navigations-KI, die Bestell- und Bezahltechniken in Cafés oder Restaurants... wir wurden einmal auch von einer selbstfahrenden Service-KI bedient, die uns die Beilagen brachte und freundlich mit uns plauderte...

 

Dies ist ja dann doch auch ein frauenfeindliches Land. (Auch wenn wir das selbst nicht so erlebt haben.) Doch wehe den Männern. Jene Frauen, dich ich sehe - die älteren vor allem. Wehe, wenn sie aufstehen. Die sind von ihrer energetischen Ausstrahlung so stark, dass eigentlich die Männer aufpassen müssten. Starke. toughe Frauen. Als wäre ab einem bestimmten Alter (50?) etwas von ihnen abgefallen. Dann müssen sie nicht mehr süß sein, sondern dürfen auch mal sauer sein. Das tut gut zu sehen. Dass es so ist. Mögen die jungen Menschen sich nicht in ihrer Selbstbespiegelung verlieren. Mögen sie ihre eigene Kraft finden und abseits des Mainstream zu sich zu stehen. Auch wenn es mal nicht ´gefällt´. Das wünsche ich den Menschen in diesem Land. 

 

In Silla hatte ich erstmals den Gedanken: die Palastarchitektur nutzt etwas 1/3  Fläche für Gebäude und 2/3 für die Parkanlagen. Der moderne Städtebau setzt auf die Hochhäuser und lässt damit einiges an Natur grün. Ob das Verhältnis (ein Drittel zu zwei Drittel) so stimmt weiß ich nicht, doch ich bin extrem dankbar, dass die Bauweise in die Höhe geht... und (immer noch) so viel grün bleiben darf, das zudem gepflegt, geschützt und sauber gehalten wird.

Eine weitere Beobachtung, die mir gut gefällt. Es gibt immer wieder an öffentlichen Plätzen überdachte Holzpavillons, die zum Aufenthalt für alle da sind, und betreten werden dürfen - ohne Schuhe. Und alle halten sich daran. Ich denke an meine Heimatstadt und sehe schon die in den Holzboden geritzten Liebesschwüre, die Graffiti, den Müll, das Nichteinhalten der Regel... Hier halten sich alle daran. Erstaunlich. Bewundernswert. I LIKE IT! Eonni meint, dass hier die Haltung zum Gemeinwohl insgesamt stärker ausgeprägt ist. Und Joka ergänzt, dass hier zwar kaum Mülleimer herumstehen, jedoch trotzdem kaum Müll herum liegt. Das passt auch dazu.

Übrigens: auch die öffentlichen Toiletten sind immer noch proper. Das hat sich durchgezogen. Egal wo. Wenn frau Glück hat, sogar inklusive Bidet. Tendenziell ist das in Seoul vielleicht etwas schwächer ausgeprägt.

 

Ach ja. Es ist so vieles wirklich hervorragend organisiert. Wir mögen es nicht immer auf Anhieb kapiert haben. Doch wenn, dann müssen wir zugeben, dass an wirklich vieles gedacht wurde. Farbstreifen am Boden weisen den Weg. Dies gilt für die Autobahn, doch auch für die U-Bahn. In den Coffee-Shops und Restaurants wiederum können die Gäste an Automaten ihr Essen wählen und digital (oder bar, das haben wir eher genutzt,) bezahlen. Bei aufgerufener Nummer wird das Essen ausgehändigt. Ob zum Mitnehmen oder hier essen... Das geht zackig. Kein unnötiges Warten. Alles bleibt im Fluss. Überall. Bei so vielen Menschen (für mich, für uns) ein Phänomen. 

 

Wir sind jetzt lange genug hier, um auch zu kapieren, wie die Mautstellen funktionieren :-) Doch anfangs war es nicht so leicht, wenn frau bar zahlen wollte. ´Hipass´, die digitale Abbuchung per optischer Erkennung, wäre am einfachsten. Mit Kreditkarte wäre Maut ebenfalls einfacher zu bezahlen, doch die Auslandsaufschläge auf jeden noch so kleine Betrag machen keinen Sinn... so wählten wir bar, aber das ist eben im ersten Moment nicht so einfach. Jetzt schon. Auch wenn es kein Ticket mehr zu ziehen gibt (was bei uns oft der Fall war). Jetzt wissen wir, was wir zu sagen haben. 

 

In Südkorea werde ich als westliche Touristin wahrgenommen. Und westliche Tourist*innen sind offensichtlich die Ausnahme hier... Außerdem ist westlich hier nicht das Glück und Ziel allen Seins. Ich bin hier eine, die nicht dazu gehört. Doch ich sollte ergänzen: wenn wir dann ein paar Fetzen auf koreanisch von uns geben, dann erstrahlt fast jedes Gesicht. 

Die Menschen sind übrigens gegenüber uns sehr hilfsbereit und gastfreundlich aufgetreten. Da gibt es gar nichts zu meckern. Eonni fragt ja schneller jemanden, als ich die Bus-Pläne entdeckt habe... Und mit Englisch, Händen und Füßen hat das bei ihr immer prima funktioniert. In allen erdenklichen Situationen. Joka hat das bereits für sich übernommen. Prima. (Und ich fühle mich wie im Urlaub...)

 

Südkorea ist vielleicht nicht reich an Spektakulärem wie Niagara Fälle, Grand Canyon oder Amazonas. Es ist in nichts aufdringlich. Das Land war nicht imperialistisch, es wollte seine Ruhe haben, und wenn sich jemand einmischte, dann begehrte das Volk auf, auch im Verborgenen. Genügsam und sozial ausgerichtet. Einfach. Auf der anderen Seite leicht verführbar im Konsumrausch. Exklusiv. (Und damit nun exportorientiert dann doch auf Expansionskurs geraten?) In jedem Fall eine pikante Mischung.

Das Spektakuläre für mich ist in Südkorea allerdings die Wirkkraft und der Stellenwert der Kreativität, der Schöpferkraft, die hier so hoch gehalten und genährt wird. Die Kraft, in der die Hoffnung liegt. Die allem Schmodder und Moloch der Vergangenheit etwas Positives, Helles entgegenzusetzen weiß..

 

Ein KPop BTS Boy hatte unlängst einen Hit: "(We are) Dreamers". ´Wir träumen unsere Zukunft´ - das ist es. Das trifft es. Er singt den Menschen aus der Seele. Auch wenn die zielsicher eingängige Musik nicht unbedingt originell ist, der Beat greift die Tradition der Trommeln auf und die Botschaft transportiert mehr als die simplen Worte suggerieren: Ein Lebensgefühl und kulturelles, identitätsstiftendes Selbstverständnis - fast möchte ich ´Alleinstellungsmerkmal´ dazu sagen. Weniger auf die einzelnen Personen bezogen, sondern auf etwas, das größer ist, als der/die Einzelne, oder auch als die Grenzen einer Nation fassen. Das ist, meine ich, der Zauber, die Power, die Faszination, das außerordentlich Schöne, das von diesem Land und seinen Leuten ausgeht - auch und gerade jetzt, im 21. Jahrhundert. 

 

Ich hätte nichts dagegen, wieder zu kommen... :-)

(Das mit der Sprache ist in jedem Fall ausbaufähig...)

Kulinarisches Fazit

 

Heute zum Frühstück gab es Croissants zum Abschied und zur Einstimmung auf Europa. Am Flughafen in Incheon zum Lunch dann einmal für Eonni Nudeln in schwarzer Bohnenpasten-Sauce, die sie noch unbedingt essen wollte. Für Joka und mich den typischen gegrillten Schweinebauch, allerdings nicht im Salatblatt sondern mit Beilagen (Kimchi, süsauer eingelegte Gurken, eingelegte schwarze Bohnen und noch ein scharfer Pickle, den ich nicht zuordnen konnte.) Dazu kamen noch Sudubu Jjigae (Suppe mit weichem Tofu und Meeresfrüchten) und Reis. Das war eine runde Sache.

Am Abend gab auf der Air-Seite noch zu späterer Stunde einen Snack mit unseren letzten Won. Scharfe Sepia- und Meeresfrüchte Suppe sowie die Nudeln vom Nachmittag auch nochmals für Joka... Den Fotos mag man/frau es nicht ansehen, doch es war vorzüglich.

Joka hat heute das letzte Wort,

 

...denn das Ende von etwas (zum Beispiel unserer Reise) ist immer auch der Anfang von etwas Neuem. Und da sind Eonni und ich besonders neugierig, was Joka zurück trägt in ihr Leben, nachdem sie hier in den vergangene 18 Tagen förmlich aufgeblüht ist...

 

"Drei Frauen, gut aufgelegt und meist gelassen in vielen neuen Situationen. Eine Reise voller Inspiration. Wir leben im Moment, vergessen die Zeit und den Rest der Welt für eine Weile… Doch jetzt geht unsere gemeinsame Reise hier zu Ende.
Wir sind dankbar. Für den Singsang der melodischen Sprache, das freundliche Zunicken bei Begrüßung und Verabschiedung. Ebenso für das fantastische, manchmal oft süße oder scharfe Essen. Wir haben uns sicher gefühlt. Überall war es sauber. Wir hatten Spaß bei der KI Herausforderung, denn die sind uns hier weit voraus. 
Alles hat so gut geklappt. Der Kuckuck hat wohl gut auf uns aufgepasst.... 
 
Und wer weiß, vielleicht wird die eine oder andere schon bald wieder in dieses Land voller Inspirationen eintauchen. Wir werden sehen..."

Jal Ga! Daum-e bwa!

 

Vielleicht haben ja auch unsere wohlwollenden Leser*innen zum Gelingen unserer Reise begetragen? Jedenfalls vielen Dank für euer Interesse.

 

Wir sagen nun in Kürze "Jal Ga!" (Mach´s gut) zu Südkorea, das uns so freundlich willkommen geheißen und eine wunderschöne, eindrucksvolle Zeit bereitet hat. "Daum-e bwa!" (Wir sehen uns wieder.)

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