Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Bildung & Arbeitswelt

Dear My Friends

"Dear my Friends" ist in mehrfacher Hinsicht ein Ausnahme-KDrama und damit schwer einem Themenbereich zuzuordnen. Ich platziere es unter den Rom+/-Coms, denn es geht ja schon auch um eine Liebesbeziehung. Sogar um mehr als eine. Diese werden nur nicht in der üblichen Weise erzählt.

 

"Dear my Friends" handelt einmal nicht von der strahlenden Jugend und der unschuldigen ersten oder wahren Liebe. "Dear my Friends" macht die Alten zum Thema. Das Altern. Das gemeinsame alt werden. Die Angst vor der Inkontinenz. Die Angst vor der Demenz. Die Angst vor dem Abstellgleis. Die Angst vor dem Tod. Doch auch die Lust auf Leben. Die Lust auf Liebe. Die Lust auf Abenteuer. Das Strahlen ist auch Teil des Alters. Aber es kommt mehr von innen heraus.

 

Auch in Südkorea werden die Menschen älter und mehr Menschen sind alt. Sie wollen und müssen versorgt werden. Sie wollen und müssen sich selbst versorgen. Das betrifft auch das Urgestein der südkoreanischen Film- und TV-Industrie: die seit Jahrzehnten auf Bildschirm und Leinwand vertrauten Schauspieler*innen laufen hier sozusagen in eigener Sache in den Themen ihrer Zeit zu Hochform auf und füllen die Figuren der Story mit ihrer ureigenen Aura. Kaum ein Thema fehlt. Dazu wurde ein buntes Geflecht ineinandergreifender, lebensnaher Geschichten gewoben, das durch ein die Zeit überdauerndes Freundschaftsband zusammengehalten wird. Hier gilt einmal nicht der hohe dramaturgische Wert des Makjang, sondern es geht um Geschichten, die jedes Alter (in vielen Ländern dieser Erde) in der einen oder anderen Färbung mit sich bringt. Verschiedene Lebensentwürfe, wie sie vermeintlich gelungen oder gescheitert sind, werden aus Sicht dreier Generation präsentiert, doch der Schwerpunkt liegt auf den 60-70 Jährigen.

 

Dabei werden unweigerlich einige für die bewegte jüngere Geschichte Südkoreas spezifischen, prägenden Hintergründe und ungelösten Zeitthemen eingebaut. Sie sind eben Realität auf der Nebenspur und Kulisse des Lebens. Die Unausgewogenheit zwischen der Stadt und dem Leben der Landbevölkerung ist dabei eines, das in den KDramen eher weniger vertreten ist. Es geht außerdem zwangsläufig um den harten Alltag, Armut, Diskriminierung von Frauen, von Menschen mit Behinderung, von alten Menschen. Dabei werden das unzeitgemäße Wertesystem und die tradierten Tugenden in unterschiedlicher Variation an den Pranger gestellt. Unter anderem erweitern die Protagnist*innen das Modell Familie in wahrhaft progressiver Weise um den Faktor Freundschaft zu einem modernen Konzept von Wahlfamilie. 

 

"Dear my Friends" könnte in seiner ganz eigenen, mal liebevoll feinfühligen, mal schrullig schnoddrigen, mal grob polternden Art schon auch ein Roadmovie sein - eine Reise über 16 Folgen hin zu Freiheit, Selbstbestimmung und eigener Identität. Jede/r wird auf sich selbst zurückgeworfen und hält den Schlüssel zur Freiheit im ´Jetzt´ in eigenen Händen, von der in unerschütterlicher, jahrzehntelanger Freundschaft verbundenen Gemeinschaft getragen. Liebe, ja die spielt auch eine Rolle. Auch die romantische Liebe, aber nicht nur. Insbesondere die Frauen in dieser Serie finden im Angesicht ihrer Vernetzung und Verletzung zu ihrer Power - ein berührendes KDrama über Empowerment. Es ist nie zu spät.

 

"Dear my Friends" wurde auf den 53. Baeksang Arts Awards als bestes Drama und bestes Drehbuch prämiert. Das Drehbuch erhielt außerdem die höchste Auszeichnung bei den 9th Koean Drama Awards. Auch ich finde das KDrama trotz aller Schrulligkeit ausgezeichnet und vergebe dafür das Prädikat "wertvoll".

디어 마이 프렌즈 - Dieo Mai Peurenjeu

Lit.: Dear my Friends (Anglizismus)

 

2016, 16 Folgen

 

Hauptdarsteller*innen:

-Go Hyun-jung
-Kim Hye-ja
-Na Moon-hee
-Go Doo-shim
-Park Won-sook
-Youn Yuh-jung
-Joo Hyun
-Kim Young-ok
-Shin Goo

 

 

Plot:

Auf dem Land, im Restaurant von Oh Choong-nam, kommt zu großer Feierlichkeit eine bunt gemischte Gruppe zusammen. Sie kennen sich alle aus Kindertagen. Ihre Lebenswege sind sehr unterschiedlich verlaufen. Die Beziehungen sind so-so, vom Leben gezeichnet. Eine der älteren Damen ist 63, geschieden mit eigenem Restaurant in der Stadt und erwachsener Tochter, eine ist 72, verheiratet (mit einem echten Macho) und hat bereits verheiratete Töchter, eine ist 65, immer noch Jungfrau aber erfolgreiche Geschäftsfrau (u.a. mit eben jenem Landgasthaus), eine ist 63, gefeierte Schauspielerin (aber mit Krebs), eine ist 72, verwitwet mit mehreren Kindern. Die Geschichte wird erzählt von Jang Na-hees Tochter Park Wan, die mit Ende 30 immer noch unverheiratet ist und als Übersetzerin (und Schriftstellerin) arbeitet. Und dann gibt es noch die 86 jährige Oh Sang-boon, Mutter von Na-hee und Großmutter von Wan. 

 

Wan ist eigentlich ziemlich genervt von den Alten. Allen voran von ihrer Mutter, die sich in üblicher südkoreanischer Manier massiv in ihr Leben einmischt. Dennoch sind diese Frauen alle wie Tanten für sie. Unvermittelt beschließt sie, in Anbetracht der Endlichkeit des Seins, die Geschichten ihrer ´alten Tanten´ (und ´Onkel´), sowie ihrer Mutter und Großmutter, zusammenzutragen, und ein Buch darüber zu schreiben. Indem sie sich immer weiter einlässt und tiefer eintaucht, lernt sie (zusammen mit den Zuschauer*innen) besser zu verstehen, was diese Generation durchgemacht hat, was sie zusammenhält, was sie jeweils geleistet haben, was sie bis heute quält, was lange Zeit ungesagt geblieben ist, was gelebt werden will, was sie fürchten und wovon sie träumen.  Auch sich selbst und ihrer Mutter kommt Wan im Verlauf dieses Buchprojekts trotz und wegen ihrer Konflikte näher.

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