KDrama nach Themen: Historiendramen
Gando ist das Land der Verzweifelten, das Reich der Desperados von Joseon. In den 1920er Jahren ist es zudem ein Land, in dem die politischen Zuständigkeiten und Zugehörigkeiten schwammig geregelt waren. Da mag so manches an den Wilden Westen erinnern. Es ist aber doch alles ganz anders in diesem Wilden Norden im Fernen Osten.
"Song of the Bandits" kommt als fulminantes Netflix Historiendrama jüngerer koreanischer Geschichte daher. Dabei versprüht es die Vibes eines Eastern. Bewegend. Fesselnd. Klasse. Das KDrama ist stellenweise laut, blutig und turbulent, findet jedoch ebenfalls leise und zarte Töne. Auch der Humor und romantische Gefühle bleiben nicht auf der Strecke. "Song of the Bandits" ist diesbezüglich überraschend gut ausbalanciert und hält für eine Netflix Produktion (trotz aller actionreich durchchoreographierter Politur für ein breites internationales Publikum) erstaunlich konsequent an einer eher feinsinnigen koreanischen Serien-Machart fest. Wunderbar in vielen Maßstabsebenen. Man/frau bekommt Impressionen von in unterschiedliches Licht getauchten Originalschauplätzen inmitten der mandschurischen Landschaft. Musikalisch ist der Soundtrack eher international angelehnt. Großes Kino in 9 Folgen. (Vorerst?)
´Bandit: Das Lied vom Schwert´ lautet der Originaltitel. Tatsächlich wird weniger das Schwert geschwungen, als mit Schusswaffen hantiert. Das KDrama ist episch grandios aufbereitet, bietet große Gefühle, erzählt von Menschen und von der Bandbreite der Motive, wofür Menschen zu kämpfen bereit sind. Es geht um Widerstand, Gehorsam, Käuflichkeit, Unterdrückung, Opportunismus, Zugehörigkeit, Freiheitskampf. Auch ein paar tiefgründige Gedanken werden hier und da geteilt. Das alles nah an den Menschen, ihren individuellen Geschichten sowie ´der´ Geschichte Chosens - eine emotional äußerst koreanisch erzählte Geschichte. Bewegend. Mitreißend. Das historische Thema - selbst wenn es dem Rest der Welt für ein kurzweiliges Serienvergnügen vielleicht egal sein kann - beinhaltet für koreanische Verhältnisse einiges an Zündstoff. Schusswaffen sind in diesem Zusammenhang also in mehrfacher Hinsicht durchaus stimmig...
Wie man/frau sich schon denken mag, ist mir der historische Kontext nicht egal. Im Gegenteil, ich finde den ziemlich spannend - einmal abgesehen von der dramaturgisch actionreich und emotionsgeladen aufbereiteten Story mit ihren komplex verflochtenen Beziehungsdynamiken und Konflikten. Wie gesagt, man/frau muss über die Hintergründe nicht wirklich Bescheid wissen, um sich von "Song of the Bandits" begeistern zu lassen. Aber wenn es jemand, interessiert: weiter unten auch noch eine historische Randnotiz zu ´Gando´, der Grenzregion am Nordufer des Tumen, der heute zugleich die Grenze zwischen dem Nordosten Chinas und Nordkorea markiert.
Trotz der insgesamt kommerziell ambitionierten Produktion, die gerne an den internationalen Erfolg von “Squid Game” anknüpfen möchte, konnte mich “Song of the Bandits” mit einer dann doch recht guten Story und komplexen Figuren überzeugen.
Hier sind außerdem erstklassige Mimen offenbar ganz in ihrem Element - unter anderem Kim Nam-gil, Yoo Jae-myung, Lee Ho-jung und Lee Hyun-wook . Aber alle anderen auch. Hier finden KDrama und Netflix mal so richtig perfekt zueinander... Dafür gebe ich gerne mein Prädikat "wertvoll". (das ´besonders´ mag ich wegen der hohen Actionlastigkeit nicht geben...)
PS: Jaja, das Ende der Geschichte...
Wer mag, kann ja von mehr träumen. Möglich wäre es. Wer weiß, ob es eine Fortsetzung geben mag. Aber...
Nichtsdestotrotz, ich finde, das Ende passt irgendwie auch so wie es ist. Im Hinblick auf die historischen Ereignisse zumindest... Wir möchten vielleicht, dass die dichterische Freiheit hier ein anderes Ende zaubert. Aber da bleibt sich diese Story im Sinne der Chosen-Geschichte treu: Aus koreanischer Sicht ist und bleibt dieses Kapitel unbefriedigend, ungerecht und schmerzhaft.
Wir als internationales Publikum können/sollen/müssen/dürfen nun (im Übertragenen mit unserem persönlichen Unmut) empathisch an dieser kollektiven Erfahrung teilhaben...
Randnotiz:
Jiandao (chin.), Gando (kor.) oder heute Yanbian - historisches Grenzland und bis heute eine Region mit einem hohem Anteil an koreanisch stämmiger Bevölkerung.
Gando ist eine kleine, für Unbeteiligte vielleicht eher unscheinbare, schlecht verheilte Wunde in der koreanischen Geschichte, die irgendwie immer noch nässt... Gando (und die Mandschurei im Allgemeinen) ist auch eng mit der Neuformierung der Gerechten Armee und dem patriotischen Widerstandskampf gegen die Unterdrückung durch die japanische Kolonialherrschaft assoziiert. Mit "Song of the Bandits" hat Gando nun eine eigene, eindrucksvolle, internationale Bühne bekommen...
Dieses Yanbian oder Jiandao oder ´Gando´ war der letzte Hoffnungsnagel für eine zunehmende Zahl verzweifelter Menschen aus Joseon (und ist es bis heute für manche Nordkoreaner*innen), die nichts zu verlieren hatten und lieber mit einem beschwerlichen Leben in der Mandschurei, im noch relativ unentwickelten Marschland am Nordufer des Tumen, ihr Glück versuchen wollten.
Zuerst - im Verlauf und insbesondere Ende des 19. Jahrhunderts - trieb sie Hungersnot und Armut in den fernen Norden. Dann, Anfang des 20. Jahrhunderts, war es die Flucht aus dem schließlich offiziell von den Japanern annektierten Chosen. In der Mandschurei formierte sich in jener Zeit ebenfalls Miliz der Gerechten Armee.
Nach der Annexion Joseons forderten die Japaner angesichts der im Verhältnis reichhaltigen Joseon-stämmigen Bevölkerung im Rahmen ihrer aggressiven Expansionsbestrebungen das Uferland nördlich des Tumen von den Chinesen ein. Auf die Infiltration folgte die die Invasion 1907, doch bereits 1909 auch wieder der Rückzug. Offiziell war das Gebiet als Ergebnis der diplomatischen Verhandlungen dann zwar schließlich doch wieder chinesisch, die Japaner erhielten die Konzession für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn und die Menschen aus Joseon blieben aufgrund ihrer koreanischen Abstammung defakto unter japanischer Herrschaft.
In diesem politischen Sumpf setzt "Song of the Bandits" mit seiner Geschichte an: Jene Zeit im Vorfeld der kriegerischen 1930er Jahre, bevor das Kaiserreich Japan in die Mandschurei einfiel, den Marionettenstaat ´Mandschukuo´ etablierte und für seine Zwecke nutzte. Die Voraussetzung hierfür war der gezielte, massive Bahnlinienausbau - allem voran der Nord Chosen Linie entlang der Grenzregion zwischen Chosen und der Mandschurei in den Jahren zuvor.
Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs schließlich gingen viele Koreanier*innen zurück nach Korea, doch bei weitem nicht alle. Rund 810.000 koreanisch stämmige Menschen leben anscheinend bis heute im autonomen Bezirk Yanbian der chinesischen Jilin Provinz. 1952 betrug der Anteil der Bevölkerung mit koreanischem Migrationshintergrund rund 60 Prozent. Die koreanische Sprache war in offiziellen Zusammenhängen allgegenwärtig, auch in koreanischen Schulen. Doch vor allem seit den späten 1990er Jahre hatte die chinesische Regierung gezielt versucht, eine sprachliche und kulturelle Assimilation zu forcieren, um politischen Strömungen in Südkorea und Diskussionen über einen eventuell rechtmäßigen koreanischen Anspruch auf ´Gando´ entgegenzuwirken.
Diese Strömungen meinen, das Gebiet sollte (in Hinblick auf die Ereignisse Anfang des 20. Jahrhunderts und der mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nichtig gewordenen Gando Konvention) heute eigentlich zu (Nord)Korea gehören. Damit ist Gandos rechtmäßiger territorialer Status immer noch nicht zufriedenstellend geklärt...
Im Übrigen versuchen bis heute verzweifelte nordkoreanische Flüchtlinge, über den während der langen, kalten Wintermonate eisigen Grenzfluss Tumen unbemerkt nach China zu gelangen. Damit ist Gando bis heute immer noch der letzte Hoffnungsnagel so mancher verzweifelter Koreaner*innen...
도적: 칼의 소리- Dojeok: Kar-ui sori
Lit.: Bandit: Klang des Schwerts
2023, 9 Episoden
Hauptdarsteller*innen:
-Kim Nam-gil
-Seohyun
-Yoo Jae-myung
-Lee Hyun-wook
-Lee Ho-jung
Plot:
Während der 1920er Jahre ist Gando eine Art seltsames Niemandsland zwischen den Nationen. Es gehört China, wird von Japan beherrscht, aber zum Großteil von Koreaner*innen bewohnt - von jenen
Koreaner*innen, die gute Gründe oder nichts mehr zu verlieren hatten, dass sie in den kalten, unwirtlichen Norden gezogen sind, wo sie möglichst weit weg vom Kolonialherren sind und vielleicht sogar
wagen wollen, wieder von einem freien Land zu träumen.