Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

KDrama nach Themen: Crime and Politics

White Nights 3.98

"White Nights 3.98" begibt sich 1998 als Fernsehproduktion erstmals nicht nur räumlich, sondern auch inhaltlich auf völlig neues Terrain. Es geht um die Spionagetätigkeit rund um die Entwicklung von hochmodernen Atomwaffen, sowie um Konflikte zwischen den Vereinigten Staaten, russischen Geheimdiensten und Mafia, die auf dem Rücken von Nord- und Südkorea ausgetragen werden.  Der Titel "White Nights 3.98" bezieht sich dabei einerseits auf Mittsommernächte in nördlichen Breitengraden und damit auf den Schauplatz Mongolei, andererseits auf die Überschallfluggeschwindigkeit gemessen in der Mach-Zahl. Hier bezeichnet ´3,98´ die Geschwindigkeit, mit der einer der Protagonisten in einer Schlüsselszene unterwegs ist.

 

Das KDrama wartet ungewohnt actionreich auf: mit Flugszenen, die an „Top Gun“ erinnern, einer schießfreudigen Sequenz, wo sich der nordkoreanische Protagonist aus der arabischen Rebellenhochburg in Rambo-Manier freischießt, Unterwasserszenen im Imjin-Fluss, der durch die demilitarisierte Zone fließt, Explosionen  hier und da usw. – das KDrama eröffnete ein spektakuläres, neues Genre in der südkoreanischen Serienwelt.

 

Und doch. "White Nights 3.98" hatte es in vielerlei Hinsicht in Südkorea schwer. Die Einschaltquoten starteten hoch und stürzten dann ab. Das hat mehrere Gründe, die einiges über Südkorea aussagen - mehr als über das KDrama. Das KDrama selbst auf der Grundlage des gleichnamigen Romans ist ein spannendes und durchaus unterhaltsames, über weite Strecken gut gemachtes Zeitdokument aus einer Zeit, die den Kalten Krieg hinter sich gelassen zu haben glaubte - 1998. Nord- und Südkorea bilden dabei in ihrer speziellen politischen Dynamik die letzte und nach wie vor brandaktuelle Hochburg eines tatsächlich noch nicht wirklich beendeten Kalten Krieges.

 

Das KDrama kommt in einer Zeit ins Fernsehen, als der Norden und der Süden mit hoffnungsvoller, positiver  "Sonnenscheinpolitik" und der neu geschaffenen, eigens auf den südkoreanischen Tourismus in Nordkorea ausgerichteten Kŭmgang-san Region optimistischer in die Zukunft blicken wollten. Damit hat "White Nights 3.98" zwar an sich ein stets aktuelles heißes Eisen aufgegriffen, das gesellschaftliche Thema der Zeit jedoch völlig verfehlt. Den Menschen war nicht sonderlich danach, den sich bekriegenden Spionen*innen aus dem Norden und Süden ihr Herz für 20 Episoden zu schenken. Zu Beginn rangierte die Serie noch auf Platz 3, ließ dann aber sukzessive Federn.

 

Das hat noch einen anderen Grund. Ein beachtlicher Teil der Szenen (3 von 12 Monaten Drehzeit) wurden unter erschwerten Bedingungen im Ausland, hauptsächlich in Russland, teilweise in Usbekistan, gedreht. Das bringt exotisches Flair in die doch ansonsten auf die Halbinsel konzentrierten Serienorbit. (Im Vergleich zu sonstigen KDramen jener Zeit waren die Gesamtproduktionskosten dementsprechend dreimal so hoch.) Die internationale Thematik, die dramaturgische Verflechtung mit den Geheimdiensten der USA und der Sowjetunion, erforderte jedoch auch entsprechend muttersprachliche Schauspieler*innen, die sich am südkoreanischen Set sprachlich problemlos zurechtfinden konnten. Es scheint ein Problem (gewesen) zu sein, hier eine geeignete Besetzung zu finden. Ein Problem, das mir schon in "Sad Love Story" stellenweise unangenehm aufgestoßen ist: die schauspielerische Leistung der russischen und amerikanischen Rollen bricht im Vergleich zur restlichen Produktion deutlich ein. Das ist wirklich schade, denn es beleidigt stellenweise nicht nur das Auge, sondern auch das Ohr. Das empfanden wohl auch die südkoreanischen Fernsehzuschauer*innen zum Zeitpunkt der Ausstrahlung.

 

Und noch eine Kritik musste die Produktion einstecken. Regisseur Kim Jong-hak, der wenige Jahre zuvor mit "Sandglass" die Massen begeistern konnte, eckte nun damit an, dass er hier stellenweise mit Reminiszenzen an jene frühere Produktion arbeitete - mit ähnlichen oder gar denselben Szeneneinstellungen. Auch mir kam das ein oder andere seltsam bekannt vor - das südkoreanische Publikum war darüber ´not amused´. Doch wer "Sandglass" nicht kennt, den wird das nicht stören. Und selbst wenn, stört es eigentlich auch nicht. Als ´Gag´ kam es damals jedenfalls nicht gut an.

 

Ein weitere Vorwurf an das KDrama richtete sich an die im Skript schlampig gezeichnete, zentrale Figur Kwon Taek-hyeong. In der Buchvorlage ist der schwer zu greifende Protagonist wohl um einiges nachvollziehbarer in seiner Ambivalenz und Komplexität. Die Serie vereinfacht/verschlankt sein Profil massiv... Von seiner dunklen, bösen, gewissenlosen Seite blieb im Skript vergleichsweise wenig. Von seiner Ambivalenz bleibt ebenfalls wenig. Auch zu deren Hintergrund erfährt man/frau praktisch nichts. Schließlich wird schlicht weggelassen, wie er vom Jugendlichen zum gewissenlosen Terroristen wurde. Allein der Schmerz um Anastashia bleibt. Da musste Choi Min-soo in der Serienversion einiges durch Präsenz gut machen, um dieser tragischen Figur ein starkes Profil zu vermitteln.

 

"White Nights 3.98" ist zwar ein Spionagethriller, dennoch ist es kein Männerding. Es sind reichlich Frauen im Spiel, die hier im Verlauf der Ereignisse mitmischen. Selbstverständlich gibt es dabei ebenfalls tragische Liebesverstrickungen. Als treibende dramaturgische Kräfte wirken letztlich nicht Ideologien, Volk und Vaterland, sondern Herz und Schmerz, impulsive und menschliche Entscheidungen. Was immer man/frau "White Nights 3,98" alles vorwerfen mag, es wartet in bewährter KDrama Manier mit starken emotionalen Momenten auf.

 

Übrigens kann man/frau hier Park Eun-bin als Sechsjährige bei ihrem Schauspieldebüt erleben, und auch Song Hye-kyo war damals noch in den Startlöchern ihrer Karriere... zumindest sofern man/frau das KDrama zu sehen bekommt. Mit Untertitel ist es (derzeit) leider schwerlich zu bekommen...

 

Für mich war im Zusammenhang mit "White Nights 3.98" (bei aller Unterhaltung und Begegnung mit benannten Stars im noch jugendlichen Alter) letztlich der historische Kontext interessant – nicht nur in Bezug auf die zeitgenössisch kritische Reaktion auf das KDrama, sondern auch auf den historischen Auftakt der Geschichte: Im Jahr 1968 hatte es einen nordkoreanischen Attentatsversuch auf den südkoreanischen Präsidenten Park gegeben. Dazu war die Spezialeinheit Einheit 124 als Black Op auf südkoreanischem Boden vorgedrungen. Sie hatten dazu den Imjin Fluss unter der Eisdecke durchtaucht und die demilitarisierte Zone hinter sich gelassen. Auf direktem Weg zum Blauen Haus wurde die Truppe 7 km östlich von Paju von vier Passanten entdeckt und der Polizei gemeldet. Darauf war die Spezialeinheit jedoch vorbereitet und wechselte ihrerseits in die Uniformen der lokal ansässigen 26. Infanterie Division der südkoreanischen Armee und teilte sich auf.  So konnten sie von Polizei und Militär unbemerkt bis auf 100 m zum Blauen Haus in Seoul vordringen. Durch Zufall oder gute Intuition des örtlichen Polizeichefs wurden die Attentäter am Checkpoint Jongro jedoch konfrontiert und in eine Schießerei verwickelt. 29 von 31 Mitgliedern der Spezialeinheit kamen auf der Flucht um oder töteten sich vorsorglich selbst. Einer von zwei Überlebenden wurde gefasst und lief in den Süden über. Der andere, Pak Jae-gyong, schaffte es zurück nach Nordkorea und dort bis an die Spitze von Militär und Politik.

백야 3.98 - Baekya 3.98

Lit.: White Nights 3.98

 

1998, 20 Episoden

 

Hauptdarsteller*innen:

-Choi Min-soo
-Lee Byung-hun
-Shim Eun-ha

 

Plot:

Als Kind hatte Min Gyeong-bin aktiv den heldenhaften Tod seines Vaters miterlebt, der 1968 im Einsatz der Jongro Polizei das Attentat der nordkoreanischen Einheit 124 auf Präsident Park vereiteln konnte. Sein Jugendtraum ist es, Luftwaffenpilot zu werden und mit Kampfbombern in hoher Geschwindigkeit durch die Lüfte zu tanzen. Gyeong-bin schafft es auch wirklich, als Pilot ausgebildet zu werden, doch die Umstände führen dazu, dass er letztlich im Geheimdienst eingesetzt wird. Seine Zielperson ist der Nuklearforscher Anatoly Jang, der sich als stellvertretender Direktor des Instituts für Atomenergieforschung in Irkutsk, Russland, aufhält. An ihm, Geheiminformationen und Nuklearbombern der neusten Generation sind ebenfalls der FSB, die Tschetschenische Mafia und der Nordkoreanische Geheimdienst interessiert. Letztere mobilisieren einen ihrer besten Sniper: Kwon Taek-hyeong.

 

Taek-hyeon´s Vater war damals Teil der Einheit 124. Als schwarzes Schaf seiner Familie hatte Taek-hyeon es meist schwer. Nachdem er als Jugendlicher seiner ersten Liebe Anastashia durch den Imjin Fluss zur Flucht in den Süden verholfen hatte, ist ihm mit ihr zugleich auch sein Herz abhandengekommen. Als Soldat hat er das Schießen gelernt, als gewissenloser Scharfschütze lässt er sich zwischenzeitlich weltweit kaufen - unter anderem für eine terroristische Rebellengruppierung im arabischen Raum, weit weg von zu Hause. Nun wird er jedoch von seinen eigenen Leuten engagiert. Er soll Anatoly Jang ausschalten. Zu spät erkennt er, dass es sich bei seinem Zielobjekt um den Vater seiner ersten und einzigen Liebe handelt, die ihrerseits heute als Agentin des russischen FSB tätig ist...

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