Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

KDrama nach Themen: Beispiele für KMovie

Han Gong-ju

Unter den unabhängigen südkoreanischen Filmproduktionen gilt "Han Gong-ju" als eine der bislang erfolgreichsten überhaupt. Die Zuschauer*innenzahlen explodierten geradezu in der ersten Woche - allein durch Mundpropaganda. Zusätzlich zu dieser Abstimmung mit Füßen kamen dann noch durchweg positive (nationale und internationale) Filmkritiken und Preise. Ich halte das KMovie ebenfalls für "besonders wertvoll".

 

"Han Gong-ju" bietet schonungslos eindringliche Independent KMovie Qualität, dramaturgisch sparsam aufbereitet, dabei in aller Ruhe subtil und doch einfühlsam erzählt. Hinter der gleichgültig anmutenden Haltung der Protagonistin lodert unterschwellig die geballte emotionale Wucht, die sich dabei weniger in der Protagonistin selbst als in den Gemütern der Zuschauer*innen entlädt. Die Geschichte bezieht sich übrigens auf eine wahre Begebenheit. (Zum Hintergrund weiter unten - aber das ist ein ziemlicher Spoiler... wer den Film also anschauen will, vielleicht doch lieber erst danach lesen!)

 

Das KMovie erzählt die Geschichte der fiktiven Hang Gong-ju eher zurückhaltend. Wir folgen der Jugendlichen zunächst, ohne zu wissen, worum es geht und was sie erlebt hat. Mit der Zeit lernen wir, sie zu verstehen, oder besser: erahnen vage ihre Situation. Wir sehen und erleben dabei die Welt durch ihre Augen. Darin liegt eine große Kraft dieses KMovies. Diese Welt ist prinzipiell bedrohlich, abweisend und kühl, geradezu unbarmherzig. Han Gong-ju selbst ist zäh und klar, nüchtern und meist gleichgültig. (Hang Gong-ju mag zwar gelernt haben, ihrer Welt mit Indifferenz gegenüberzutreten, wir ´Zuschauer*innen hingegen...) Dennoch erschafft sie in ihrem Leben auch kleine Inseln, die minimalistische Schönheit, Freude und Perspektive bieten.

 

Was Han Gong-ju widerfahren ist und widerfährt, ist unentschuldbar. Doch es geschieht leider überall. Nicht nur in Südkorea. Leider immer wieder und leider immer öfter. * 

 

Unentschuldbar ist dabei auch die Rolle der Erwachsenen. Wir sogenannten ´Erwachsenen´ sind es, die in der Erziehung unserer Kinder den Boden für Rechtsempfinden legen, beziehungsweise legen sollten. In dieser Geschichte (und dessen wahren Hintergründen) ist das jedoch grandios gescheitert. An mehreren Fronten. Die Bilanz ist da ziemlich bitter!

Als Vorbilder, die ´wir´ Erwachsenen sind: wie vermitteln und leben wir eigentlich ein gesundes, menschliches Verhältnis zu ´richtig´ und ´falsch´? Eltern, die ihre geliebten Kinder lieber vor den Konsequenzen ihrer Taten schützen, als sie damit konfrontieren wollen - das ist schon verständlich. Doch werden die ´Kinder´ damit (so ganz ohne echtes Schuldgefühl) für die Zukunft aus ihrem Fehler lernen? Das Fehlverhalten in Zukunft lassen? Eher nicht. Wenn jedoch jede/r für sich (und die Ihren/Seinen) lieber die Ausnahmeregel proklamiert, kann das nicht gut gehen. So endet es immer wieder in einem Hauen und Stechen... 

 

Die Ironie: Für Film und Fernsehen ist das wunderbar, denn so gibt es laufend neue, aufwühlende Geschichten zu erzählen. Im Falle von "Han Gong-ju" wurde dies erfreulicherweise jedoch so raffiniert aufbereitet, dass der Unterhaltungsgewinn nicht durch dramatisch hochgepuschten Voyeurismus erfolgt, sondern dadurch, dass wir als Beobachter*in ein Stück wahrlich ernüchternde Strecke in den indifferenten Schuhen von Han Gong-ju mitmarschieren. Dabei häufen sich die Hinweise, aus denen sich das (schwer verdauliche) Puzzle zusammensetzt... 

 

Das KMovie von Lee Su-jin ist konsequent ernsthaft, ungeziert und dabei überzeugend glaubwürdig in der Präsentation der Protagonistin. Überragende in diesem Zusammenhang auch Chun Woo-hee als Han Gong-ju! 

Randnotiz: Ereignisse an der Miryang Mittelschule im Jahr 2004

In einem Zeitraum von knapp einem Jahr haben mindestens 44 (doch möglicherweise sogar mehr als 120) Oberschüler drei 13 bis 17 jährige Mädchen mehrfach vergewaltigt und dabei gefilmt, um die Opfer damit erpressen zu können. Die Gruppenvergewaltigungen geschahen offensichtlich zum puren unterhaltsamen Zeitvertreib der Jungs.

Das erste 14jährige Opfer wurde mit den filmischen Aufzeichnung erpresst, zu den weiteren ´Treffen´ ihre jüngere Schwester und ihre ältere Cousine mitzubringen, die dann ebenfalls Opfer von erneuten Gruppenvergewaltigungen wurden. Zusätzlich wurden die Opfer genötigt, dafür zu zahlen, dass die Filmaufnahmen nicht veröffentlicht werden. Möglicherweise gab es sogar noch mehr Opfer. 


So unverzeihlich diese Taten sind, der Umgang damit war noch viel unverzeihlicher. Nachdem die Tante der Mädchen den Fall gemeldet hatte, wurden von 44 klar identifizierten Wiederholungstätern zunächst nur drei tatsächlich verhaftet. Auf Grund des massiven öffentlichen Drucks wurde noch 9 in Untersuchungshaft genommen und weitere 29 zwar offiziell verhaftet, doch nicht in Gewahrsam genommen.

Im weiteren Verlauf gab es für die Täter keine ernsten Konsequenzen. Im Gegenteil, die Opfer fanden sich erneut als Opfer. Einerseits erlitten sie während der Vernehmung psychische Schäden durch unsensibel, konfrontative Gegenüberstellungen und verbal übergriffige männliche Beamte (obwohl die Opfer ausdrücklich um weibliche Beamtinnen geben hatten). Andererseits wurde von Elternseite der Täter versucht, den Opfern die eigentliche Täterrolle aufgrund aufreizenden Verhaltens aufzudrängen. Schließlich wurde von Verteidigerseite herausgestellt, dass die Jungs teilweise schon respektable  Studienplätze in Aussicht hätten und doch die stahlende Zukunft der Stadt darstellen würden. Generell gelang es den Eltern der Täter, in verschiedene Richtungen Druck aufzubauen und auch mit Geld nachzuhelfen, ihre Jungs aus der lästigen Situation herauszuboxen. Dabei hat unter den Eltern der Opfer ein Vater unverzeihlich die missliche Lage seiner Tochter zu seinem eigenen Vorteil ausgenutzt. Letztlich wurde nur 5 Jungs der Prozess vor dem Jugendgericht gemacht. Ohne gravierende Folgen. Inzwischen sind sie wahrscheinlich selbst längst Familienväter und beruflich fest etabliert. 

 

 

Während der letzten zehn Jahre mag sich rechtlich (und ermittlungstechnisch) einiges zum Bessern in vergleichbaren Fällen verändert haben, in Südkorea und in Deutschland ebenfalls. Doch unter den aktuellen Fällen jugendlicher Sexualdelikte ist hier und dort die Tendenz unter den Eltern, ihre Liebsten mit allen Mitteln auch ohne Rücksicht auf Verluste herausboxen zu wollen. Das Augenmerk wird viel zu selten darauf gelegt, den Jugendlichen ihr Fehlverhalten in aller Konsequenz zu spiegeln - als ein Fehlverhalten, das die Gemeinschaft nicht duldet. Unser Problem ist erschreckender Weise: ´wir´ dulden es... Immer noch. Immer wieder. Und diesbezüglich ist das KMovie "Han Gong-ju" auch zehn Jahre später noch so aktuell wie 2014. 

한공주 - Han Gong-ju
Lit.: Han Gong-ju
 
2014, 112 Minuten
 
Hauptdarstellerin:
-Chun Woo-hee
 
Plot:
Teenagerin Han Gong-ju wechselt an eine neue Schule in einer fremden Stadt. Sie kommt zunächst bei der Mutter ihres ehemaligen Lehrers unter. Gong-ju hält sich eher bedeckt und verbringt ihre Freizeit am liebsten in der Schwimmhalle. Im Zuge der sich vorsichtig anbahnenden Freundschaft mit einer Klassenkameradin, die in einer A-Capella-Band mitsingt, wird Gong-ju etwas lockerer. Mit ihrem Gesang begeistert sie ihre neuen Freundinnen, die sie ermutigen, an einem Wettbewerb teilzunehmen. Doch da taucht ihr Vater auf...
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