Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Beispiele für KMovie

Kim Ji-young: Born 1982

"Kim Ji-young: Born 1982" testet jeden eingefleischten Korea-Fan auf Herz und Nieren: wie weit geht die Liebe für Land und Kultur wirklich? Das KMovie räumt außerdem auf mit jeglicher Illusion rund um romantisch verklärte und gesellschaftlich idealisierte Sehnsüchte, die sich um das Konzept ´Verliebt-Verlobt-Verheiratet-Familie´ tummeln. 

 

"Kim Ji-young: Born 1982" knackte als Buch-Bestseller (von Autorin Cho Nam-joo) weltweit die 2-Millionen-Marke. Zudem gilt es als das am meisten verliehene Buch in zwei aufeinander folgenden Jahren nach Erscheinen. Das gleichnamige KMovie war ebenfalls äußerst erfolgreich. In Südkorea haben zwischen Oktober 2019 und November 2020 rund 3,6 Millionen Menschen den Film im Kino angesehen. Zudem wurden dafür zahlreiche Filmpreise im asiatischen Raum vergeben.

 

Unaufgeregt, ruhig und geradezu sachlich distanziert hält die Kamera auf das ganz normale Leben einer ganz normalen südkoreanischen Frau, Ehefrau und Mutter in ihren 30ern. Eigentlich hat sie es ganz gut erwischt. Wir begleiten sie in ihrem Alltag zwischen Wäsche und Kindergarten, mit ihrem (dann doch recht aufmerksamen, liebenden) Ehemann, bei den Schwiegereltern, bei ihrer Herkunftsfamilie, mit Freundinnen, in Rückblenden ihrer Kindheit und bei der Arbeit, sowie zuletzt bei der Therapeutin. Das alles könnte aus dem Leben so mancher südkoreanischen Frau stammen. Das ist ganz und gar nicht besonders. Es ist so grausam normal, dass es weh tut. Indem es schlichte Normalität aufzeigt, wird die Geschichte zugleich zum Aufschrei mehrerer Generationen von traditionell in endemischem Sexismus geknebelter und gefesselter Frauen.

 

Geknebelt und gefesselt durch eine derart konservativ rigide, förmlich in Fleisch gebrannte, diskriminierende Sozialisierung, dass frau gar nicht auf die Idee kommt, dass es alternative Lebensentwürfe und Selbstbilder geben könnte. Es fehlen Modelle, die Frauen so etwas wie Selbstliebe und Selbstbewusstsein vermitteln, die über eine Identifizierung mit ihrer Frauenrolle in Familie und Gesellschaft hinausgehen. Frauen wachsen als Gefangene einer einschnürenden Rollenerwartung auf - in einem Gefängnis, dessen Türen zwar genau genommen nicht verschlossen wären, praktisch jedoch durch einen gesellschaftlich (von Männern und leider auch den Frauen selbst) gnadenlos praktizierten Sexismus derart verbarrikadiert werden, dass frau gar nicht in den Sinn kommen will, dass es auch anders gehen könnte. Es fehlt ein Bewusstsein darüber, dass es eine Freiheit und eine Menschenwürde jenseits der Geschlechterrolle geben könnte. Bei Frauen und Männern gleichermaßen. Und eine solche Erkenntnis wäre ja bekanntlich der erste Weg zu einer Veränderung...

 

"Kim Ji-young: Geboren 1982" hält dem Publikum hier in dieser Hinsicht unaufgeregt, sachlich und wertfrei einen schonungslosen Spiegel vor, der den Blick auf das große, allseits selbstverständlich hingenommene Übel richtet. Rund 68 Prozent der Kinobesucher*innen waren anscheinend Frauen. Demnach immerhin wenigstens 32 Prozent Männer. 

 

In einer der letzten Szenen, die wie alle anderen im Film ihre Kraft aus der banalen, nicht hinterfragten Normalität und alltäglichen Schlichtheit (hinter der sich eine Ungeheuerlichkeit verbirgt) gewinnt, darf sich schließlich dann doch endlich auch einmal ihre emotionale Wucht entfalten - nicht laut und grob, sondern sachlich und bei allem begründeten Ärger dennoch in aller Bescheidenheit unaufgeregt. Immerhin, ein kleiner Schritt voran...

Anstatt die Bemerkungen und Anschuldigungen ihrer sozialen Umwelt in Anbetracht des verschütteten Kaffees verschämt, betroffen und mit entschuldigenden Worten hinzunehmen, gibt die Protagonistin sachliche und begründete Widerworte. Sie steht für sich ein... eigentlich, sollte man/frau denken, ganz einfach, wie selbstverständlich. Und doch für die anderen: geradezu unerhört. Weil: Unverschämt im besten Sinne des Wortes... sie lässt sich nicht mehr für das, was und wer sie ist, von anderen beschämen. Sie entwickelt langsam aber sicher, einen halbwegs gesunden Zugang zu ihrem ureigenen Selbstbewusstsein als Mensch mit Selbstwert und Selbstliebe - ein Mensch, der sich nicht nur auf eine Rolle reduzieren lässt. Daraus nährt die Protagonistin langsam und behutsam eine neue Haltung auch gegenüber jenen, die gemeinhin im gesellschaftlichen Ranking traditionell mehr Wert zu haben meinen.

 

Nur ein vergleichsweise kleines, handliches Buch; nur ein zweistündiger Film. Die Geschichte der Kim Ji-young, geboren 1982, hat dennoch einiges an Diskussion im Land in Gang gesetzt. Der normale, völlig alltägliche (südkoreanische) Wahnsinn weiß zu berühren und auf leisen Sohlen in Rage zu versetzen. Das KMovie war auch für mich (mit ein paar Jahren Verzögerung und im fernen Deutschland) keine Minute langweilig.  

 

Prädikat?

Na, was wohl?
Besonders wertvoll!

 

 

 

 

 

 

 

 

Ausblick:

´Wenn das alle täten... wo kämen wir denn da hin?´ - In diesem Sinne führten das Buch und auch der Film ebenfalls zu einem entsetzten Aufschrei innerhalb der konservativen Kreise im Land. Die Hauptdarsteller*innen des KMovies mussten beispielsweise Hasskommentare über sich ergehen lassen, dass sie da überhaupt mitspielen. Allein diese sachliche Bestandaufnahme des ganz normalen Wahnsinns so gut wie jeder Frau im vermeintlich modernen, innovativen Südkorea brachte die konservativen Gemüter in Wallung... 

...den betroffenen Frauen hingegen endlich einmal den Balsam eines klassenübergreifenden Mitgefühls, der für einen Moment den Raum solidarischer, generationenübergreifender Sisterhood eröffnet hat. So unbedeutend normal, so schlicht diese Bestandsaufnahme der Kim Ji-young, geboren 1982, sein mag, so groß war zugleich die Wucht, mit der dies gesellschaftlich eingeschlagen hat - die konsequent übersehene, komplett missachtete Realität der aus Prinzip und Tradition seit unzähligen Generationen systematisch diskriminierten (in dem konkreten Fall) südkoreanischen Frauen.  

 

Die südkoreanische Gesellschaft schrumpft aktuell bereits. Früher, als erwartet. Und weit schneller, als geahnt. Kein Wunder. Die Frauen, die in den 1980ern geboren wurden, haben zunehmend angefangen, ihr Korsett schmerzlich wahrzunehmen. Ein Meilenstein!

Jene, die in den 1990ern und 2000ern geboren wurden, wagen vereinzelt und bereits immer offener an dem gesellschaftlichen Korsett aktiv zu rütteln, einfach indem sie ihre ´bestimmte´ Frauenrolle nicht (mehr bedingungslos) annehmen. Ein weiterer Meilenstein!

Zwischen Rütteln und Ausbrechen oder gar Neudefinieren liegt jedoch noch eine weite Strecke. Diese können die Frauen allerdings nur gemeinsam mit den Männern beschreiten, die ebenfalls dringend an ihrem Rollenbild, ihrer Haltung gegenüber Frauen und einem neuen gesellschaftlichen Selbstverständnis arbeiten müssen. Nur dann kann das Schrumpfen der südkoreanischen Gesellschaft aufgehalten werden - ein Schrumpfen, das in meinen Augen Ausdruck eines massiven Ungleichgewichts ist zwischen innovativem, turbokapitalistischem Highspeed auf der globalen Überholspur einerseits, und einem ignorantem, sexistischem Konservatismus andererseits, der gleich einem Bleifuß mit der Bremse verschraubt scheint. Dabei drängen die Kräfte jedoch nach einer dringend erforderlichen, integralen, wahrhaft progressiven Transformation bestehender Werte...

82년생 김지영 - 82-nyeonsaeng Gim Ji-yeong

Lit.: 1982 geborene Kim Ji-yeong

 

2019, 119 Minuten

 

Hauptdarsteller*innen:
-Jung Yu-mi
-Gong Yoo
 

Plot:

Kim Ji-young ist Mitte 30, inzwischen Ehefrau, Hausfrau und Mutter, während ihr Mann eine Festanstellung hat. Alles scheint in bester Ordnung und völlig normal, bis sie irgendwann in ihrem Verhalten auffällig wird und ihr Mann anfängt, sich Sorgen um sie zu machen.

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