VOR ORT IM LAND - Fünfte Etappe Sokcho - 14. Tag
Zu Beginn unserer Reise (im Norwesten des Landes) hatten wir uns ja entschieden, das DMZ Touri-Spektakel in Paju zu umgehen, d.h. auf südkoreanischem Boden zu verbleiben und nur aus der Ferne Grenzluft zu schnuppern. Die DMZ (demilitarisierte Zone) selbst wollten wir stattdessen zu einem späteren Zeitpunkt aufsuchen.
Die DMZ erstreckt sich auf 248 Kilometer. Wir sind jetzt am östlichen Ende. Das demilitarisierte Areal ist ca. 4 km breit. Hier mittendrin wollen wir von einer weniger touristisch frequentierten Aussichtsplattform den Blick ins andere Land werfen. Heute ist nun der Tag X, um dem Thema ´geteiltes Land und Niemandsland DMZ´ dann doch nochmals Raum zu geben - dies im Norden Sokchos, in einem Gebiet, das ursprünglich auf der nördlichen Seite des kritischen Breitengrades lag.
Unsere Themen heute:
Abenteuer DMZ
Wenn nur immer alles so einfach wäre... Wir waren gut in der Zeit und eigentlich früh dran an diesem Sonntagvormittag. Doch der Grenzposten ins demilitarisierte Niemandsland zwischen Süden und Norden schickte uns wieder zurück. Uns fehlte ein Schein. Den mussten wir erst (unbürokratisch und schnell, so hieß es) beantragen. So kehrten wir reumütig um und machten uns auf die Suche nach dem ´Declaration Office´. Wir kamen vorbei an verlassen Häusern und landschaftlich idyllischen Fleckchen, doch weit und breit kein Declaration Office. Kurzerhand spielten wir unseren ´Tourist*innen aus Deutschland´-Bonus aus und besuchten die netten Jungs am Grenzposten ein weiteres Mal, nun jedoch etwas drängender nach genaueren Wegbeschreibungen fragend. Aha.
Nächster Versuch. Und siehe da, wir wurden fündig. Aus dem Nichts ein Touri-Hotspot, Kurzerhand wurden wir in eine Reihe parkender Autos eingewiesen, wie alle anderen auch. Wie alle anderen auch begaben wir uns zum einzigen Gebäudekomplex, der durch Essstände aller Art und verschieden Souvenirläden geprägt war. Doch, wo war denn nur das Declaration Office?
Eine Frau wedelte sich mit einem Schein Luft zu. Eonni eilte hin und fragte, wo sie den her hat. Sie wies auf das Gebäudeinnere. Und tatsächlich, unscheinbar in der Ecke war so etwas wie eine Schalteranlage. Die Menschenmeng dort unterschied sich auch irgendwie von der übrigen - sie standen etwas strukturierter in einer Art Reihe. Drei an der Zahl, wie sich herausstellte. So stellten wir zu einer dazu. Währenddessen versuchte ich die Beschriftung der drei Schalter zu entziffern und zu verstehen. Aha. Wir hatten uns an die falsche Schlange gestellt. Also Schlangenwechsel. Zur Belohnung gab es einen Zettel, den wir nun ausfüllen durften. Geld war involviert, Namen, das Autokennzeichen, die Automarke, Telefonnummern... Dann also die nächste Schlange.
Nun sind wir drei Frauen ja auf Zack :-) In der Schlange stand bereits seit einer Weile Joka. So kamen Eonni und ich gerade rechtzeitig herangeeilt, als sie auch tatsächlich an der Reihe war. Perfekt. Ein Blick, ein Stempel und ein "Go!". Uff. Also, jetzt sollte der DMZ ja nichts mehr im Wege stehen... Aber Moment. Wie bekommen wir unser Auto aus der Fülle an Autoreihen?
Eonni schnurstracks hin zum Parkwächter und mal eben nachgefragt. Der signalisiert: so ca. 5 Minuten. Hm. Wir schauen uns stirnrunzelnd die Automassen an, in denen unser K3 eingeparkt ist. 5 Minuten? Wer es glaubt... Das kann ja heiter werden. Wir hätten uns nicht beeilen müssen, denn die anderen tun es auch nicht. Die essen und shoppen doch noch.
Gut, wir haben ja nichts Besseres vor. Also üben wir uns in Geduld. Langsam trudeln die ersten ein, schlendern zu ihren Fahrzeugen. Dennoch, die entscheidenden, die den Weg für die anderen frei fahren könnten, fehlen noch... Letztlich waren es tatsächlich nur etwas mehr als 5 Minuten. Erstaunlich. Was uns zunächst als mittleres Chaos erschien entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als dann doch recht effizient. (Frau muss eben nur wissen, wie es läuft...)
Als wir schließlich wieder in Richtung unserer netten Jungs am Grenzposten aufbrechen, treffen wir dort inzwischen auf eine stattliche Autoschlange. Hm.
Nach Gesichtskontrolle und flüchtigem Fahrzeugcheck bekommen wir unsere Papiere zurück mit dem Verweis mittels Sprachübersetzungs-App, dass wir nach spätestens 3 Stunden wieder hier ausreisen müssen und dabei sämtliche Papiere wieder vorzulegen haben. (Keine Person mehr oder weniger sozusagen...) Wir nicken verstehend und fahren los. Uff. Jetzt aber.
Wir sind zwar eindeutig die einzigen nichtkoreanischen Tourist*innen (wir haben kein chinesisch oder japanisch gehört), dennoch ist der Parkplatz an Museum und Aussichtsplattform schon recht voll. Die meisten hier sind Eltern mit ihren Kindern. So mischen wir uns unters Volk und werfen - wie alle anderen - einen Blick nach drüben. Weit ist es ja nicht. Und da ist auch der legendäre Berg Geumgangsan, den die Künstler*innen in Joseon Tagen bevorzugt zum Malen aufgesucht hatten.
Das Museum, beziehungsweise die Bürgerkriegs Erlebnishalle, war ´naja´. Anschaulich. Doch etwas martialisch. Wie befürchtet transportiert es zudem eine Propaganda des Koreakrieges, die mit dem Einmarsch der nordkoreanischen Armee beginnt und die UN, allen voran die USA, mit einem extra großen Ausstellungsraum ehrt. Insgesamt, so oder so, eine traurige Geschichte, egal, wie man sie betrachtet.
Ein Lichtblick: der Jejin Bahnof
Bis Ende des Koreakriegs war der Bahnhof Jejin Teil der nordkoreanischen Staatsbahn. Heute ist er also ein nordkoreanischer Bahnhof auf südkoreanischem Boden. Seit der nachträglichen Verschiebung der Grenzlinie auf südkoreanischem Staatsgebiet ist er ein Endbahnhof ohne Funktion.
2006 sollte er erstmals als ein interkoreanischer Durchgangsbahnhof wieder aufgebaut werden. Das Hoffnungs-Projekt lief jedoch nur bis 2008, denn die Grenzlage war zu der Zeit durch einen Zwischenfall äußerst angespannt. Gerade mal ein Test-Zug aus Nordkorea kam hier an. Denn auf nordkoreanischer Seite wurde bereits wieder alles abgebaut.
Nach aktuellen Planung gibt es nun allerdings einen neuen Anlauf: der Jejin Bahnhof soll an seinem Südende in das südkoreanische Schienennetz integriert werden. An seinem Nordende wiederum würde er nach dieser Konzeption bis 2027 in das nordkoreanische Netz angebunden werden. 2 Mrd. Euro werden in das Projekt investiert, das auf dem Landweg eine direkte Verbindung Südkoreas durch Nordkorea nach China und Russland eröffnen soll. Allerdings sind die politischen Bewegungsräume eng gestrickt. Wieder einmal haben die USA ihre Finger im Spiel und machen enormen Druck auf den Norden. Immerhin, die Bevölkerung ist optimistisch, die Grundstückspreise im Umland sind schon in die Höhe geschossen. Als hoffnungsvoller Impuls versteht sich das seit 2022 jährlich stattfindende "Peace and Life Zone Festival @DMZ". Mit Konzerten und Friedenskunstaktionen.
Ansonsten ist das ein Geisterbahnhof und darf nur mit Spezialgenehmigung des Militärs betreten werden. Wir hatten leider keine... (Das Foto stammt von der PLZ Homepage.)
Hwajinpo - größte Lagune und 3 Strandhäuser am See
Shooting Location für die hier gelisteten KDramen:
Autumn in My Heart
Keine 20 Kilometer südlich der DMZ wartet Goseong mit Koreas größter Lagune unter Pinienwäldern auf uns - Hwajinpo. Der Sandstrand hier hat sich über die Dauer von Zehntausenden von Jahren aus Muscheln und Fels ganz ohne die Brandung des Meeres ausgebildet. Hier machen zahlreiche Zugvögel Station und auch sonst ist die Lagunenlandschaft reich an Tier- und Pflanzenwelt. Hier gibt es nicht viel von Menschenhand, es ist ein Naturparadies. Ein exklusives Ferienparadies für wenige, die hier am Ufer ein Ferienhäuschen haben (dürfen).
Und in Goseong hatten interessanter Weise die drei einflussreichsten Nachkriegspolitiker Koreas ihre Ferienhäuser: Kim Il-sung, der fortan Nordkorea anführte, Rhee Syng-man, erster Präsident Südkoreas, und sein Vize, Lee Ki-poong (auch Verteidigungsminister, Bürgermeister von Seoul und Kopf der Liberalen Partei).
1945 wurde die Grenzlinie entlang des 38. Breitengrades gezogen. Goseong lag damals nördlich. In jener Zeit fiel Nordkoreas Präsident Kim Il-sungs Auge auf ein recht deutsch anmutendes Schlösschen. Es wurde sein Sommersitz von 1948-50. Die Architektur stammt von einem exildeutschen Architekten, der vor Hitler hierher geflohen, jedoch 1940 von den Japanern (wie viele Ausländer*innen im Land) als Spione deportiert worden war. 1953 wurde die Grenzlinienführung den Gegebenheiten besser angepasst und Goseong lag südlich. Das war es dann mit dem Sommersitz der Kims.
Auch Präsident Rhee Syng-man und Vice Lee Ki-poong hatten zuvor bereits dieselbe Idee gehabt und die Lagune als ihr Feriendomizil gewählt... Rhees Häuschen war direkt an der Lagune gelegen. Auch ein Steinhaus. Das heutige ist ein Nachbau, denn das Original wurde zur Nordkoreazeit zerstört. Fußläufig entfernt hatte sein Spezi Lee Ki-poong sein Ferienhäuschen.
Wahlbetrug bei den 2. Wahlen im April 1960 führte zu Unruhen und zum Ende der 1. Republik. Rhee musste abdanken und ins Exil. Und noch im selben Monat tötete Lees ältester Sohn aufgrund der für ihn wohl unerträglichen Schande seinen Vater, die gesamte Familie und dann sich selbst im Haus am See. 1961 nutzte General Park die instabile Lage der 2. Republik und putschte. Damit war die 3. Republik eine Diktatur und alle drei Strandhäuser sind nun Geschichtszeugen von den Männern der ersten Stunden Nord- und Südkoreas...
Eonni hat das letzte Wort
Eonni hat heute unseren Berg an Plastikmüll entsorgt. Leider kommt da doch eine ganze Menge zusammen. Im Supermarkt ist praktisch alles in Plastik verpackt. Take-out ist Plastik. Und eigentlich wäre die Frage, was nicht in Plastik verpackt ist... Nun, unser (Plastik-) Müll ist (dank Eonni) ordnungsgemäß entsorgt... (Joka und ich sind morgen für Restmüll und Flaschen gefragt...)