KDrama nach Themen: Bildung & Arbeitswelt
"The Queen´s Classroom" ist eine dramaturgisch faszinierend erzählte Geschichte über Kids an einer südkoreanischen Grundschule, kurz vor ihrem Wechsel zur Mittelschule. Die Kids sind fantastisch in ihren Rollen. Ebenso die Erwachsenen. Zugleich ist es eine nuancierte, kluge Studie über Mobbing/Bullying aus dem Jahr 2013. Ich schätze diese Serie sehr. Sie zeigt einerseits (wie manch andere Produktion), dass es enorme gesellschaftliche Probleme mit steigenden traumatisierenden Ausgrenzungen jugendlicher Schüler*innen gibt. Andererseits präsentiert sie auch, wie sich die Schule, konkret die Lehrer*innen, da kreativ konstruktiv und pädagogisch wertvoll einbringen und gegensteuern könnten. Aus diesem Grund allein erhält "The Queen´s Classroom" von mir das Prädikat "wertvoll". Zudem erzählt das KDrama eine wunderbare Geschichte über Freundschaft - darüber wie aus dem bloßen Konzept und Label ´Freundschaft´ eine echte, gelebte Beziehung mit Fundament wird. Fabelhaft. Rundum gelungen! Zweimal "wertvoll" macht "besonders wertvoll"!
Das Alleinstellungsmerkmal ist dabei der Fokus auf das Alter zwischen Grund- und Mittelschule - also eine Phase, die in der Persönlichkeitsentwicklung des Menschen ganz entscheidend für die kognitiven Entwicklungen in Hinblick auf die moralische Einschätzung von Situationen, die Fähigkeit von Perspektivwechsel und ein differenziertes moralisches Werteverständnis ist. Die moralische Bewertung von Bullying/Mobbing ist der entscheidende erste Schritt, um dem unheilvollen Trend ernsthaft etwas entgegen zu setzen. An südkoreanischen Schulen stellt dieser Aspekt ein ganz charakteristisches Problem dar. (Siehe Randnotiz weiter unten.)
In Fall von "The Queen´s Classroom" gibt die Klassenlehrerin mit recht eigenwilligen, (dramaturgisch natürlich auch wirkungsvollen), provokanten pädagogischen Methoden wichtige Impulse für die persönlichen Prozesse einzelner Schüler*innen und der Klasse insgesamt. Ziel ist es dabei, durch paradoxe Intervention tiefergreifende emotionale und kognitive Erkenntnisprozesse auszulösen, so dass die Schüler*innen von der stellenweise noch naiven Oberfläche ihrer Überzeugungen an deren guten, wahren, echten Kern vordringen können. Auf dieser Grundlage erst können sie dann ihre durchaus hehren, idealistischen Überzeugungen auch kraftvoll authentisch gegen widrige Umstände stehen. Erkenntnisprozesse können oftmals etwas schmerzhaft verlaufen, so auch hier. Das Ergebnis ist jedoch für die Einzelnen und die Klasse insgesamt geradezu spektakulär. So oder so ähnlich könnte es durchaus gehen, muss es gehen, wenn sich der zunehmende Trend des Mobbing an Schulen wandeln soll.
Alle Achtung! "The Queen´s Classroom" geht hier als kleiner aber feiner Pionier in der KDrama-Welt mutig voran. Fairer Weise sei gesagt, dass die Vorlage zum KDrama eine japanische Produktion ist. Da das soziale Problem dort ähnlich gestrickt ist, verwundert das nicht. Das koreanische Remake jedenfalls hat in keinem Fall geschadet... Es ist bei aller emotionaler Ernsthaftigkeit eine hochkarätige Freude, die Kids auf ihrem Entwicklungsweg eine Zeitlang zu begleiten.
PS:
Das Thema MOBBING/BULLYING an Schulen ist in unzähligen KDramen fast wie selbstverständlich gegenwärtig. Ausdrücklich im Mittelpunkt des Plots steht es jedoch ebenfalls z.B. in:
Wang-ta - Bullying in einer kollektivistischen Gesellschaft, wie Südkorea
Während ´Mobbing´ genau genommen eher den Psychoterror oder auch die physische Gewalt durch eine Gruppe bezeichnet, beschreibt ´Bullying´ die Schikane an sich, unabhängig davon, wie viele sich daran beteiligen. Die Begriffswahl ändert jedoch nichts daran, dass viel zu viele Schüler*innen damit zu tun haben - sei es als Opfer, als Täter*in oder als Zuschauer*in/Zeug*in. Das ist ein internationales Phänomen, mit mehr oder weniger krassen Ausprägungen. Im Koreanischen gibt es dabei noch eine weitere Besonderheit: Den Kollektivismus (vs. den westlichen Individualismus). Wenn das Wohlergehen des Kollektivs die höchste Priorität hat, bedeutet dies, dass die Interessen des Individuums den Interessen der zugehörigen sozialen Gruppe untergeordnet werden - sei es in Familie, Arbeit, Schule, Klasse, Verein, unter Freunden usw. Gruppenzwang gibt es auch in individualistischen Gesellschaften, doch in kollektivistischen wirkt der gleich noch stärker. Das ist in der Auseinandersetzung mit dem Thema Mobbing/Bullying nicht zu unterschätzen.
´Wang-ta´ ist dabei die eine spezifische, gängige südkoreanische Slang-Bezeichnung, die im Zusammenhang und im Umgang mit einer Person verwendet wird, die nicht dazu gehört. Außenseiter*in wird man/frau ganz schnell, wenn man/frau die falsche Kleidung trägt, die falschen Interessen oder Vorlieben hat, zur falschen oder zu keiner Gruppe gehört, arme, stigmatisierte oder wenig einflussreiche Eltern hat, in der falschen Familienkonstellation lebt oder zu schlechte Schulnoten hat. Dieses Etikett impliziert jedoch gemeinhin (in der kollektivistischen Gesellschaft) gleichzeitig, dass man/frau diese Person für ihr Außenseiter*in-Sein auch sozial abwerten und schikanieren ´darf´. Wenn Gruppennormen so stark wirken, dann kann eine solche Ausgrenzung - aufgrund von Aussehen, fehlender Leistung, besonderen Vorlieben usw. - besonders fatale Folgen haben. Jene, die ´Wang-ta´ am eigenen Leib erleben, haben kaum eine Chance, dieses Label abzuschütteln.
- Die anderen Peers werden sie daraufhin meiden und davon ausgehen, dass was dran ist, dass die Bezeichnung (und Ausgrenzung) gerechtfertigt ist.
-Diejenigen, die das Opfer ´auswählen´ sind sich ebenfalls kaum einer Schuld bewusst, da sie doch zurecht eine Abweichung von der gesetzten Norm bemängeln.
-Und jene, die als Wang-ta bezeichnet werden, ziehen sich nur noch weiter zurück, da sie sich für ihren ´offensichtlichen´ Mangel schämen und fühlen sich noch minderwertiger als sie es vielleicht eh schon tun.
Untersuchungen mit Schüler*innen aus europäischen oder amerikanischen Ländern (mit individualistisch geprägter Sozialisierung) zeigten bereits in den 1990er Jahren, als dieses Phänomen im größeren Stil aufkam, dass in 85 Prozent der Mobbing-Fälle Peers dabei waren, nur 11 Prozent eingeschritten sind. Ich habe leider keine vergleichbaren südkoreaischen Zahlen dazu, weder von damals, noch von heute. Ich lehne mich jedoch wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich vermute, dass es noch deutlich weniger sind. (Viel zu wenige auf jeden Fall.) Im Zuge weiterer internationaler Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass das Einschreiten durch Peers jedoch ein wesentlicher erster Schritt zur Veränderung ist. Durch aktive Intervention vor Ort in der Situation wird überhaupt erst eine (moralische) Auseinandersetzung unter den Peers mit der Situation ausgelöst. So lange es nur passive, duldende Zuschauer*innen gibt, wird die Tat sozial gleichsam für gut befunden und ihre Berechtigung bestätigt.
Es gibt südkoreanische Studien, die aufzeigen, dass zwar die Mehrheit der interviewten Schüler*innen Bullying nicht gut finden, doch zugleich der Meinung sind, dass es unvermeidbar ist. Dass die Opfer es doch meist verdient haben, aufgrund ihres (selbstverschuldeten) Außenseiter-Sein abgestraft zu werden. Die Peer Group hat während der Schulzeit von der späten Grundschule bis zur Hochschulreife den größten Einfluss.
Dies ist zugleich jene Phase, in der die Großzügigkeit im Umgang mit Diversität als ein wesentlicher sozialer Wert gelernt werden kann und muss. Wird ein solcher Wert gesellschaftlich nicht anerkannt, dann können ihn die jungen Menschen auch nicht in ihrem Leben integrieren, geschweige denn anwenden. Dies ist die schmerzliche Krux beim Thema "Wang-ta" in an südkoreanischen Schulen (oder später auch am Arbeitsplatz): Großzügigkeit im Umgang mit Diversität hat keine Tradition, keine Kultur, keinen sozial anerkannten Wert auf der Halbinsel. Wenn sich am Trend des Schul-Bullying was ändern soll, dann muss man/frau hier ansetzen. Als Lehrer*in in der Grundschule tolerante Erfahrungsräume eröffnen und so die Chance für eine neue Kultur des sozialen Umgangs miteinander schaffen. Eine überzeugte Klassenkultur, die Diversität sozial explizit anerkennt und Wang-ta als soziale Umgangsform offen und ausdrücklich in Frage stellt, kann den fruchtbaren Nährboden für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen bilden, die mehr Raum für Individualität lässt. Im Angesicht einer immer näher rückenden, global vernetzten Welt wird das immer dringender erforderlich, um den persönlichen und gesellschaftlichen Spagat eines Hybrids zwischen traditionell und global, zwischen kollektivistisch und individualistisch zu schaffen.
여왕의 교실 - Yeowangui Kyosil
Lit.: Klassenzimmer der Königin
2013, 16 Episoden
Hauptdarsteller*innen:
-Go Hyun-jung
-Kim Hyang-gi
-Chun Bo-geun
-Kim Sae-ron
-Seo Shin-ae
-Youn Yuh-jung
Plot:
Im letzten Grundschuljahr erhält die Klasse von Sim Ha-na eine neue Klassenlehrerin. Ihr eilt ein düsterer Ruf voraus. Und schnell müssen die Schüle*innen erkennen, dass nun ein anderer Wind weht. Allen voran Ha-na darf am eigenen Leib spüren, wie es sich anfühlt, wenn man/frau sich mit Ma Yeo-jin anlegt. Die sozialen Bezugssystem werden in jenem 6. Schuljahr für alle ziemlich stark strapaziert. Jede und jeder einzelne muss für sich klären, wofür er/sie stehen will und auch tatsächlich kann. Die neue Klassenlehrerin schreckt vor nichts zurück, ihre Schüler*innen damit zu konfrontieren, alles in Frage zu stellen, was sie für gut und richtig halten.
Damit bringt sie nicht nur reichlich emotionale Turbulenzen in ihre Klasse, sondern schreckt auch so manche Eltern und Kolleg*innen auf.