Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Crime and Politics

Goodbye Earth

Mal gleich vorab:

Wer in "Goodbye Earth" im Angesicht einer drohenden Apokalypse einen 12-teiligen  Weltuntergangs-Blockbuster erwartet, ist hier völlig falsch. Mit viel Tempo, Action und Adrenalin im verzweifelten Kampf gegen einen herannahenden Asteroiden hat das KDrama nichts zu tun.

 

Ich würde sagen, es handelt sich um ein Slice-of-Life aus dem Leben mehrerer Menschen in einem eher anonymen Wohnviertel der Stadt Ungcheon. Die verbliebene Stadtbevölkerung erwartet den Crash eines Asteroiden, der auf Kollisionskurs mit der Erde ist und nach den Berechnungen auf der koreanischen Halbinsel einschlagen wird. Ansonsten leben die Menschen ihr Leben - das sich im Vergleich zu früher selbstverständlich den Umständen entsprechend dramatisch verändert hat...

 

Yoo Ah-ins Hauptrolle wurde im Produktionsverlauf aufgrund einer Anklage wegen illegalen Drogenkonsums auf ein Minimum reduziert. Somit musste inhaltlich etwas improvisiert werden. Doch einen stärkeren Fokus auf die weibliche Hauptrolle hat da meines Erachtens nicht geschadet. Insbesondere, da Ahn Eun-jin hier unmittelbar an die Intensität ihres Schauspiels aus "My Dearest" anknüpfen kann.

 

Es geht nicht darum, das Unheil abzuwenden, denn das scheint unmöglich. Es geht darum, damit weiterzuleben - bis zum Ende. Gemeinsam. Was machen nun all die hehren, pflichbewussten, korrupten, heiligen, streetsmarten, arroganten, einfältigen, lebenshungrigen, verliebten, schwangeren, gläubigen und verbrecherischen Variationen von Mensch mit diesem Wissen?

 

Bezeichnender Weise ist dabei der drohende Asteroid gar nicht das Schlimme. In dem speziellen Szenario bricht die politische Ordnung weitgehend zusammen. Es rettet sich, wer (es sich leisten) kann. Doch das Machtvakuum ist im Nu neu gefüllt. ´Crime and Politics´ mal ganz anders. Doch "Goodbye Earth" nutzt erfreulicher Weise das Szenario nicht aus, um nun genüsslich die Grausamkeit, Skrupellosigkeit und unersättliche Gier des Menschen – auch bis zum bitteren Ende – medienwirksam auszuschlachten. Tatsächlich lässt das KDrama viel Raum für die zwischenmenschlichen Dynamiken einer bunten Gruppe, die sich aus ihrem Gemeindeleben kennt, von der Schule, aus ihrer Kindheit. Wir erfahren erst mit der Zeit, peu à peu in eingestreuten Rückblenden, wie sie alle miteinander zusammenhängen und was sie verbindet. Wir gehen ein Stück des Weges mit ihnen – in ihren letzten, an Zahl täglich schrumpfenden Tagen bis zur Kollision mit dem Asteroiden. Die Menschen und ihr anonymes Wohnviertel rücken emotional über 12 Folgen immer näher an die Zuschauer*innen heran.

 

Dabei beschäftigt die Menschen in Ungcheon eigentlich weniger der herannahende Asteroid, sondern viel mehr, warum der Pater verschwunden ist, was mit dem Kirchengeld passiert ist, und allem voran: wer genügend Macht besitzen könnte, die Verbrecherbande zu fassen, die sich auf die Entführung von Kindern spezialisiert hat. Der Schmerz, die Angst und Hoffnungslosigkeit wird bei den Menschen in Ungcheon eher durch die Kollateralschäden bestimmt, die im Fahrwasser des Ausnahmezustands verursacht wurden, als durch den drohenden Asteroiden selbst.

 

Slice of Life im Kontext einer recht bizarren, außergewöhnlichen Lebenssituation. Schicksalsschläge verändern den einen und die andere. Darüber reden hilft, ansonsten ist Entfremdung die Konsequenz - dies wird an mehreren Beispielen schön durchexerziert.

So kurz vor dem Ende stellt sich also die Frage, was wirklich zählt.

 

Ein auf leisen Sohlen dann doch auch packendes KDrama. Komplex. So komplex, dass ein paar Fragen am Ende vielleicht irgendwie offen bleiben. Aber die sind hier nicht so entscheidend. Hier geht es um die persönlichen Prozesse, die all die unterschiedlichen Charaktere im Angesicht der außerordentlichen Herausforderungen, vor die sie das Leben stellt, durchlaufen.

 

Für all jene, die „Deep Impact“ im Serienformat erwartet haben, ist das sicherlich enttäuschend. Apokalypse, Weltuntergang, Dystopie, das mag Hoffnungen wecken, die "Goodbye Earth" definitiv nicht erfüllt. Für Fans des Slice of Life eröffnet sich jedoch ein geradezu einzigartiges Szenario in dystopischem Kontext. In dessen Mittelpunkt steht eine ehemalige Lehrerin, die hilflos zusehen musste, wie ihre Klasse bereits im Vorfeld der Asteroidenkollision zum größten Kollateralschaden wurde, was somit für sie die eigentliche Katastrophe darstellt.

 

"Goodbye Earth" lebt von feinen zwischenmenschlichen Dynamiken, Alltagsbewältigung im Ausnahmezustand und dem tägliche Ringen um ein emotionales Gleichgewicht, um Menschlichkeit und Struktur, um Recht und Ordnung inmitten von Chaos. Das KDrama ist vorrangig eine gefühlvolle Studie darüber, wie das Leben der Menschen in Ungcheon in Anbetracht ihres definitiven kollektiven Todesdatums nun weitergeht - bis dahin. Denn es ist ja noch nicht zu Ende. Im Wissen um den Tag X geht das Leben weiter - bis dahin.

 

Letztlich, so die Botschaft des KDrama, ist es wichtiger, WIE man/frau lebt, als um jeden Preis überleben zu wollen.

종말의 바보 - Jongmar-ui babo
Lit.: Am Ende der Dumme

 

2024, 12 Episoden

 

Hauptdarsteller*innen:

-Ahn Eun-jin
-Yoo Ah-in
-Jeon Sung-woo
-Kim Yoon-hye

 

Plot:

200 Tage noch, bis ein Asteroid auf der koreanischen Halbinsel in die Erde einschlägt. Wer es sich leisten konnte, hat sich schon ins Ausland abgesetzt oder ist kurz davor. Die öffentliche Ordnung kann nur noch notdürftig aufrecht erhalten werden.

 

Die ehemalige Lehrerin Jin Se-kyung, die seit den Krawallen und der Schließung der Schulen als Freiwillige im Rathaus von Ungcheong bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen aushilft, kümmert sich privat rührend um die letzten Schützlinge ihrer ehemaligen Schulklasse, die ihr noch geblieben sind. Überhaupt versuchen alle in der kleinen Kirchengemeinde ihres Wohnviertels zusammenzuhalten, so gut es geht.

 

Doch dann verschwindet der Pater. Und unvermittelt steht auch Se-kyungs Verlobter vor der Türe, der als Wissenschaftler in den USA geforscht hatte. Er will sie heiraten und im besten Fall mit ihr in die USA zurückkehren. Doch Se-kyung steht mittlerweile der Sinn nicht mehr danach. Ihr Platz ist in Uncheong. Hier hat sie noch etwas zu erledigen.

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