Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

KDrama nach Themen: Von der Macht der Mächtigen

Pale Moon

"Pale Moon" entwickelt in der Klangfarbe ein besonders zartes Timbre. Feine Persönlichkeitsporträts, keines davon glatt und porentief rein, sondern vielmehr innerlich zerknautschte Menschen mit Träumen und Schwächen, Menschen, die auch mal fragliche Entscheidungen treffen, sich nicht an die Regeln halten, die der Versuchung erliegen, die Chance zu ergreifen, um einmal ihre Träume auszuleben.

 

Hier und da ein bisschen ´noir´. In jedem Fall emotional dicht. Unaufgeregt gefühlvoll. Leise und doch kraftvoll. Prädikat "wertvoll".

 

Dem KDrama liegt eine japanische Buchvorlage (Mitsuyo Kakuta) zugrunde, die als Serie und Film erfolgreich war. Hier handelt sich nun um ein südkoreanisches Remake, wobei sich offenbar Kim Seo-hyung bereits unmittelbar nach Veröffentlichung des Originals (2015) für die weibliche Hauptrolle in einem potenziellen südkoreanischen Remake bemüht hatte. Man/frau kann spüren, dass sie diese Rolle atmet. 

 

In dem ursprünglichen Roman geht es um die Veruntreuung von Bankgeldern, wie sie in Japan tatsächlich vorgefallen waren. In Südkorea ist die Liste von Veruntreuung in Milliardenhöhe ebenfalls lang und das Remake dementsprechend durchaus gut platziert.

Allerdings geht es im südkoreanischen Remake noch um mehr als die Veruntreuung von Vermögen im großem Stil. Es geht hier generell um Lug, Trug und Täuschung - auch im kleineren, überschaubaren, zwischenmenschlichen Rahmen. Es geht jedoch auch um menschliche Verletzlichkeit, die Brüche in der Fassade. 

 

Die Geschichte entfaltet sich vor dem Hintergrund des unaufhaltsamen Konsums, eines regelrechten Konsumrausches, der jeglichen Bezug und jegliche Erdung längst hinter sich gelassen hat. Das Leben in einer Parallelwelt, die sich nur wenige wirklich leisten können. Diese Welt des Luxus, die zunächst reizvoll scheint, entwickelt Rauschcharakter, Suchtcharakter und katapultiert sich selbst letztlich doch ins Leere. Was bleibt, wenn die Geliebte den Geliebten mit den Designerwaren von Kopf bis Fuß über das Auto hin zum Haus samt Interieur und bis zum Laptop ausstattet? Wenn man/frau nicht aufpasst wird die luxuriöse Welt der Materie - zunächst gut getarnt als traumhafter Lifestyle - zum hässlichen Parasiten, der sich von Gefühl, Lebendigkeit und Leidenschaft nährt, davon am Ende jedoch nichts übrig lässt...

 

Im Spannungsfeld von schnöder Normalität eines langweiligen, nach außen vielleicht satt aufgehübschten, doch emotional eher leeren Alltags, ist hier fast jede/r bereit, schon mal vom Pfad der Tugend abzuweichen, um ein Stück vom verheißungsvoll schillernden Konsumkuchen abzubekommen.  

 

Dennoch erzählt die Geschichte auch von den aufrichtigen Momenten, in denen sich die Menschen wahrhaftig zeigen, wahrhaft sehen und erkennen - in ihrer unschönen Verletzlichkeit. Dies sind die Momente, wo aufrichtige Begegnung und Nähe entsteht. Das sind nach außen hin zwar nicht die schönen, shiny TaDa-Momente, doch im Innern sorgen sie für Licht und Wärme, nähren sie die Seele, wie Wasser, was Blumen zum Blühen bringt. Momente, die mit Geld nicht zu bezahlen sind. Momente, die in der schillernden Welt des Konsums zu den wertlosesten zählen, gemieden werden, verachtet werden, an den Rand gedrängt werden, ausgegrenzt werden. 

 

So ist "Paper Moon" (kor. Originaltitel) auf intelligente Weise eine Abrechnung mit der konsumgeschwängerten gesellschaftlichen Realität, in der ´Schein´ an Stelle des ´Seins´ tritt. Das KDrama erinnert dabei unbeeindruckt, leise und beständig an das Menschliche, das eben mit inszenierter Perfektion so gar nichts zu tun hat, sondern eher mit irrationalen Impulsen und unvereinbaren Gegensätzen. Schönheit im Menschsein entfaltet sich allenfalls, wenn Schwächen zu Stärken werden, wenn Brüche das Ganze ausmachen, wenn Verrat die Tür zur Freiheit öffnet, wenn der Verlust die Pforte zu Fülle wird, wenn ich mich finde indem ich mich verliere, usw..

Da wir alle Menschen sind, können wir uns erinnern (,dass wir auch so sind) und mitfühlen und uns (und andere!) auch in unserer ´Hässlichkeit´, ihrer ´Verzweiflung´, ihrem ´Scheitern´ annehmen. Das macht das Leben wahrhaft wertvoll, das bleibt als wertvolle Erfahrung, selbst wenn jegliche(r) materielle Wert(igkeit) längst zerronnen ist.

 

 


RANDBEMERKUNG: ´Paper Moon´ vs. ´Pale Moon´

Der Titel "Papiermond" wurde für den internationalen Titel von "Paper Moon" in "Pale Moon" abgewandelt, um eine gewisse Trennschärfe zum japanischen Original zu schaffen. Die Story mag ein Remake sein, sie wird jedoch neu erzählt, korean-style. Das ist gelungen. Und wenn man/frau so will, zeugt auch schon die veränderte Nuance im internationalen Titel von einer fein nuancierten, zusätzlichen Facette im KDrama.

 

Die Bezeichnung "PAPER MOON" bezieht sich auf einen unechten, überdimensionierten Halbmond aus Pappkarton, der seiner Zeit, mit dem Aufkommen der Fotografie, als spezifische Variante von (billigem aber wirkungsvollem) Porträt-Hintergrund in Mode kam: Auf Jahrmärkten usw. boten Fotografen den gut gelaunten Besucher*innen als besonderen Gag unvergessliche Porträtfotografie vor eine künstlichen Mondsichel aus Pappkarton - also mit ganz billigen Mitteln. Damit schwebten die glücklichen Paare (doch auch alle anderen, sie sich ablichten ließen) sozusagen optisch über den Wolken, dem Alltag entrückt, dem (künstlichen Fake-) Himmel so nah... Dokument eines ganz besonderen Augenblicks.

 

Die Bedeutung des Papiermonds bezeichnet seitdem generell ein Objekt, mit dessen Hilfe rein optisch eine Leere mit fiktiver Wirklichkeit gefüllt wird. Substanziell ist die Leere jedoch noch da. Das somit bedeutungsschwer angereicherte Symbol inspirierte zu so manchem großen Werk. Eines davon ist das Musikstück "It´s only a Paper Moon" (ursprünglich "If you believed in me"), das die Grundidee, beziehungsweise das Grundgefühl pointiert zusammenfasst: Als Gratwanderung zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit...

 

"Say, it's only a paper moon
 Sailing over a cardboard sea
 But it wouldn't be make-believe
 If you believed in me

 

Yes, it's only a canvas sky
 Hanging over a muslin tree
 But it wouldn't be make-believe
 If you believed in me

 

Without your love
 It's a honky-tonk parade
 Without your love
 It's a melody played in a penny arcade

 

It's a Barnum and Bailey world (=Zirkusattraktion)
 Just as phony as it can be
 But it wouldn't be make-believe
 If you believed in me"

 

...Die unechte Wirklichkeit, die Täuschung, der Trug, die Lüge, das alles könnte doch auch wahr sein, wenn ich die anderen davon überzeugen kann, dass es so ist. 

 

"PALE MOON" wiederum - der blasse Mond - bezieht sich eher auf den im KDrama immer wieder in Szene gerückten, realen, blassen (Voll)Mond am Nachthimmel. Der ist nicht schillernd, wie die strahlende, alles erhellende, blendende Sonne, und nicht laut und spektakulär, wie ein Feuerwerk, (und nicht so groß und dominant neben mir, wie eine Pappkarton-Mondsichel). Der blasse (Voll)Mond schimmert nur in den dunklen Stunden eines Tages. Er leuchtet da zwar durchaus den Weg und wirft auch Schatten, doch der ist sichtlich weit entfernt. Er wirkt fast fragil und zart, wie eine vage, leise Erinnerung an etwas wahrhaft Schönes, Wertvolles. Etwas, das zwar einerseits weit weg sein mag, jedoch andererseits in schöner Regelmäßigkeit da ist, bleibt, sich nicht abhalten lässt, zu sein. Ach so fern, doch emotional durchaus substanziell - und damit so nah.

종이달 - Lit.: Jong-i Dal

Lit.: Papiermond

 

2023, 10 Episoden

 

Hauptdarsteller*innen:
-Kim Seo-hyung
-Yoo Sun
-Seo Young-hee
-Lee Si-woo
-Gong Jung-hwan [ko]
-Lee Chun-hee
-Yoon Hee-seok

 

Plot:

Ehefrau, Hausfrau, aber keine Mutter, das ist Yoo I-hwa. Ihr Mann hat ihr nicht mehr viel zu sagen. Sie ist gelangweilt. Darüber helfen ihr auch ihre Freundinnen nicht wirklich hinweg. Als sie die Chance erhält, wieder ins Berufsleben einzusteigen, weckt das neue Lebensgeister. In ihrer Bank bewährt sie sich bei der exklusiven Betreuung der VIP-Kund*innen. Dabei stolpert sie unversehens über die Versuchung, etwas vom reichen Vermögen ihrer Kund*innen für einen guten Zweck, wie sie meint, abzuzweigen. 

Ihre gute Absicht verselbständigt sich. Innerhalb kurzer Zeit hat sich ihr Leben vollkommen verändert. Sie hat einen Lover, schöne Kleider, kann sich mit Geld alles kaufen, wonach ihr ist. Doch andererseits kann sie auch nicht aus ihrer Haut. Und Geld ist letztlich doch nur Papier...

Druckversion | Sitemap
© Wörtertanz.com 2021-2024