Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

Südkorea im KDrama

Gefühlvolle Zwischentöne 

Die Kunst, dich Zeit zu lassen: Der Zeitfaktor macht den Unterschied

Gemeinhin steht das KDrama für Lovestory. Oft kann man lesen, dass KDrama typischer Weise unschuldige, tugendhafte Romanzen zeigen. Für manche westlich sozialisierte Zuschauer*in ist dies möglicherweise eine willkommene Abwechslung nach einer medialen Übersättigung mit reichlich Sex & Crime. Doch dabei scheint mit weniger das Tugendhafte der Beziehung  (als Wert) entscheidend, sondern eher wie zwischen den Protagonisten - auch ohne Erotik - eine hohe Intensität (im Guten wie im Bösen) erzeugt wird.

 

Charakteristisch für das KDrama ist die Bedeutung der Details, Zwischentöne, Mimik, Gesten, und Blicke, die in besonderer Weise inszeniert werden. Dabei spielt neben der schauspielerischen Kraft die Kameratechnik eine wesentliche Rolle: u.a. mit langen Einstellungen, bedächtigen Kamerafahrten, wiederholtem Einspielen von Szenen, Szenen in Zeitlupe, Fokus auf Details, assoziative Symbole, Zwischenräume (zwischen Ein- und Ausatmen, zwischen Worten und Sätzen...) und intensive Nahaufnahmen wird eine extrem hohe Intensität und atmosphärische Dichte erzeugt.

Damit eröffnet sich eine größere Vielfalt im Ausdruck. Ob Zuneigung oder Abneigung, ob Zärtlichkeit, Verbindlichkeit und Liebe oder Erniedrigung, Ablehnung und Unterdrückung, die Spannbreite wird ausgelotet.

 

Insbesondere im Ausdruck von Intimität wird das westlich geschulte Zuschauer*innen-Auge daran erinnert, dass Momente der Nähe auf viele Arten gelebt werden können - mit emotionalen Ausdrucksvarianten, die vielleicht im Zuge einer starken Erotisierung der medialen Welt in Vergessenheit geraten sind.

Eine Beziehung auf Augenhöhe erfordert eine respektvolle Annäherung in Etappen

Methodisch kommt man wohl bei der Produktion eines KDramas nicht umhin, sämtliche  Möglichkeiten auszuschöpfen, wenn die romantische Spannung zwischen den Protagonist*innen nachvollziehbar werden soll, aber ein zarter Kuss oder eine zärtliche Berührung erst im zweiten Drittel der 16 oder 20 Folgen gezeigt wird. 

 

Die Annäherung zweier Menschen erfolgt im KDrama analog der Annäherung im traditionellen koreanischen Alltagsleben in Etappen, die man sich jede, eine nach der anderen, in der Begegnung erarbeiten muss:

  • Am Anfang steht die Verneigung und die respektvolle, gar förmliche Sprachebene.
  • In der nächsten Stufe der Annäherung folgt vielleicht immer noch eine Verneigung (nur noch leicht angedeutet mit Kopf- und Augenbewegung) aber zumindest die höfliche Sprachebene. Man spricht sich selten direkt mit Namen an, vielmehr wird die Bezeichnung einer anerkannten Position in Beruf ("Lehrer", "Chef"...) oder im Leben (z.B. "Mutter von xxx") oder die anerkennende Andeutung eines höheren und damit respektvolleren Alters - wie "Oppa" (ältere Bruder aus weiblicher Sicht), "Eonni" (ältere Schwester aus weiblicher Sicht), "Nuna" (ältere Schwester aus männlicher Sicht), "Hyeong" (älterer Bruder aus männlicher Sicht), "Ahjussi" (für einen Mann über 30), "Ahjumma" (für eine Frau über 30), "Halmoni" (jemand im Alter einer Großmutter), "Haraboji" (jemand im Alter eines Großvaters) - verwendet.
  • An den Namen wird, sollte er durch den Kontext doch einmal direkt verwendet werden, eine respektvolle Höflichkeitsendung ("-schi") ergänzt.
  • Der Weg dahin, mein Gegenüber einfach so beim Namen, gar Vornamen, zu nennen und dabei eine vertrautere Sprachebene zu wählen, ist weit... dann ist man bereits bei der "Wir-stehen-uns-nahe-Freundschaft" angekommen. (Z.T. wählen Ehepaare auch nach Jahren noch die höfliche Sprachebene im Umgang miteinander.)

So verläuft auch der Weg zu einer respektvollen intimen romantischen Beziehung mit körperlicher Dimension in mehreren Schritten. (Ausnahmen bestätigen wahrscheinlich auch hier die Regel.)

Interaktion bevorzugt indirekt

Sicherlich kann man sich an den meist allzu schüchtern anmutenden oder schamhaft verklemmten Gesten, sowie den wenigen und viel zu oft unnatürlich harmlosen Kussszenen als Frau (oder Mann) westlicher Sozialisierung abarbeiten. Da braucht es schon mal Toleranz, das kann schon mal zu viel werden. Doch dies mag auch dem Einfluss der Korea Communications Commission (KCC) geschuldet sein, die sicherstellt, dass die KDramen ab 13 Jahren freigegeben werden dürfen...

 

Spätestens in den koreanischen Filmen wird ersichtlich, dass in Südkorea Küssen, Anfassen und Sexualität in allen erdenklichen Spielarten auch hemmungslose gelebt werden (können). Aber eine kulturbedingte Umgangsform bleibt auch dort: Mann/Frau wird dies in der (südkoreanischen) Öffentlichkeit eher nicht zeigen. Das ist in etwa so unhöflich, wie eine allzu laut geführte Unterhaltung im öffentlichen Raum. 

 

Das KDrama lässt sich (im Vergleich zum Alltag) möglicherweise unnatürlich viel Zeit für Annäherung und Begegnung, doch vom Prinzip ist die Interaktion schon auch sehr authentisch koreanisch: höflich, zuvorkommend, respektvoll, eher indirekt, eher reserviert. Ist das nicht so, dann ist die Beziehung mit Sicherheit nicht auf Augenhöhe - die unmittelbare Wahl einer vertrauten Sprachebene und der Ausdruck von Körperlichkeit will dann mit dieser Direktheit Überlegenheit, Abfälligkeit oder Geringschätzigkeit zum Ausdruck bringen. Auch Lautstärke, die in den meisten Unterhaltungen gemieden wird, ist Ausdruck von einem Machtgefälle. Das dürfen praktisch nur Eltern gegenüber ihren Kindern oder Chefs gegenüber Untergebenen oder Ältere gegenüber Jüngeren.

 

Oder die Beziehung (auf Augenhöhe) ist schon wieder so vertraut, dass man/frau (unter alten Freunden, Schulkameraden oder auch manchen langjährigen Paarbeziehungen) alle Umgangsregeln längst über Bord geworfen hat: in diesem Zusammenhang darf es im Privaten (als Ausdruck von Nähe und Vertrautheit) auch mal laut, direkt, derb und grob werden.

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