Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Gesundheitssystem

Recipe for Farewell

"Recipe for Farewell" mag vielleicht unter ´Gesundheitssystem´ nicht perfekt platziert sein. Dennoch finde ich es passend. Ähnlich wie bei "The Most Beautiful Goodbye" beschreibt das KDrama einen Bereich, in den das Gesundheitssystem mit seinen Apparaten, Spritzen und Tabletten nicht hinreicht. Hier ist eben mal keine Medizin und kein/e Mediziner*in gefragt oder gemeint. Hier geht es um das Essen. Um die gesundheitsfördernde Funktion des Essens - physisch und psychisch. Und diese Funktion kann die mit Bedacht und Liebe zubereitete Mahlzeit auch in der (hier pointiert aufbereiteten) paradoxen Situation haben, wo Essen eigentlich schon gar nicht mehr möglich ist: im Endstadium von Krebs im Magen-Darm-Trakt.

 

Man/frau könnte vielleicht meinen, in diesem KDrama geht es um den dramatisch nahenden, unausweichlichen Tod. Dies Thema läuft im Hintergrund schon mit, klar. Doch im Vordergrund steht die Freude und die Lust am sinnlichen Genuss eines frisch und achtsam zubereiteten Mahls. Um das Teilen desselben. Um die Zeit, die man/frau darüber gemeinsam verbringt. Um die Mahl-Zeit. Eine gute Zeit. 

 

Phänomenal, wie es hier gelingt, diese so gegenläufigen Stimmungen harmonisch Hand in Hand gehen zu lassen. Tod, Schmerz und Abschied werden an keiner Stelle schön geredet. Das Leben (und die Freude daran) steht seinerseits deswegen jedoch nicht im Schatten des drohenden Todes. "Recipe for Farewell" ist erstaunlicher Weise keine düstere Serie. Sie versprüht vielmehr samt-seidige, wohlig warme Lichtstrahlen, wenn es dunkel und traurig zu werden droht.

 

In KDramen wird stets irgendwann gegessen und getrunken. Das ist nun nicht speziell. Doch in "Recipe for Farewell" wird alles rund ums (koreanische) Essen auf stilvolle Weise intelligent, gefühlvoll, achtsam, sinnlich und liebevoll vermengt. Essen wird zum ausdrücklichen Thema - vom mit Bedacht gewählten Rezept über den achtsamen Einkauf und die behutsame Zubereitung bis hin zum bewussten Verzehr. Jede Folge ist nach einem koreanischen Gericht benannt. Man/frau kann einiges lernen. Es macht Spaß zuzusehen. Essen ist nicht aufdringlich, sondern ästhetisch, stimulierend, inspirierend.

 

Die Geschichte lenkt den Blick auf die Essenz des Essens: auf das Strahlen, das von der Nahrung auf die Seele übergeht. Auf die Freude, am Leben zu sein. Auf das Geschenk, Teil dieses ewigen Transformationsprozesses zu sein, der das Leben ausmacht. Von der Saat zu Blüte, Frucht, Blatt, Wurzel, Farbe, Geruch, Haptik, Geschmack, Temperatur, Verflüssigung, schließlich Kompost, Gase ... und in Luft aufgelöst.

 

Zugrunde liegt hier eine gleichnamige autobiographische Geschichte. Autor Kang Chang-Rae beschreibt darin, wie er selbst durch das Kochen für seine sterbenskranke Frau das Kochen erst mal lernen musste. Und was dies alles ausgelöst hat - in ihm und um ihn herum. "Recipe for Farewell" geht eine Etage tiefer als das Herz: an die Eingeweide. Eher schlicht und fast schon sachlich ist der Blick des Protagonisten, der konzentriert auf seinen Job als Koch fokussiert ist. Und indem er einfach versucht, seinen Job gut zu machen, kommt in den letzten Wochen nochmal Bewegung in die Beziehung zu seiner geschiedenen Frau sowie zu seinem inzwischen fast erwachsenen Sohn.

 

Zugrunde liegt der Impuls, der durch seine sich sorgende Frau ausging, als sie ihn aktiv bat, in dieser letzten Zeit für sie zu kochen - und dann auch für den (bei ihr lebenden) Sohn da zu sein, wenn sie es nicht mehr kann. Sie wünscht sich Frieden zwischen Vater und Sohn, spätestens wenn sie dann weg ist. Da wird das gemeinsame Essen - die Mahlzeit - zum Symbol der Waffenruhe aller weltlich aufwühlenden Themen und eröffnet dabei den Weg zu Gemeinschaft -> Verbindung -> Bindung -> Nähe ...durch das Teilen von Raum, Zeit und der (Essens)Freude, am Leben zu sein (= sehen, riechen, schmecken und verdauen zu können).


Ein so endgültiger Abschiedsprozess mag für jede/n schmerzhaft sein. Die Krankheit an sich mag schmerzhaft sein. Das KDrama registriert dies, doch es konzentriert sich vielmehr auf die geteilte, gemeinsame Zeit, in der sich die Mutter, Vater und Sohn miteinander GUT fühlen. "Recipe for Farewell" präsentiert wahrlich ein wunderbares Rezept fürs Abschiednehmen - sinnlich, liebevoll, unaufgeregt, geerdet, in schlichter, dreidimensionaler Herzlichkeit. Fantastisch dabei übrigens auch die Hauptdarsteller*innen.

 

"Recipe for Farewell" läuft beim südkoreanischen Streaming Anbieter Watcha und erfreut sich dort hoher Beliebtheit. Die Serie übertrumpft darin möglicherweise sogar die gefeierte Produktion "Semantic Error". Die zahlenden Abonnenten jedenfalls sind im Verlauf der ersten Woche der Ausstrahlung bereits auffallend mehr geworden... Und in der App Watchapedia steht das KDrama mit 4,5 von 5 möglichen Punkten in der Zuschauerbewertung an Platz 1 unter 190 Serien aus dem Jahr 2022. Ich meine auch, hier stimmt so ziemlich alles, und gebe dafür das Prädikat "besonders wertvoll".

오늘은 좀 매울지도 몰라 - Oneuleun Jom Maewoolji Molla

Lit.: Möglicherweise ist es heute ein bisschen scharf

 

2022, 12 Episoden (je ca. 30 Minuten)

 

Hauptdarsteller*innen:
-Han Suk-Kyu
-Kim Seo-Hyung
-Jin Ho-Eun

 

Plot:

Da-jung bittet ihren geschiedenen Ehemann, für sie zu kochen. Nicht einfach so, sondern da sie an Krebs leidet, der massiv ihren Magen-Darm Trakt befallen hat. Ihr bleibt nicht viel Zeit. Sie selbst kann eigentlich kaum noch Nahrung verdauen. Kochen wird für Chang-wook damit zu einer echten Herausforderung, zumal er außer Fertignudeln nichts zubereiten kann. Hinzu kommt, dass sein Sohn keinesfalls begeistert ist, dass der Vater wieder zuhause einzieht...

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