KDrama nach Themen: Bildung & Arbeitswelt
"Revenge of Others" ist in der Welt der südkoreanischen Oberschüler*innen angesiedelt. Kein Teenie Geplänkel, sondern eine Story mit Substanz und Tiefgang. Mit wendig verstrickten Nebenplots wird ein heikles, trauriges und top-aktuelles gesellschaftliches Thema spannend und bewegend aufgearbeitet. Prädikat "wertvoll"!
Das KDrama "Revenge of Others" setzt sich 2022 (wie auch "Weak Hero Class 1") mit dem Thema Mobbing bzw. Bullying auseinander. Im Koreanischen spielt hier der Begriff ´Wang-ta´ eine wichtige Rolle zum Verständnis. Der Begriff Wang-ta ist Slang und ist in den späten 1990er Jahren entstanden. Darüber lässt sich vielleicht die spezielle und zunehmend dramatische Situation rund um das Bullying unter südkoreanischen Schüler*innen, die bis in den Suizid führen, etwas besser nachvollziehen. (Siehe Randnotiz weiter unten.)
Das Scheinwerferlicht richtet sich in diesem KDrama auf eine Seouler Oberschule, in der es offenbar einen Selbstmord gab. Alle sind erschüttert. Manche wissen mehr. Doch wenn nicht die Schwester, die seit vielen Jahren von ihrem Bruder getrennt lebt, anreisen und sozusagen ´Undercover´ den wahren Ursachen auf den Grund gehen würde, dann wäre dies als trauriger Fall von Suizid sang- und klanglos auch abgeschlossen. So oder so ähnlich geschieht es wohl allzu oft. Das KDrama will der Sache und ihren Umständen jedoch in Gestalt der Ok Chang-mi beherzt auf den Grund gehen.
Die Erwachsenen sehen hier mal wieder nicht allzu gut oder vielversprechend aus, als dass sie innerhalb dieser fatalen Gruppendynamik ernsthaft etwas zum Guten bewegen könnten. Sie sind draußen. Die Schüler*innen müssen selbst einen Weg finden, um in ihrer Peer-Welt möglichst gut angepasst (oder zumindest stark vernetzt) klar zu kommen.
"Revenge of Others" ist eine Produktion für den internationalen Streaming Markt. Bei Disney+ wird es jedoch selten so brutal wir bei anderen Plattformen. Der Gewaltanteil hält sich somit in Vergleich mit "Weak Hero Class 1" in Grenzen (obgleich für Disney-Verhältnisse dann doch stellenweise auch ganz schön brutal...) Stattdessen bleibt mehr Raum auch für Beziehungsdynamiken in Nebenplots, für Ursachenzusammenhänge und Grautöne.
Es gibt im Zusammenhang mit "Revenge of Others" übrigens auch eine ganze Reihe überzeugender, vielversprechender Nachwuchsschauspieler*innen zu bewundern! Allen voran Shin Ye-eun sowie Lomon, der bereits in "All of Us Are Dead" zu überzeugen wusste. Doch von beispielsweise Chung Su-bin oder Chae Sang-woo wird man/frau in Zukunft wohl ebenfalls noch einiges zu sehen bekommen...
Randnotiz: Wang-ta in Südkorea
Mit Wang-ta wird weniger die ´Tat´ - das Mobben oder Schikanieren - in den Mittelpunkt gerückt, sondern vielmehr das gesamte Bedeutungsfeld rund um die aktive und auch gewaltsame Ausgrenzung einer/s Außenseiter*in. Es kann beispielsweise als Schimpfwort für die ausgegrenzte Person verwendet werden oder eben als Bezeichnung der Tat. In einer kollektivistischen Gesellschaft, wie es Südkorea ist, geht die Gruppenzugehörigkeit und das Interesse der Gruppe über alles. Das gilt nicht nur für die Familie, sondern auch für die Schulklasse und ebenfalls für die Peergroups innerhalb der Klasse oder Schule. Aus diesem Wertesystem ergibt sich da leider eine fatale Situation, wenn es um das eigentliche Mobbing geht: In der sozialen Hierarchie stehen die Außenseiter ganz unten, denn sie bringen Schande über die Gruppe. Ob das an der Schulleistung liegt, den Familienzusammenhängen, der Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer unerwünschten Minderheit, dem Aussehen, der Kleidung, einem Handicap, einer ungewöhnlichen Überzeugung oder einer abnormalen Neigung: Wang-ta ist ein Label, das keine/r an sich kleben haben möchte. Darin sind sich alle einig. Wang-ta wird so zugleich der Freifahrschein für mehr oder weniger grausames Bullying/Mobbing.
Besorgniserregend ist dabei, dass Täter*innen, Opfer und Zeug*innen die Prämisse gleichermaßen akzeptieren: Das Schikanieren, fast alles im Zusammenhang mit Wang-ta, ist erlaubt. Die Täter*innen nutzen das aus, die Opfer fühlen sich gleich noch minderwertiger in Hinblick auf ihr (wie auch immer geartetes) Manko - und die Zuschauer*innen nicken die Aktion stillschweigend als gerechtfertigt ab oder steigen gar aktiv mit ein. Das kann sich schnell verselbständigen. Eine moralische Schranke fehlt vor diesem spezifisch kulturellen, kollektivistisch geprägten Hintergrund. Das kann sogar ausufern. Es gibt Fälle, bei denen sich schließlich die gesamte Schule am Wang-ta einer Person beteiligt hat. Aus westlicher, individualistisch geprägter Sicht ist das vielleicht schwer nachvollziehbar, denn außer Gruppennorm gibt es auch noch andere sozial anerkannte ethische Grundsätze, die als ernsthafte Konfrontation des Wang-ta Verhaltens eingebracht werden könnten. Das bewegt an südkoreanischen Schulen leider (bislang) vergleichsweise nur wenige.
Im Zusammenhang mit diesem KDrama auch noch eine spezielle Randnotiz zu
Strafmaß vs. Leid der schikanierten Opfer
Die psychischen Auswirkungen auf die Opfer wirken lange nach. Die Strafen für die Täter*innen stehen da leider bis heute kaum im Verhältnis. Sie sind eher harmlos und für die Täter*innen vielleicht lästig bis ärgerlich, aber nicht wirklich abschreckend. Bis es tatsächlich zum Schulverweis kommt, muss viel zu viel passiert sein. Hinzu kommt, dass selbst ein entsprechender Eintrag in den Akten bereits zwei Jahre nach Schulabschluss komplett gestrichen wird. Das heißt, auf Täter*innenseite bleibt da nichts zurück. Aus der Erinnerung des Opfers wiederum lässt sich das Erlebnis allerdings nicht so leicht streichen...
Die dokumentierten Fälle von Wang-ta in südkoreanischen Schulen (doch viele werden offiziell ja gar nicht gemeldet) haben in den letzten drei Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. Zwischen 2013 und 2017 haben sich die Fälle laut einer Untersuchung des Ministeriums für Bildung und Erziehung gar von 11. 749 auf 31.130 mehr als verdoppelt. Es gibt da auch zunehmend Opfer zu vermelden, die den Freitod als einzigen Ausweg für sich sahen. Es ist mittlerweile empirisch dokumentiert, dass südkoreanische Schüler*innen mit einer persönlichen Wang-ta Erfahrung suizidgefährdeter sind als jene ohne. Dabei ist Suizid unter den 10 bis 24 Jährigen die mit Abstand häufigste Todesursache. Knapp 1.000 Jugendliche haben sich allein im Jahr 2020 selbst das Leben genommen. ("Revenge of Others" wirft in diesem Zusammenhang auf indirektem Wege eine nicht uninteressante Frage auf: wie ´frei´ war der Freitod in jedem einzelnen Fall wirklich?)
In Anbetracht fehlender wirklich ernster Konsequenzen für die Täter*innen in Fällen von Wang-ta und ihrer vergleichsweise unbefriedigenden Bestrafung hat sich inzwischen eine Art von Selbstjustiz unter den Familien der betroffenen Opfer etabliert. "Revenge of Others" greift dies (ähnlich wie "Angry Mom" einige Jahre zuvor) als Thema in Variation auf.
Tatsächlich scheint es unter Angehörigen von Opfern nicht unüblich, in Anbetracht schreiender Ungerechtigkeit und fehlender ernstzunehmender, alternativen Strafmaßnahmen jemand im gleichen Alter dafür zu bezahlen, sich stellvertretend vor Ort ´Undercover´ um die angemessene ´Bestrafung´ der Täter*innen zu kümmern. Gewalt mit Gewalt zu klären, ist natürlich eine zweifelhafte Lösung. Traurig, dass dies die einzige Möglichkeit zu sein scheint, den Täter*innen echte Konsequenzen aufzuzeigen und den Opfern wenigstens einen Hauch von Genugtuung zu verschaffen. ...Obwohl es wohl eher Genugtuung für die Angehörigen der Opfer sein wird, denn die Opfer selbst haben trotzdem noch lange mit ihren psychischen Wunden und Narben zu tun. Rache macht die Tat der Schikanierung, die schmerzhafte Erfahrung der (psychisch und physisch gewaltsamen) Ausgrenzung, nicht ungeschehen...
PS:
Das Thema MOBBING/BULLYING an Schulen ist in unzähligen KDramen fast wie selbstverständlich gegenwärtig. Ausdrücklich im Mittelpunkt des Plots steht es jedoch ebenfalls z.B. in:
3인칭 복수 - 3inching Bogsu
Lit.: Rache durch einer dritte Person
Hauptdarsteller*innen:
-Shin Ye-eun
-Lomon
-Seo Ji Hoon
-Chae Sang Woo
-Lee Soo Min
-Jung Soo Bin
Plot:
Ok Chan-mi und ihr Zwillingsbruder wurden vor Jahren getrennt. Er lebte seitdem bei seiner Adoptionsfamilie, während Chan-mi in Busan im Waisenhaus aufwuchs. Sie träumt von einer Karriere beim Militär und trainiert daher emsig Schießen. Dies Qualifizierung ermöglicht es ihr schließlich, an die Oberschule ihres Bruders zu wechseln, nachdem sie erfahren hat, dass ihr Bruder in den Tod gestürzt war, just als die beiden miteinander telefoniert hatten. Chanmi glaubt nicht an Selbstmord und fängt selbst an zu ermitteln.
Dabei lernt sie Ji Soo-heon näher kennen, der über dem Box-Club lebt und ihr dort auch eine Unterkunft ermöglicht. Soo-heon hat jedoch mit seinen eigenen Sorgen zu kämpfen hat. Er braucht dringend Geld für die Krankenhausrechnungen seiner Mutter und nimmt dabei auch Schlägerjobs an. Die Mobbingkultur an seiner Schule ermöglicht ihm das ein gutes Einkommen. Dabei musst er selbst mit einem Gehirntumor leben, der nicht zu operieren ist.
Chan-mi und Soo-heon entwickeln eine seltsam freundschaftliche Vertrautheit, während sie beide ihre eigenen Missionen verfolgen. Chan-mi muss sich schließlich fragen, ob sie nicht gar Gegenspieler sind. Hat Soo-heon mit dem Tod ihres Bruders zu tun? Doch innerhalb der Mitschüler*innen gibt es so einige, die sich nicht so recht durchschauen lassen. Da ist Seok Jae-beom aus wohlhabendem Hause, der nach einem Unfalls seine Erinnerung verloren hat, sein Kumpel Gi O-sung, der ihm als Erinnerungshilfe zur Seite steht, der Mobber Sa Jung-gyeong, der sich bei seiner einflussreichen Familie meint, alles erlauben zu können... und auch aus den Mädels wird Chan-mi nicht so recht schlau. Was ist mit Tae Seo-yeon, die sich aus allem herauszuhalten scheint? Warum ist jene Freundin ihre Bruders gar nicht seine Freundin gewesen? Warum ließ er seine Schwester das glauben?
Und dann gibt es plötzlich noch einen weiteren Toten. Damit will nun auch noch die Polizei in der Parallelwelt der Jugendlichen mitmischen...