Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Zeit und Raum sind relativ

Crash Course in Romance

"Crash Course in Romance" ... damit wäre ich auch schon bei meiner Kritik. Die betrifft nicht etwa das KDrama selbst (im Gegenteil), sondern den internationalen Titel... ich weiß mal wieder nicht, weshalb... (nun, ich werde es wohl nie verstehen...) ...warum nur muss der internationale Titel eine völlig andere Geschichte suggerieren als der Originaltitel? Warum nur will (in dem Fall) Netflix aus der tvN-(Co-)Produktion für das internationale Publikum da was ganz anderes präsentieren? Warum darf die Story nicht ihre Geschichte als das ankündigen, was sie in erste Linie ist? Ein KDrama über den absoluten Spitzen-Skandal in den der absolute Spitzen-Mathelehrer von Gangnam verwickelt ist. Eine Geschichte über Gangnam-Rivalitäten zwischen Schüler*innen, zwischen Müttern, zwischen Lehrern. Eine Geschichte über Gangnam-Skandale, die Leben zerstören können...  Am Rande gibt es auch eine (oder zwei) Liebesgeschichte(n), doch wer eigens wegen der Romance einschaltet, muss schauen, wie er/sie mit dem klar kommt, was tatsächlich geboten wird. (Ich würde mal vermuten, das könnte eher enttäuschend sein.)

 

Überraschender Weise bin ich an "Crash Course in Romance" hängengeblieben, OBWOHL der Titel die Romanze raushängen lässt. Da bahnt sich zwar irgendwie eine Romanze an, doch tatsächlich sind es die Figuren, die Story und die Lebenswelten drum herum, die auch abseits der amourösen Beziehungsdynamik eine substanzielle Geschichte mit reichlich Eigenleben kreieren. Die behandelt dabei sogar so etwas wie einen Kriminalfall und nimmt bei alledem als dramaturgisches Leitmotiv nonchalant den Bildungshype samt seinen stellenweisen krankhaften Auswüchsen mit sozialkritischem Augenzwinkern aufs Korn. Das ist mal was ganz anderes als der Titel suggeriert.

 

Jeon Do-yeon habe ich zuletzt vor fast 5 Jahren in dem KMovie "A Man and a Woman" gesehen, erlebt und schätzen gelernt. Sie ist kein internationaler Superstar, doch eine im Land geachtete und gewürdigte Schauspielerin in Film und Fernsehen. Ihre Art, wesentlich zu sein, habe ich sofort wiedererkannt. Hier präsentiert sie sich jedoch auch mal clownesque, generell etwas eigen und bezaubernd zugleich. Sie ist mittlerweile 50. Hier spielt sie eine Frau in den 30ern. Beachtlich. Das funktioniert. (Hier ebenso wie zuletzt 2022 im KDrama "Twenty Five Twenty One", wo die Hauptdarstellerin ihrerseits als 31 Jährige in die Rolle einer Oberstufenschülerin schlüpft. Tatsächlich bekommen die Figuren dadurch abseits vom ´Jung-Und-Hübsch-Sein´ mehr lebensechte Substanz in ihrer Ausstrahlung. Das zumindest ist meine Meinung.) Andere haben sich darüber (auf westlichen Fan-Plattformen) stellenweise schon auch kritisch und negativ ausgelassen. Doch in Südkorea stört es wohl eher weniger. Die Zuschauerzahlen haben sich im Laufe der 16 Folgen von knapp 1 Mio. auf rund 4 Mio. verdreifacht.

 

Eigentlich würde ich mich an Alter und Aussehen nicht so sehr aufhalten wollen, doch im Fall von "Crash Course in Romance" ist damit ein Aspekt angesprochen, der dieses KDrama generell trägt und von Rom+/-Com so mancher Machart abhebt. Das Alleinstellungsmerkmal ist hier eben jene Substanz und die Erdung in einem Alltag, der kein Zuckerschlecken ist - für die Protagonistin. Sie rennt vielleicht leichtfüßig die Straßen lang, und nimmt die Herausforderungen des Lebens sportlich, doch sie hat auf der Strecke auch einige Federn gelassen, Opfer gebracht. Und das nimmt man/frau der Protagonistin ab.

Der männliche Protagonist wiederum hat in seiner Vita bei allem Leben auf der Überholspur, das er gegenwärtig zu führen scheint, ebenfalls schon einiges, auch an Unerfreulichem, erlebt. Unter anderem bringt er mit seiner stressbedingten Essstörung ein Thema der Zeit ein, das in Serien vergleichsweise eher wenig thematisiert wird - wenn dann am Rande nur, und schon gleich gar nicht unter Männern. Hier ist die Essstörung gar der Aufhänger für die Begegnung der beiden Protagonist*innen...

 

Deswegen bleibt "Crash Course in Romance" dennoch beschwingt, ohne jedoch allzu dick aufzutragen. Der Job des Clowns ist es ja bekanntlich, etwas Witz und Spaß in den bitteren Ernst zu bringen - manche sagen ja, man/frau müsse schon auch über das eigen Leben lachen könne, andernfalls würde man/frau es wohl nicht ernst genug nehmen... Dieses KDrama leistet dazu seinen Beitrag, während der Hintergrund, vor dem sich die Story entfaltet, eigentlich reichlich mit ernsten Seitenhieben auf den ganz normalen Wahnsinn südkoreanischen Alltags gespickt ist, in Seoul, südlich des Flusses - in Gangnam: Der Bildungsstress und Leistungsdruck unter den Schüler*innen, unter deren Müttern, und dem Lehrpersonal sowie in den Nachhilfe-Akademien. Stalking (vs. Me-too) und Social Media Terror. Fluchttendenzen bis hin zu Krankheit und Suizid. Der bittere Ernst wird hier zum Aufhänger für reichlich Drama. Und diese dramaturgischen Stolpersteine (oder in dem Fall eher Metallkugeln) kommen den höher schlagen wollenden Herzen immer wieder ins Gehege.  Nichts ist schöner als ein Skandal in Gangnam. Das hält die Menschen im KDrama auf Trab. Und auch die Zuschauer*innen im Land scheinen damit abgeholt und bestens unterhalten. 

 

Re.: Romanze... ja es gibt sie auch.

Hineingestolpert sind die beiden da sozusagen. Das stand für beide nicht auf dem Plan. Und die Jüngsten sind sie ja mit 30ff auch nicht mehr...  (Keine Sorge: Für die jüngere Generation unter den Zuschauer*innen bietet das KDrama dafür im Nebenplot mit der ´Tochter´ der Protagonistin und ihren beiden Verehrern zusätzlich einen Hauch von amourösen Teenie-Vibes...) Die Lovestory der Protagonist*innen jedenfalls wird mit Zartgefühl, sensibel, doch humorvoll, erwachsen und dabei auch keusch erzählt. Unter den Umständen, unter denen die beiden Protagonist*innen ihr Leben geführt haben, ist das durchaus reell. Auf unnötige Zuckerwatte wird verzichtet.

 

Wie so oft hatte ich eingangs keine Ahnung, was mich da erwartet - jedenfalls keine/r der total angesagten Superstars und keine unglaublich neue oder aufregende Geschichte. Fast hätte ich das KDrama übersehen, da es so unscheinbar daherkommt. Große Hoffnungen habe ich mir keine gemacht. Und doch, eben weil daran alles so banal schien, wurde ich neugierig. Faszinierend, wie diese Geschichte mich in ihrer eigenwilligen dramaturgischen Erzählweise passgenau abholen und einwickeln konnte. Mal wieder eine von jenen Produktionen, die gerade in ihrer unspektakulären Art spektakulär werden...

 

Tja, wenn doch nur die Sache mit dem Titel nicht wäre... doch darüber hatte ich mich ja eingangs schon ausgelassen... 

일타 스캔들 - Ilta seukaendeul
Lit.: Der absolute Spitzen-Skandal

 

2023, 16 Episoden

 

Hauptdarsteller*innen:
Jeon Do-yeon
Jung Kyung-ho
Roh Yoon-seo
Oh Eui-shik
Lee Bong-ryun 

 

Plot:

Nam Haeng-seon hatte eigentlich andere Pläne. Als Handballerin der Nationalmannschaft wollte sie Medallien für ihr Land gewinnen. Nun betreibt sie eine Beilagen-Küche in Gangnam. Sie lebt zusammen mit ihrem Bruder, der mit seinem Asperger-Syndrom lebt, und der Tochter ihrer verschollenen Schwester, Nam Hae-yi. Nach dem Unfalltod ihrer  Mutter kümmerte sich Haeng-seon statt um Medaillen vielmehr um ihre Familie. Mit im Küchenteam ist bis heute ihre Freundin aus längst vergangenen Handballtagen. Offiziell ist Haeng-seon die Mutter von Hae-yi, während ihr (tatsächlich gar nicht existenter) Ehemann auf den Philippinen eine Kampkunst-Schule betreibt... so das Narrativ. Dies ermöglicht der Familie ein Leben jenseits von Klatsch, Trasch und Mobbing.

 

Nachdem die Unizulassungsprüfungen ins Haus stehen, dreht sich in Hae-yis Klasse alles um Nachhilfeakademien und die besten Lehrer*innen dafür. Bislang interessierte sich Hae-yi nicht für Nachhilfe, denn ihre Noten waren stets gut und sie wollte ihre Tante damit finanziell nicht belasten. Doch besser wäre es schon... Letztlich reiht sich Haeng-Seon also in die lange Warteschlange all jener Mütter, die ihre Kinder unbedingt beim absoluten Spitze-Mathelehrer von Gangnam anmelden wollen - Choi Chi-yeol.

 

Choi Chi-yeol inszeniert sich gerne als exklusiven Mathelehrer-Superstar. Er ist der Beste, er weiß es und genießt es. Er hat es geschafft. Doch der enorme Druck macht ihm auch zu schaffen. Er kann nichts essen... nur die Küche von Haeng-seons Beilagen-Restaurant bekommt ihm.

 

Rangeleien und Intrigen zwischen den elitären Gangnam-Müttern führen dazu, dass die talentierte Hae-yi aus seinem Kurs geworfen wird. Das findet Chi-yeol nicht korrekt. Außerdem kann er ohne die schmackhaften Vesperboxen ihrer Mutter nicht leben. Er vereinbart mit Haeng-seon daher einen Deal: er gibt Hae-yi Nachhilfe, sie bereitet ihm seine Mahlzeiten. Doch sie haben die Rechnung ohne Gangnams elitäre Mütter gemacht. Dann gibt es unter Chi-yeols Schülern einen Selbstmord, und im nächsten Moment werden auch schon alte Leichen aus dem Keller gezerrt...

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