Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

Bridal Mask

"Bridal Mask" ist eine südkoreanische Variante von Zorro. In diesem Fall verbirgt er sein Gesicht hinter einer historischen Hahoetal Zeremonienmaske, die in der koreanischen Tradition für satirisches Theater und schamanistische Riten verwendet wurde. Hinter der klassischen Maske ´Gaksital´, die eine unschuldige Braut symbolisiert, versteckt sich der Rächer der japanischen Unterdrückung.

 

Damit sind wir beim zentralen Thema, um welches das dramaturgische Netz gesponnen wurde: Koreas Zeit unter japanischem Protektorat (ab 1905) und der wenige Jahre später folgenden Annexion als japanische Kolonie (1910-1945). In diesem Zusammenhang kann man/frau in "Bridal Mask" sehr viel über das nationale Selbstverständnis der koreanischen Bevölkerung erfahren, das bis heute prägend ist. (Dazu weiter unten eine Randbemerkung.) "Bridal Mask" war als KDrama dementsprechend sehr erfolgreich und wurde daher gleich noch um 4 Episoden verlängert.

 

Die Geschichte handelt vom verzweifelten Versuch der unterdrückten Bevölkerung, den notorischen Übergriffen der japanischen Peiniger etwas entgegen zu setzen. Im Verlauf wird der eher unentschuldbar konformistische Anti-Held zum Rächer der Geknechteten und der einst mildtätig, noble Lehrer zum skrupellosen Racheengel. Zündstoff liefert dabei die Tochter eines koreanischen Widerstandskämpfers, die aus besten Freunden erbitterte Gegner und Rivalen um das Herz ihrer Holden macht. Damit wird alles im höchsten Grad dramatisch - die Romance, die Bromance, sowie der Widerstandskampf gegen brutale Unterdrücker, mit und ohne Maske.

 

Der ´Gaksital´ hinter der Brautmaske grätscht so manches Mal in die unterschiedlichsten Auswüchse der japanischen Gewaltherrschaft, allem voran die Folter als gängige Methode des Verhörs. Er vereitelt dabei so manches Mal auch das mit falschen Versprechungen heimtückische Anwerben von jungen Frauen als Sexsklavinnen oder Trostfrauen der japanischen Soldaten. Schließlich motiviert er durch seine Aktionen seine Landsleute ebenfalls zum zivilen Ungehorsam. 

 

Die im Verlauf der Geschichte immer wieder inszenierten, tyrannisch erbarmungslosen Übergriffe der Kolonialherren sind historisch belegt. Aktiver Widerstand aus der Bevölkerung ebenfalls. Allerdings ist der eigentliche Plot des KDramas völlig fiktiv: Ein zorroähnlicher Schwertkämpfer hinter traditioneller Brautmaske ist nicht bekannt. Auch die Geheimorganisation der Kishokai mit ihrer Vision für ein japanisches Großkaiserreich frei erfunden. Diese Kishokai gab es so konkret nicht, allerdings  ultranationalistische Geheimbünde, insbesondere rund um das japanische Militär, sowie in gewissen Kreisen die Sehnsucht nach einem japanischen Großkaiserreich.

 

Alles in Allem erweckt das KDrama mit epischer Wucht und hochdramatischen emotionalen Verwicklungen ein rabenschwarzes Kapitel schmerzhafter koreanischer Geschichte zum Leben. Die Erinnerung daran ist vielleicht auch deshalb so schmerzhaft, da sie noch gar nicht so lange her ist. Bis heute gab es keine Wiedergutmachung, Reue oder zumindest Anerkennung des zugeführten Leids von japanischer Seit.

 

Die japanischer Kolonialherrschaft ist unzertrennlich mit dem sehr speziellen koreanischen Nationalstolz verwoben, denn diese Zeit steht überhaupt für die Geburt des Koreanischen Nationalismus. Und daran knüpft das KDrama an. Nicht dass es auch bravourös Gemüter anderer Nationen aufzuwühlen weiß, doch "Bridal Mask" ist zuallererst eine hochgradig koreanische Produktion für ein koreanisches Publikum. 

 

Möglicherweise ist es da auch kein Zufall, dass die Serie im Jahr 2012 im Fernsehen gesendet wurde, als die koreanische Regierung den japanischen Kaiser Akihito erstmals formell um eine Entschuldigung bat...

RANDNOTIZ:

Romantisch geprägter, koreanischer Nationalismus

 

Ob Goryeo oder Joseon, seit die Stämme der Halbinsel unter eine Herrscherdynastie zusammengeführt worden waren, lebte das Volk bis Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend introvertiert und eher abgeschieden vom Rest der Welt. Hier und da mussten die Grenzen zwar stets gegen Invasoren verteidigt oder zurückerobert werden, doch das Volk hielt sich eisern auf der Halbinsel und hat sich eigentlich nicht aktiv mit anderen vermischt. So ist heute oftmals die Rede vom ´reinen ethnischen Blut´, was den Nährboden für eine eher romantisch gefärbte Volksidentität bietet: Ein/e Koreaner*in stammt so gemeinhin direkt von den ursprünglichen Vorfahren der Nation ab - genau genommen von Dangun, dem mythologischen Urvater der koreanischen Ethnie, der seinerseits von einem himmlischen Prinzen und einem irdischen Bären abstammte, der als König des ersten koreanischen Königreichs Gojoseon 2333 vor Christus regierte. Ein/e Südkoreaner*in heute wird sich in der Regel zuerst mit seinen/ihren ethnischen Wurzeln identifizieren und erst dann, irgendwann, als Staatsbürger*in der Republik Korea. (Bezeichnender Weise ist der 3. Oktober, ´Gaecheonjeol´, der Tag der ursprünglichen Reichsgründung - als der Himmel sich öffnete - ein gesetzlicher Feiertag. In Nord- UND Südkorea. Der 17. Juli hingegen, ´Jeheonjeol´ - Tag der Verabschiedung einer demokratischen Verfassung und Begründung der moderner südkoreanischen Republik 1948, ist kein gesetzlicher Feiertag in Südkorea...)

 

Geboren ist diese sehr spezielle, eher romantisch geprägte Volksidentität durch die Entwicklungen, die mit der Bedrohung der eigenen (nationalen) Identität durch die Öffnung des Landes und eine zunehmenden internationalen Präsenz während des ausgehenden 19. Jahrhunderts einher gehen. Auf der einen Seite war die Hoffnung auf florierenden Handel und technische Innovation. Auf der anderen Seite wollten plötzlich neben China, Japan und Russland sogar auch die USA ein Stück vom Kuchen. Alle nutzten die Gunst der Stunde und manches Mal auch die weltpolitisch unerfahrene Naivität Joseons mehr oder weniger offensiv und konsequent aus. Daraufhin formte sich Widerstand und der nationalistische Kampf um die eigene Unabhängigkeit. Es galt, mit allen erdenklichen Mitteln die eigene Autonomie zu wahren und das Herz der koreanischen Kultur vor Über- und Eingriffen fremder Nationen zu schützen. Allem voran richtete sich der Widerstand gegen Japans rigorose Eingriffe, dem koreanischen Volk seine Autonomie, seine Sprache, die eigenen Namen, die Religion und die Würde zu rauben. Japans erklärtes Ziel war es, das koreanische Volk zu diskriminieren und letztlich mit allen Mitteln (...Japan ging schon mit der ´eigenen Zivilbevölkerung nicht zimperlich um und war für seine Brutalität bekannt...) in ein Großkaiserreich Japan zu assimilieren. 

 

Japan hatte damals eine allgegenwärtige, schier übermächtige Präsenz an Militär und Polizei aufgefahren, die mit dem europäischen Imperialismus, wie wir (Europäer*innen, wie ich es bin) ihn kennen, kaum zu vergleichen ist. Es verging wohl kein Tag, an dem die Invasoren nicht mit der Zivilbevölkerung direkten, meist gezielt demütigenden Kontakt hatten. So können 4 traumatische Jahrzehnte schon sehr lange werden...

 

Dieser nationale Frust, Schmerz und Ärger ist bis heute im kollektiven emotionalen Gedächtnis prägend und bekommt mit "Bridal Mask"  ein zeitgemäßes emotionales Ventil im KDrama-Gewand.

 각시탈 - Gaksital
Lit.: Brautmaske

 

2012, 28 Episoden

 

Hauptdarsteller*innen:
-Joo Won
-Jin Se-yeon
-Park Ki-woong
-Han Chae-ah

 

Plot:

Lee Kang-tos Vater hatte sein Vermögen in die Unabhängigkeitsbewegung investiert und wurde schließlich durch die Invasoren ermordet. Sein älterer Bruder und großes Vorbild schaffte es an die Universität, engagierte sich dort jedoch ebenfalls im Widerstand, wurde inhaftiert und leidet bis heute körperlich sowie kognitiv an den Folgen der Folter: Er ist seitdem nicht mehr derselbe, denn aus dem intelligenten jungen Mann war ein debiler Dorftrottel geworden. 

 

Kang-to hat daher genug vom Widerstand gesehen. Er passt sich lieber an, nennt sich fortan Sato Hiroshi und will als solcher Karriere machen - als Polizist. Damit ist er allerdings weder von seinen eigenen Leuten, noch von den Japanern akzeptiert. Egal. Er strengt sich einfach noch etwas mehr an und schafft es sich bei den Kollegen damit zu profilieren, einen gesuchten Offizier der Unabhängigkeitsbewegung zu fassen. Das bringt ihm eine Beförderung ein.

 

Seine Einsätzen werden immer wieder durch einen Kämpfer mit markanter Brautmaske unterminiert. Ihn zu fassen wäre ein weiterer großer Erfolg. Dies gestaltet sich jedoch nicht so einfach. Ganz und gar nicht einfach. Im Gegenteil. Den Gaksital zu fassen bedeutet für ihn zugleich, dass sein Leben aus den Fugen gerät: er wird selbst zum nächsten Träger der Maske und lebt somit ein äußerst kompliziertes Doppelleben. Das wird noch komplizierter als es durch seine berufliche Situation schon ist: Mok-dan, eine junge Frau, die im Zirkus arbeitet, verliebt sich in Gaksital (und er sich in sie). Ihr Vater ist jener hohe Offizier im patriotischen Unabhängigkeitskampf, den Kang-to inhaftierte, und daher hasst Mok-dan  Kang-to... sie weiß ja nicht, dass beide Männer ein und derselbe sind...

 

Kang-tos bester Freund ist Kimura Shunji, der privilegiert Sohn einer angesehenen Samurai Familie, dessen Vater zugleich Kang-tos oberster Chef ist. Shunji gibt sich eher liberal und freundlich. Anstatt zu diskriminieren, unterrichtet er. Seine Liebe ist Mok-dan. Als diese sich jedoch offensichtlich in Gaksital verliebt, ist Schluss mit seinem friedliebenden Lehrerdasein. Er macht nun doch noch seiner Familie alle Ehre und tritt in die Fußstapfen seines Vaters - als Kang-tos Vorgesetzter.

 

Die beiden jungen Männer waren einst wie Brüder, als sie beide noch jeweils ihre eigene familiäre (nationale) Identität leugneten und versuchten ein anderer zu sein: Kang-to als Sato Hiroshi ein besserer, noch gemeinerer Japaner, und Kimura Shunji als mildtätiger Lehrer und liberaler Antirassist. Nun holt sie ihre Vergangenheit ein, denn offenbar können sie ihrer Bestimmung nicht entkommen. Kang-to ist eben zuerst Koreaner, auch wenn er es redlich versucht hatte, zu ignorieren und seiner Umwelt kalt und überheblich zu begegnen. Er lebt nun auch sein Mitgefühl. Sein einst nobler, hilfsbereiter Freund wiederum stellt fest, dass er im Grunde seines Herzens eigentlich gar nicht so nett ist. Er wird zum skrupellosen, rassistischen Sadisten, der nur noch ein Ziel hat: Gaksital vernichten und das Herz seiner Holden (mit aller Gewalt) zurück zu erobern...

Druckversion | Sitemap
© Wörtertanz.com 2021-2024