VOR ORT IM LAND - Erste Etappe Incheon - 3. Tag
Hier zunächst ein paar Gedanken zur südkoreanischen Hochachtung vor der menschlichen Schöpferkraft, die in Paju die Form eines eigenen Stadtviertels angenommen hat - als Bekenntnis einer Nation zu seiner Begeisterung für Kunst und Kultur. Das Südkorea nach 1987 hat als bewussten Gegenentwurf zur Diktatur eine ausgesprochen positive Haltung dazu: Mit neuer, kreativer Energie neue Wege beschreiten. Den Schmodder und Schmerz der Vergangenheit hinter sich lassen.
Und den Worten folgen tatsächlich Taten: die gezielte Förderung, Präsenz und Integration der Kreativwirtschaft in alltäglichen Angelegenheiten sowie in solchen mit weitreichendem Planungshorizont. Das wird uns auf dieser Reise in Variation wie ein Leitmotiv wohl immer wieder begegnen. Inzwischen hat das, wie ich meine, zu einem wunderbaren Nebeneffekt geführt: einer Welle. Dazu weiter unten.
Es folgen schließlich noch Impressionen zu einigen konkreten Adressen für Kunst und Kultur, die wir im Heyri Art Valley gestreift haben.
Übersicht:
Was fürs Buch gilt...
Kultiviertheit ist für Korea ein hervorstechendes Charakteristikum. Manches mag vielleicht in den menschlichen Beziehungen (kulturbedingt) in Bezug auf die eigene Befindlichkeiten ungesagt bleiben, doch der kreative Ausdruck über Literatur, Lyrik, Musik (auch klassische!), Theater, Kunst und Kunsthandwerk, wird generell hoch geschätzt. Seit Jahrhunderten. Die Kunst wird gleichsam zum psychischen Ventil. Die Kreativwirtschaft treibt die Menschen voran. In Südkorea vielleicht sogar mehr als anderswo, da dies sowohl gesellschaftlich einen hohen Stellenwert hat, als auch politisch strukturell gewollt ist. (In der süddeutschen Stadt, aus der wir drei angereist sind, klafft das ´gesellschaftlich geschätzt´ und ´politisch gewollt´ hingegen leider sehr weit auseinander... Die letzte Bürgermeisterin vertrat hier ausdrücklich die Position eines berühmten Mannes: wer Visionen habe, solle einen Arzt aufsuchen... derart uninspiriert geht es in unserer Stadt dementsprechend leider nur sehr träge voran...anders hier in Paju, in Südkorea!)
Das Heyri Art Valley ist ein eindrucksvolles Bekenntnis der Hochachtung vor den Kunstschaffenden und Ausdruck eines kollektiven Wollens, Künstler*innen Raum zu geben: Heyri Art Valley ist heute die Adresse der größten Künstlergemeinde in Südkorea. Auf knapp 500.000 m² wurde ein einzigartiges Konglomerat aus Einrichtungen konzentriert, die im Umfeld der Kulturschaffenden angesiedelt sind: Von Werkstätten über Ausstellungen, Galerien und Shops, bis hin zu Theatern (z.B. das Heyri Theatre, das auch Übernachtungsmöglichkeiten für die Darstellenden Künstler*innen bietet. Damit ist das Heyri Theater multifunktional als Theater und Boutique Hotel konzipiert), Konzerthallen und einer Fülle an Museen. Hinzu kommen Gastronomie und Wohnateliers für die Künstler*innen. Die ursprüngliche Idee stammt aus dem Jahr 1997. Darauf folgte die konkrete Planung mit Nutzerbeteiligung. 380 Kulturschaffende brachten ihre Ideen ein. Nationale und internationale Architekturbüros setzten diese anschließend innerhalb eines auch landschaftlich durchdacht konzipierten Rahmenplans um.
Heyri Art Valley ist nicht das erste und auch nicht das einzige Bekenntnis dieser Nation zu seiner Begeisterung für Kunst und Kultur. In Südkorea hat diese ausgesprochen positive Haltung dazu und die gezielte Förderung der Kreativwirtschaft zu einem Nebeneffekt geführt, der sich gerade dieser Tage verselbstständigt. Man/frau mag über vieles den Kopf schütteln, was durch die streambaren koreanischen Serien in HD und SD bei z.B. einem deutschen Publikum ankommt. Manches mutet verstaubt an, vieles an den Umgangsformen ist ´alte´ Energie eines vergangenen Jahrtausends, doch dahinter brodelt die NEUE Energie, die progressiv, mit sanfter Wucht Menschen in allen Ländern dieser Erde erreicht. Das ist ein Phänomen.
Das ist, meine ich, das wahre K-Phänomen: das wertgeschätzte Kreative Moment als treibende Kraft, die aus vielen Tropfen eine Welle formte, die im eigenen Land begann, über die Grenzen hinweg Asien durchdrang und schließlich den Rest der Welt erreicht. Die Kraft, die dieser Welle zu Grunde liegt, hält die menschliche Schöpferkraft hoch. Damit singt sie - ganz gleich, was die einzelnen Werke in KPop, KDrama, KMovie, KFashion, KBeauty, KLit, etc. inhaltlich und wirtschaftlich wert sein mögen - stets unbewusst ein Hohelied auf den Bliss, das Ananda, den Duende im kreativen Tun, auf die Hingabe an das kreative Werk.
Das inspiriert. Und so ist ein Kreislauf in Gang gesetzt, weltweit, der diesem Planeten sicherlich nicht schadet. Lebendige Schöpferkraft macht jedes Leben lebenswert.
Meins. Deins. Und das aller anderen ebenfalls.