Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

KDrama nach Themen: Mehr Drama geht immer

Sad Love Story

"Sad Love Story" markiert mit den Beginn der Erfolgswelle, die das KDrama in den letzten zwei Jahrzehnten weit über die südkoreanische Halbinsel getragen hat. Es beherrscht die Kunst, Drama auf eine Art und Weise zu erzählen, die das Herz ergreift und bis zum Ende nicht loslässt - auch wenn einiges insgesamt vorhersehbar ist und Klichees nicht ausbleiben, so ist doch der Weg das Ziel. Man/frau ist stets dicht dran an den Emotionen der Protagonist*innen und die bewegen sich hemmungslos in allen Höhen und Tiefen. Mehr Drama geht immer. Ja, es ist sentimental. Ja, es will emotionale Intensität. Ja, es ist eine Love Story.

 

"Sad Love Story" ist eine Love Story durch und durch. Berührend in alle möglichen Richtungen. ´Sad´ auch. Zwischen ´glückselig´ und ´verzweifelt´ navigiert die Geschichte in einem faszinierenden Spannungsfeld und nimmt die Zuschauer*innen dabei unerbittlich mit. "Sad Love Story" ist zugleich eine Studie darüber, wie oftmals vermeintlich kleine Eingriffe (eigentlich eher Übergriffe) - mal fies und egoistisch motiviert, mal hehr und wohlmeinend - ein (oder mehrere) Leben gnadenlos ins Unglück stoßen können. Es ist erstaunlich (und Mut machend), welchem Ausmaß an Schmerz und Leid Menschen trotzen können. Diese Geschichte ist fiktiv, aber die Realität ist voll davon in allerlei Variation.

 

Unter anderem ist man/frau bei diesem KDrama zur Abwechslung mit den USA konfrontiert - aus südkoreanischer Perspektive. Das ist ganz interessant. In Bezug auf ´Unterwegs im Koreanischen´ bietet "Sad Love Story" dabei eine ganz eigene Tönung mit Blick auf ein Stück gelebtes, seltener gesehenes (oder gezeigtes) Leben auf der Halbinsel. Eine Realität, die man/frau im 21. Jahrhundert vielleicht gerne vergisst. Das haben Südkoreaner*innen und Deutsche wohl gemeinsam: die Präsenz ausländischer Militärs. Seit dem Koreakrieg 1950-1953 betreiben die USA als Alliierte bis heute verschiedene militärische Stützpunkte in Südkorea, um das Land im Falle einer militärischen Bedrohung durch Nordkorea mit zu verteidigen. Nach Japan und Deutschland zeigen die USA mit ihren in Südkorea stationierten Truppen ihre stärkste militärische Präsenz. Camp Humphreys südlich von Seoul ist die größte Einheit mit in Übersee stationierten US-Militärs. Hinzu kommen einige mehr, darunter etwa die Army Garrison Yongsan in Seoul, Camp Walker in Daegu, Fleet Activities Chinhae der United States Navy nahe Busan, sowie zwei Air Force Stationen in Osan und Gunsan südlich von Seoul.

 

 

Randnotiz: "American Towns"

"Sad Love Story" rückt Gunsan mit seiner "America Town" oder "A-Town" in den Fokus der Geschichte. Die Air Force Station an der Westküste ist eher klein, doch die Stationierung der US Soldaten sorgte dafür, dass sich dort eine auf deren spezifische Bedürfnisse ausgerichtete Unterhaltungs-Kultur etabliert hat. "A-Town" in Gunsan ist nicht die einzige, dieser Art. Im Umfeld all dieser US-Stationierungen florierten sie seit den 1950er Jahren. Das heute angesagte Itaewon mit seinem berühmten Rotlichtviertel "Hooker Hill" in Seoul beispielsweise geht auf diese "A-Town"-Kultur zurück, die sich auf die Unterhaltung der amerikanischen GIs spezialisiert hat. Bars, Restaurants, Geschäfte, Dienstleistungen. Besonders lukrativ: Bordelle... Auch auf die GI-Unterhaltungskultur in den größeren Städten nimmt das KDrama im Verlauf Bezug. Und schließlich ebenfalls auf die etwas ´andere´ Realität hinter den schillernden GI-Helden in Uniform, die dann ´zu Hause´ in den USA so manches Mal recht ernüchternd in Erscheinung tritt...

Die "A-Town" in Südkorea ist eine zwischen den USA und Südkorea abgestimmte, vertraglich regulierte, gesellschaftliche Randzone - eine Zwischenwelt, in der eigene Gesetze gelten. Auch räumlich gesehen liegt sie zwischen dem eigentlichen Wohngebiet (etwa der Stadt Gunsan) und der Air Base. Die "A-Town" ist ausgewiesen als eigenständiges Gebiet mit speziellen "touristischen Einrichtungen". Sie besteht aus einem Cluster aus Bars, Geschäften, Restaurants und ein paar hundert kleinen Wohnhäusern, die jeweils aus einem Raum, Kitchenette und Toilette bestanden. Hierin lebten die Prostituierten, Bardamen, Sängerinnen...

 

 

So auch in "Sad Love Story", denn die Mutter des Protagonisten leitet eine Bar mit wahlweise speziellen zusätzlichen Dienstleistungen, die Tante der Protagonistin wiederum ist Sängerin in dieser Bar. Zusammen mit weiteren Angestellten leben sie in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander und bilden gleichsam eine Art Lebensgemeinschaft. Die "A-Town" bildet das Setting, in dem die meisten Figuren in diesem KDrama aufwachsen oder leben. Sie ist eine eigene kleine Welt. Sie ist zugleich existenzielle Grundlage, Fußfessel, Makel und treibende Kraft, ausbrechen zu wollen. Sie ist außerdem Ort des größten Glücks und Quelle der Inspiration für die beiden Protagonist*innen.

 

Wer diese Serie schaut, sollte das ein oder andere Taschentuch greifbar haben. Kwon Sang-woo knüpft gewissermaßen unmittelbar an seine Rolle in "Stairway to Heaven" an. Kim Hee-sun brilliert hier als stoisch genügsame und in ihrer Behinderung ihrer Umwelt oftmals hilflos ausgelieferte Blinde. Das Schicksalsrad hat mit den beiden in Liebe verbundenen, sich gegenseitig ermutigenden und einander kraftspendenden Seelen einiges vor. Das Rad dreht sich und dreht sich und dreht sich... 

 

So manches KDrama habe ich vergleichsweise schnell wieder vergessen. Von jenen hier gelisteten KDramas früherer Produktionen der Sorte "Mehr Drama geht immer" jedoch kein einziges. Sie sind aufgrund ihrer emotionalen Intensität so präsent als hätte ich sie eben erst gesehen. Ein KDrama der Marke "Mehr Drama geht immer" erzeugt einen Seinszustand, den man/frau nicht wirklich verlassen möchte - auch (oder gerade weil) er sich konsequent in diesem charakteristischen Wohl-Weh-Spannungsfeld hält. Der Soundtrack fängt diesen Zustand gekonnt auf und wird nicht müde, seine Leitmotive als Taktgeber einzuwerfen. "Sad Love Story" mag ´alt´ sein, auch in Format und Style outdated, doch zugleich ist die Serie zeitlos. In ihrer emotional gnadenlos aufwühlenden Mischung aus Love Story und Makjang eines mehrerer Meistertücke in ihrer ureigenen Art. 

 

Allerdings muss man/frau das mögen. Auch das wiederholte draufhalten auf die emotionalen Schlüsselszenen. Da ist das Thema an sich schon längst erzählt, doch damit es auch gefühlsmäßig bei den Zuschauer*innen ankommt, bleibt die Einstellung noch etwas länger. Nicht von außen zuschauen, sondern reinlassen und mitfühlen ist angesagt. 

 

Außerdem ist anzumerken: Die Vermischung mit den US-Militärs und den Szenen in den USA erforderte eine vergleichsweise rege Beteiligung amerikanischer Schauspieler*innen. Jene, die (für eine unaufwendige, reibungslose Organisation am Set) zugleich koreanisch sprechen, sind wohl eher selten und davon dann auch nur allzu wenige wirklich talentiert im Schauspiel. Diesbezüglich bricht die Produktion in ihrer schauspielerischen Qualität stellenweise zwangsläufig leider etwas ein. 

 

Und zu guter Letzt: Generell merkt man in der eher Soap-like und noch nicht (wie heute meist) cineastischen Produktionsweise dann doch, dass die Serie aus den frühen Stunden der KWave stammt. Wer durch Netflix-(Co-)Produktionen der letzten ca. 6 Jahre verwöhnt ist, kann sich an dem einen oder anderen Detail sowie der Fülle an Folgen (beziehungsweise immer weiterer emotionaler Loopings) durchaus aufhalten. Jenen würde ich dieses KDrama nicht empfehlen. "Sad Love Story" ist eher für Liebhaber emotional gnadenloser Makjang-Love-Stories in langsamer Taktung, mit Herzschmerz sowie geballter Faust in der Tasche (und auch mal im Gesicht).

슬픈연가 - Seulpeun Yeon-ga

Lit. Trauriges Liebeslied

 

2005, 20 Episoden

 

Hauptdarsteller*innen:
-Kwon Sang-woo
-Kim Hee-sun
-Yeon Jung-hoon

 

Plot:

Jon-youngs Mutter leitet einen Nachtclub in der "American Town" nahe eines US-Stützpunkts an der südkoreanischen Westküste. Dafür wird er von seinen Mitschülern abfällig behandelt und ausgegrenzt. Nachdem die blinde Hye-in mit ihrer Tante, der neuen Club-Sängerin, als Nachbarn einziehen, entwickelt sich zwischen den beiden Kindern eine Seelenbindung, die mehr als Freundschaft ist. Die beiden haben aufeinander eine zutiefst nachhaltig inspirierende Wirkung. Nähe, Vertrauen, Wärme, Liebe sind keine Fremdworte mehr. In ihrem Versteck am Strand verbringen die beiden viel Zeit und werden zusammen älter. Ein Leben getrennt voneinander können sie sich nicht vorstellen.

 

Es könnte immer so weiter gehen - wenn die anderen nicht wären. Die beiden unschuldig Liebenden werden auseinandergerissen. Das geht schließlich so weit, dass Hye-in mit ihrer Tante, die einen GI heiratet, in die USA geht. Dort wurde ihr eine Augen-OP versprochen. Die erhält sie schließlich auch, doch nicht etwa, wie versprochen, durch ihren Onkel...

 

... und das Schicksal hält noch eine weitere Herausforderung für das gepeinigte Herz bereit: Mit neuem Augenlicht und frisch verlobt mit Jon-youngs Kumpel aus Jaebeol Kreisen kehrt Hye-in als Sängerin nach Südkorea zurück ... und erkennt die Liebe ihres Lebens, den inzwischen ebenfalls im Musikgeschäft unter anderem Namen etablierten Jon-young, nicht. Sie hatte ihn zuvor ja nie ´gesehen´. Zudem geht sie mittlerweile davon aus, dass er längst verstorben ist...

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