Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

VOR ORT IM LAND - Dritte Etappe Busan - 9. Tag

Gyeongju 

Wir verlassen die Stadt Busan Richtung Nordosten. Dabei starten wir meditativ mit einem Buddhistischen Tempel in den Bergen und schütteln dort erst mal die urbanen Energien von uns ab. Daraufhin begeben wir uns auf eine Zeitreise ins Silla Reich aus längst vergangenen Tagen - in die ländliche Stadt Gyeongju. 

Unsere Themen heute:

  • KULTUR: Seokbulsa Tempel
     
  • GESCHICHTE: Zeitreise ins Königreich Silla - Gyeongju
     
  • LIFESTYLE: Café im Selfie-Fieber

Als meditativen Starter:  Seokbulsa Tempel

In Busans Berglandschaft zwischen Geumjeongsan und Baegyangsan befindet sich der in Fels gebaute Seokbulsa Tempel. Heute in Wolken. Immer noch strömen Wasserbäche über die Straße den steilen Hang hinunter. Wasserrauschen, der Kuckuck (unser treuer Gefährte) und jede Menge Krähen begleiten uns auf unserem Marsch den Berg hinauf.

 

800 m können ganz schön lang sein...

 

Uns begegnen vereinzelt Damen und Herren, eine darunter auch barfuß. Allerdings präsentiert sich uns der Tempel heute Vormittag nicht als Touristen-Hotspot. Wie schön!

 

Bei klarem Wetter, soviel steht fest, hätten wir von hier aus eine tolle Aussicht. Aber ohne hat das fast noch mehr Charme. Das Licht ist weich, die Luft lau, die Stimmung extrem friedlich. Wir genießen den Aufstieg und nehmen das stellenweise recht steile Gefälle des Weges dann doch gerne auf uns.

 

1930 schuf ein Mönch die 29 zum Teil 20-40 m hohen, in Stein gehauenen Buddha-Figuren und gründete hier einen Ableger des Beomeosa Tempels. Damit kreierte er eine einzigartige Tempelatmosphäre sowie faszinierende buddhistische Kunst, die ihresgleichen sucht. Zu den Highlights zählen der elfköpfige Avalokitesvara Bodhisattva am Eingang und des sitzende Maitreya Buddha, der über allem ruht.

 

Meditativ war es in der Tat. Und wunderschön. Unvergesslich. Ein besonderer Ort.

 

Die wenigen Menschen, die hier heute Vormittag heraufspazieren, kommen im Wesentlichen (mit wenigen Ausnahmen) zum Beten her. Ein Mönch rezitiert in einer der Gebetskammern ganz oben ein Sutra. Es liegt ein gewisser Zauber über dem schmalen, hochaufragenden Felsheiligtum. Frieden.

Gyeongju 

Zeitreise ins weltoffene Silla Königreich

Open Air Museum Gyeongju

 

Die Stadt Gyeongju im Südosten Südkoreas zeugt bis heute von der Blüte und hohen Kultur des Silla Reichs (57 v. Chr. - 935 n. Chr.), das einst die drei Reiche einte. Kaum eine Dynastie dieser Erde hielt sich ein Jahrtausend, und keine davon hatte ihren Sitz über diese lange Zeit an einem Ort. Silla schon. Heute hat die ehemalige Sillahauptstadt ca. 250.000 Einwohner*innen. Damals wurde sie Seorabeol genannt. Dies bedeutet( wie heute Seoul) einfach ´Hauptstadt´. Seinerzeit lebten hier in ihren Hoch-Zeiten rund 180.000 Menschen. (Damit kann es locker mit Konstantinopel, Bagdad und Changan mithalten). Im Gesamten Silla Reich sollen es rund 1 Million Menschen gewesen sein. 

 

Auffällig erscheint uns, abgesehen von den grünen Grabhügeln überall verteilt in der Stadt, dass es in Gyeongju keine der üblichen Wohnhochhäuser gibt. Apate-Wohnsiedlungen sind hier nicht zugelassen, um den Flair von Silla möglichst zu wahren. 

Namsan, der Berg im Süden Gyeongjus, erstreckt sich auf 10 km und ist bis zu 494 m hoch. Hierin liegen Hunderte buddhistische Kulturgüter verstreut. Nicht nur Tempel, auch einfach Steinpagoden oder Sockel in Lotusform, Buddha-Figuren in Felsen gemeißelt uvm.  Wir könnten hier diesbezüglich auch ein paar Tage umherwandernd und entdeckend verbringen.

54 Könige und 2 Königinnen

Die Liste der Tempel ist bis heute lang. Fast ein Jahrtausend beherrschten hier 54 Könige und 2 Königinnen (!) das Silla Reich und brachten einen reichen Fundus an Kultur auf die Halbinsel. Bis heute ist diese vergangene Kultur in Form von Freiluftmuseen in den modernen Lebensalltag integriert. Eine starke Leistung, das kulturelle Erbe (UNESCO Weltkulturerbe) so vital zu erhalten.

Die hier gebotene, hochkonzentrierte Infusion an historischen Zeugnissen der vergangenen Kultur umfasst Buddhistische Kunst (Skulpturen, Steinreliefs, Pagoden,) sowie Tempel- und Palastüberreste - insbesondere aus der Zeit der letzten 3 Jahrhunderte, in denen der künstlerische Ausdruck einen massiven Impuls durch die Regentinnenschaft der Königin Seondeok (siehe Review zum gleichnamigen KDrama) erhalten hatte.

 

Im Gegensatz zum eher introvertierten Joseon war das Silla Reich jener Zeit weltoffen und umarmte die internationale Kultur, Wissenschaft und Künste aktiv, die das Volk in China, Japan, in den islamischen Ländern und sogar West Afrika über ihre Handelsbeziehungen kennenlernen konnte. Der Berg Nam beherbergt einiges an Buddhistischer Kunst. Mit der Myeonghwal Festungsanlage und den Grabhügeln, den Ruinen des Hwangnyongsa Tempels und der Bergfestung sind es 5 Zentren für die 52 UNESCO gelisteten Weltkulturerbe Zeugnisse. Indoor gibt es zudem im Gyeongju National Museum weitere gesammelte, reich in Gold gestaltet und verzierte Exponate sowie Hintergrundinformation zur Silla Kultur. Doch es ist noch lange nicht alles ausgegraben, was unter der Erde an Zeugnissen schlummern mag.

Stadtplanung, Mondpalast, Tumuli, Tempel

Stadtplanung

 

Die Stadt wurde sorgfältig geplant, ihre Struktur ist fein durchdacht und auf einem quadratischen Raster aufgebaut. 15m breite (heute wären es vierspurige) Straßen säumten die Baulinien, die für Gefährte und Fußgänger getrennt waren. Es gab ein Abwassersystem und Holzkohleheizung. Nicht nur die Adelshäuser und der Palast müssen opulent luxuriös gewesen sein, auch die Stadt der einfachen Menschen war relativ sauber, prosperierend, strahlend. Die Stadt trug wohl aus gutem Grund auch den Namen Geumseong (Goldfestung). 

 

(Auf der Abbildung: Im Vordergrund die Palast- und Tempelanlagen, dahinter die Siedlung der einfachen Bevölkerung.)

 

Tempel Hwangnyongsa mitten in der Stadt

Der Tempel in der Stadtmitte wurde als Symbol nationaler Stärke ab 553 - 754 gebaut. Hwangnyongsa bedeutet Tempel des königlichen Drachen. Er war der stattlichste Tempel und wurde leider schon 1238 durch die Mongolen niedergebrannt. Zahlreiche Relikte blieben erhalten und 40.000 wurden durch archäologische Grabungen zu Tage gefördert. Doch die sagenhafte, fast 4 m hohe Glocke gibt es nicht mehr. Auch nicht die 80 m (!) hohe Steinpagode (heute wäre das ein 20 geschossiges Hochhaus) oder die 5 m (!) hohe goldene Buddha Statue. Dennoch liefern Texte und archäologische Erkenntnissen eine Idee, wie das in etwa war...

Tumuli

Rund 150 (!) bis zu 23 m hohe Grabhügel von König*innen und Adligen verteilen sich in der Stadt.

Die archäologischen Funde aus dem Inneren sind im Museum zu besichtigen. Darunter gab es auch außergewöhnliche Goldfunde. Je nach Status in der Gesellschaft waren die Hügel höher und die Grabbeigaben stattlicher. 

 

Übrigens...

...ist es schon ein Phänomen (und hat vielleicht doch etwas mit dem koreanischen Feng Shui  zu tun), dass KEINES der (Königs-)Gräber auf der Halbinsel, ganz gleich aus welcher Ära, geplündert oder zerstört wurde.

Mondpalast

Die früheren Paläste sind nicht bekannt, doch die beiden neueren sind der befestigte Mondpalast und der Palast des Kronprinzen bzw. Imhaejeon (Pavilion am Teich). Am  halbmondförmigen Königspalast wird derzeit ausgegraben.

 

Die Mond-Befestigung umgab den Hauptpalast und seine Höfe. Steinmauern gegen Norden und natürliche Formationen aus Fels und Fluss im Süden dienten als natürlicher Schutz. Das Osttor führte zum Palast des Kronprinzen mit dem Donggung Palast und Wolji Teich. Dort wurden üppige Gelage gefeiert. (Drei unter vielen Bauten wurden originalgetreu wieder aufgebaut und in einen Ausschnitt der historischen Parkanlage eingebettet. Die Landschaftsarchitektur der Zeit war wohl schon außerordentlich und setzt die Palastbauten beim Flanieren immer wieder raffiniert in Szene.) Darüber hinaus gibt es neuere Funde, die zeigen, dass dies längst noch nicht alles war. Die Forschung ist am Anfang... 

Die älteste Sternwarte

Wissenschaft und Riten Hand in Hand:
Cheomseongdae Sternwarte

 

Sie  mag nicht so spektakulär aussehen, doch sie ist einzigartig in ihrer Art. Gleich um die Ecke vom Grabhügel der Königin Seondeol befindet sich die älteste Sternwarte Ostasiens. Das Cheomseongdae-Observatorium steht auf offenem Feld inmitten von Gyeongju. Die Bauweise ist einzigartig.

 

Das Cheomseongdae geht unmittelbar auf Königin Seondeok (632 - 647). Wohl diente Cheomseongdae der Astronomie und den Wettervorhersagen, doch ebenso für astrologische und auch rituelle Zwecke.

 

Auf quadratischem Grundriss erhebt sich der Körper in Zylinderform. Manche assoziieren mit dem Zylinder den Berg Sumeru und vermuten, dass eine Buddha Statue den Abschluss bildete. Jede Lage setzt sich aus 12 Steinen für jeden Monat zusammen. 29 solcher Lagen wurden für jeden Tag des Monats (29,5 im Lunaren Kalender) übereinander geschichtet. Demnach wurde die 9,4 m hohe Sternwarte mit 366 Steinen gebaut. Zuoberst schließt ein Quadrat in der Gestalt eines Brunnens ab - für Silla das Symbol von Göttlichkeit, Ursprung und Wohlstand. Die Öffnung an der Südwand war möglicherweise der (wenn auch recht kleine) Eingang. Bis dahin war der Turm mit Erde gefüllt. Von dort ging es nach dieser Theorie innen wohl per Leiter weiter nach oben bis auf die obere Plattform für die Beobachtungen.

Lifestyle

 

Gyeongju versprüht sein ganz eigenes Flair. Das liegt am Freiluftmuseum, doch auch daran, dass hier die üblichen Apate (Hochhaus-Wohnkomplexe) nicht gebaut werden dürfen, die ansonsten die Städten auf den ersten Blick etwas austauschbar machen. Beides zusammen funktioniert hervorragend. Zudem liefert Gyeongju eine ganz eigene Gyeongju-Gartenschau. Unterm Strich: eine faszinierende Stadt, bis heute.

 

Unser Café war in ein Hanok alten Stils integriert. Hier konnten wir nicht nur Kaffee Latte und Grüntee trinken sowie Eis essen, sondern auch munter Beobachtungsstudien treiben.  Es gab keine Besucher*innen, die sich nicht früher oder später im Selfie ablichten wollten oder von ihren Begleiter*innen abgelichtet wurden. In Pose. Davor noch im Spiegel zurecht gezupft, Make up neu aufgelegt, mit Lockenwicklern das Pony aufgefrischt usw. Das war schon zum Lachen. So sehr, dass Eonni es nicht lassen konnte, selbst auch zu posieren - auf ihre Art: ihre Barfußschuhe Influencerinnen-like promotend...

Kulinarisches Fazit

 

Als Snack für unterwegs gab es rote Bohnen Paste als feine Gebäckfüllung. Das klingt vielleicht strange, ist jedoch erstaunlich lecker. Nicht zu süß, nicht zu fettig, jedoch subtil würzig und schmackhaft. 

 

Da ich beim überbackenen Sandwich dankend abgewunken hatte, nötigte mich Eonni, einen Bagel in einem netten Bagel-Café zu essen. "Willst du nicht einen Bagel? Du willst doch bestimmt einen Bagel. Du hast doch jetzt bestimmt Hunger. Ich denke die haben tolle Bagels. Wir könnten dann ja auch mal probieren von diesem Bagel. Also ich glaube die Bagles, die die haben, sind super".... Ich ließ mich überzeugen. Bagel mit schwarzen Oliven. Zwar alles andere als koreanisch, aber in der Tat lecker. Und die beiden kamen auch noch in den Genuss :-) (Ich hatte wirklich Hunger. Eonni kennt mich einfach gut...)

 

Zum Abendessen gab es dann Bibimbap (diverses Gemüse, separat wahlweise gebraten/gedünstet, Spiegelei und Chilipaste - das alles unmittelbar vor dem ersten Bissen vermengt) mit Suppe - im Restaurant in unserer Straße, in dem die Taxifahrer bevorzugt essen gehen. Das war unser Qualitätsmerkmal, denn offenbar (so ein heißer Tipp) gehen die Taxifahrer (wir haben im Land bislang noch keine Frauen im Taxi fahren gesehen) dorthin, wo es lecker, authentisch und dennoch günstig ist. In der Tat. Wir waren alle drei begeistert.

 

Eonni und Joka holten sich dann noch ein Eis bei unserem netten Nachbarn um die Ecke. Der vermengt und zerkleinert Banane, einen schwarzen Keks (Orion) und Sahne im rasanten Tempo auf eiskalter Platte, streicht die süße Masse hauchdünn aus, bis sie geforen ist, schabt sie dann wieder als Röllchen ab. Das schmeckt laut Joka und Eonni super lecker. Sie bereuen, dass sie sich das nicht schon an den Tagen zuvor gegönnt hatten... 

 

(Wir werden unser Gukje Marktviertel vermissen...)

Eonni hat das letzte Wort

 

Bei der Auwahl der Lokale: Eonni fragen!

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