KDrama nach Themen: Crime & Politics
Die Demokratie Südkoreas ist defacto noch jung - auch wenn die Republik schon rund 70 Jahre besteht. Die Erfahrung von starker Autorität ist allgegenwärtig. Sie wird nur langsam in den vergangenen Jahren durch Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und Partizipation abgelöst. Das Pflänzchen ist noch zart und schwach im Angesicht immer noch bestehender Machtstrukturen im Schatten der offiziellen Entscheidungsträger.
Ein stetiges Damoklesschwert stellt bis heute der ungelöste Konflikt mit Nordkorea dar. In Wellen wird mal mehr, mal weniger über Familien-Zusammenführung oder gar Friedensabkommen diskutiert und verhandelt. Und bis heute mischen die USA mit, wenn es um Fragen südkoreanischer Politik geht. Die Militärdiktatur wurde offenen Auges von den USA toleriert und mitgetragen - und die Macht des Militärs ist bis heute stark. Selbst 2019 noch - dies führt "Designated Survivor, 60 Days" anschaulich vor.
Die Rolle der USA für Südkorea mag sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt haben - vom Missionar, zum Befreier, zum Treuhänder, zum Beschützer, zum Besatzer, zum Verbündeten der südkoreanischen Demokratie. Im Mittelpunkt des US Interesses steht dabei neben wirtschaftlichen Interessen primär die Sicherheit im Indo-Pazifik. Dazu pflegen die USA aktiv bilaterale Bündnisse mit Japan und Südkorea. 2019 ist eine Übereinkunft über die Finanzierung für die Stationierung der heute rund 28.500 in Südkorea stationierten US-Soldaten ausgelaufen. (Zum Vergleich in Deutschland sind es heute ca. 33.000). Die Verhandlungen im Vorfeld über ein neues Abkommen verliefen äußerst schwierig, denn die USA unter Trump gebärdeten sich einerseits entsprechend unsensibel und Südkorea gewinnt andererseits zunehmend an Selbstbewusstsein im Auftreten gegenüber den USA ... und wagt es schon mal, die Stirn zu bieten.
Für mich waren die weltpolitischen Zusammenhänge, die in und um (Nord- und Süd-)Korea bis heute ausgetragen werden, das fragile Gleichgewicht im Indo-Pazifik und die gefürchtete innenpolitische Präsenz des Militärs in Südkorea bis dahin nicht wirklich bewusst. Vage vielleicht, im Nebel das ein oder andere... doch das KDrama jonglierte mit allerlei Themen, die bei mir einige Fragen aufgeworfen haben. Die geopolitische Wissenslücke erwies sich als unerfreulich groß.
Selbst wenn das jemand nicht weiter interessieren mag, ist dieses KDrama explosiv spannungsgeladen. Dazu tragen auch die Ermittlungen rund um Han Na-kyung, die Terror Task Force Analystin des NIS, bei. Und wieder einmal punktet das KDrama mit seinem liebevoll inszenierten Lokalkolorit (in diesem Fall rund um das Blaue Haus) - durch die galant humorvollen Beziehungsdynamiken der Charaktere des Stabteams untereinander und der Parteivorsitzenden. Diesen unverwechselbaren Charme hat das südkoreanische Remake der originalen US-Produktion eindeutig voraus.
Ansonsten erinnert zwar vieles an das Original, wird aber unter originär südkoreanischer Schablone packend neu erzählt. Mit seinen unorthodoxen politischen Lösungen wird Park Mu-jins Interim-Präsidentschaft gleichsam zum Vorbild, wie Politik gehen könnte. Authentizität bildet dabei das Fundament. Und gerade diese Authentizität ist möglicherweise ein zentraler Wert, den die südkoreanische Gesellschaft in den letzten Jahren neu in ihren Wertekanon zu integrieren versucht. In den neueren Drama-Produktionen begegnet mir das immer wieder. "Designated Survivor, 60 Days" geht dabei beherzt als Vorbild voran. Ich vergebe dafür das Prädikat "Besonders wertvoll!"
60일, 지정생존자 - 60Il, Jijeongsaengjonja
Lit.: 60Tage, ernannter Überlebender
2019, 16 Folgen
Hauptdarsteller*innen:
-Ji Jin-hee
-Lee Joon-hyuk
-Heo Joon-ho
-Kang Han-na
-Bae Jong-ok
Plot:
Park Mu-jin ist Südkoreanischer Umweltminister. Ihm liegt die Umwelt und ihr Schutz am Herzen, aber Politik ist eigentlich nicht seine Welt. So sorgt er bei einem diplomatischen Treffen mit den USA, in dem es um Freihandelsabkommen geht, mit seinem (unerwünschten) Beitrag über die Umweltverschmutzung der importierten amerikanischen Pkws für einen Eklat, der zu seiner Entlassung führt. Aus diesem Grund nimmt er nicht weiter an der Nationalversammlung teil. Dort wiederum will der Präsident just über ein neues Friedensabkommen mit Nordkorea sprechen. Dazu kommt es allerdings nicht, denn das Gebäude explodiert und alle politisch relevanten Personen des Landes sterben - bis auf Park Mu-jin. Da seine Entlassung noch nicht offiziell erfolgt ist, wird er als letzter Überlebender übergangsweise als Präsident ernannt, der das Land zu Neuwahlen führen soll. Parallel laufen die Ermittlungen zu diesem Terroranschlag auf Hochtouren.
Fortan lernt man den Stab des Präsidenten und die Abläufe im Blauen Haus kennen. Dabei hat der Interims-Präsident einen schweren Stand. Zum Einen ist er ein absolutes Greenhorn in Sachen (Welt-)Politik und Ablauf-Protokolle sowie auch selbst bezüglich seiner Eignung für den Job nicht überzeugt, zum Anderen lauern so manche bereits auf das Machtvakuum. Da gibt es die Parteien, die sich auf die vorgezogenen Wahlen vorbereiten, da gibt es das Militär, das ja nicht zum ersten Mal in der südkoreanischen Geschichte mit der Führung des Landes liebäugeln mag, und dann sind die Loyalitäten im Umfeld des Blauen Hauses nicht ganz transparent.
Damit nicht genug. Die Ermittlungen zum Terroranschlag bringen tatsächlich einen Überlebenden zu Tage. Die Weltpolitik steht nicht still, die Ereignisse verlangen präsidiale Entscheidungen. Auch birgt die Familiensituation von Park Mu-jin ein "Geheimnis", das natürlich im Scheinwerferlicht seiner neuen Position zu einem nationalen Interesse werden kann... Und in "null-komma-nichts" ist der neue Präsident in seine neue Position hineinkatapultiert. Sie lässt ihm keine Zeit zum Überlegen, so dass er nur auf das zurückgreifen kann, was ihn ausmacht und wo er herkommt: Er muss sich darauf besinnen, wer er ist, auf seine authentische Art. Und das kann manch eingefleischte Politiker*in oder Stabsmitarbeiter*in an die Grenzen bringen.
Obendrein sorgen die Erkenntnisse des Ermittlungsteams für allerlei Fragezeichen, wer hinter dem Terroranschlag WIRKLICH steckt. Auch für dieses KDrama gilt: Mehr Drama geht immer. Es bleibt bis zum Schluss spannend, so viel kann ich mit Sicherheit garantieren.