Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen

Gesundheitssystem

Krankenhaus und Ärztemilieu - aber weniger klassische Arztserie

Das Gesundheitssystem in Südkorea bietet zu vergleichsweise niedrigen Kosten ein relativ hohes Niveau an medizinischer Versorgung und setzt auf eine hohe Leistungsfähigkeit. Es gibt gemäß OECD doppelt so viele Krankenhausbetten pro Kopf als zum Beispiel in Deutschland. Dafür ist die Zahl der Ärzt*innen im Vergleich geringer. Allerdings konzentrieren sich diese auf die Krankenhäuser. Arbeit in eigener Praxis ist nicht üblich. Dies bedeutet, dass man auch für die Behandlung einer Erkältung in das Krankenhaus geht. Krankenpfleger*innen im Krankenhaus wiederum stehen primär nur für die medizinische Versorgung zur Verfügung. Für die Körperpflege kommen die Angehörigen auf oder man/frau muss das zubuchen. 

 

TV-Serien sind ja in vielen Kulturen eng mit Arztserien assoziiert. Davon gibt es meist reichlich, denn die sind immer gerne gesehen. Klassische Arztserien westlicher Prägung begleiten den Klinikalltag von Woche zu Woche, jeweils in einer in sich abgeschlossen erzählten Folge und können über Jahre so weitergehen. Der oftmals intensive und auch emotional aufwühlende Alltag bietet sich geradezu an, um verschiedene Ärzt*innen und Pfleger*innen über lange Zeit in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen und auf ihrem Lebensweg zu begleiten. So zumindest habe ich Arztserien deutscher oder auch amerikanischer Prägung kennengelernt. Dass es nicht so viele KDramen dieser Art gibt, kommt vielleicht daher, dass wechselnde Romanzen oder heiße Affären am Arbeitsplatz (wie sie in westlichen Arztserien bevorzugt gezeigt werden) kein solides Serienkonzept für das südkoreanischen Fernsehpublikum bieten, sofern die Serien ihre Altersfreigabe ab 13 erhalten wollen. Hinzu kommt, dass KDramen normalerweise einen abgeschlossenen eigenen Handlungsbogen über mehrere Folgen präsentieren. 

 

2020 setzte das KDrama "Hospital Playlist" (hier nicht gelistet) in koreanischer Handschrift auf das ´westliche´ Format, indem sie eine Gruppe von ehemaligen Medizinstudienkollegen in ihrem gemeinsamen Klinikalltag begleitet. Die Serie ist sehr erfolgreich und hat bereits weitere Staffeln erhalten. Sie ist jedoch in dieser Machart eher die Ausnahme von der Regel. Auch wenn es vorkommen mag, wie bei z.B. in "Good Doctor" oder "Doctor John", dass sich die Zuschauer*innen Folge für Folge an die Versen eines Ärzt*innenteams bei ihren Behandlungen und Fällen heften, so ist dieser Berufsalltag dabei fest in einen konkreten, in sich schlüssigen Handlungsbogen zu gesundheitsethischen Themen wie beispielsweise Euthanasie (über ca. 16 Folgen) eingebettet. Darüber hinaus findet man/frau meist vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftsrelevanter Veränderungen in der Medizinaltechnik und auf dem Wachstumsmarkt Gesundheit in sich abgeschlossene, gesellschaftskritische, im Ärztemilieu angesiedelte Stories, die über den Klinikalltag hinausgehen und in eine schlüssige, spannende, übergeordnete Thematik eingebunden sind - als Melodramen, Krimis, Thriller, Zeitreisen oder berührende Studien zu Einzelfällen psychischer Erkrankungen.

Themen der Zeit: Medizintourismus und Biopharmazeutika

Seit 2009 fördert Südkorea gezielt den Medizintourismus als zunftsweisende Kraft in der Globalisierung der Gesundheitsbranche. Massive Investitionen und ein offensives Marketing der koreanischen Gesundheits- und Medizinindustrie sollen eine starke Position in einem vielversprechenden Wachstumsmarkt sichern. Die Regierung fördert die Wettbewerbsfähigkeit aktiv durch von ihr eingerichtete Institutionen wie etwa das Korea Health Industry Development Institute (KHIDI).

 

2009 wurden rund 60.000 ausländische Patienten in Südkorea behandelt. 2015 waren es schon fünfmal so viele. Dem weltweit wachsenden Medizintourismus wird prognostiziert, dass sich sein Umsatz bis 2025 (im Vergleich zu 2019) mehr als verdreifachen wird. Südkorea hat sich im Medizintourismus inzwischen auf den 2. Platz (hinter den USA) im weltweiten Vergleich vorgearbeitet. Besonders beliebt ist das Land für medizinische Behandlung in den Bereichen Innere Medizin, Check-Ups, Dermatologie und plastisch-ästhetische Chirurgie. Allein in der Schönheitschirurgie geht die Kurve mit einer jährlichen Steigerungsrate von mehr als 50 Prozent steil nach oben. Doch Ziel ist es, ebenfalls mit Hilfe hoch spezialisierter Krebszentren eine internationale Spitzenposition unter Gesundheitstouristen mit schweren Krebserkrankungen zu erreichen. Jedenfalls haben sich die führenden Krankenhäuser in den vergangene Jahren auf die Medizintourist*innen gut vorbereitet und internationale VIP-Bereiche eingerichtet, die mit einem stark ausgeprägten Serviceanteil mehr an ein Luxus-Hotel erinnern. Allein in Seoul sind mehr als 80 kleine und große Kliniken auf die Versorgung zahlkräftiger ausländischer Patient*innen vorbereitet.

 

Randnotiz: Problematisch dabei wird diese Entwicklung für den normalen Krankenhausalltag mit südkoreanischen Patient*innen, die vielleicht sogar noch schlecht versichert sind. Diese Patient*innengruppe als "Klientel" verliert an Reiz. Eine schlechter bezahlte Anstellung im ohnehin schlecht versorgten, ländlichen Bereich ebenfalls. Für mittellose Patienten wird es immer schwieriger, eine angemessene, bezahlbare Behandlung zu bekommen.

 

Im Rahmen des Medizinal Tourismus bietet auch die traditionelle koreanische Medizin attraktive, u.a. weil kulturspezifisch exotische und von Medizinal Touristen*innen gefragte Besonderheiten. Beispielsweise die Pharmaakkupunktur, die zur Schmerztherapie eingesetzt wird, kombiniert Akupunktur und Kräuterextrakte derart, dass das Immunsystems effektiv gesteigert werden kann. Ein Kombination aus Akupunktur, manuelle Therapie und Phytotherapie (Kräutermedizin) wiederum wird zur nicht-invasiven Behandlung des Bewegungsapparats eingesetzt.  Abgerundet wird das umfassende Rahmenangebot für Gesundheitstourist*innen durch Transportdienstleistungen, sowie Wellness- und Freizeitprogramm mit Übersetzer*innen. 

 

Auch in einem weiteren Sektor der Gesundheitsindustrie gehen die Zahlen regelrecht durch die Decke. In der Arzneimittelindustrie - allen voran die Biosimilars und insgesamt Biopharmazeutika. Einige der Jaebeol Tochterunternehmen expandieren in diesem Segment im Rekordtempo. Zwischen 2008 und 2019 nahm die Produktion fertiger Arzneimittel um 5,5 Mrd. US-Dollar zu. Jene der Arzneimittelrohstoffe um 1 Mrd. US-Dollar.

Dahinter standen und stehen staatliche Förderprogramme. Bis 2030 will die Regierung aktuell weitere 2,4 Mrd. US-Dollar in Forschung und Entwicklung rund um Arzneimittel und regenerative Medizin investieren. Hinzu kommen Investitionen in die Erforschung und Entwicklung von Biotechnologie. Der Markt boomt, die Exportquotensteigerung der letzten Jahre ist schwindelerregend.

 

Die Dollarzeichen purzeln vor dem Augen des Betrachtenden und es wundert nicht, dass von den südkoreanischen Entwicklungen in diesem Sektor natürlich einmal mehr die Jaebeol mit der einen und/oder anderen ihrer Tochterfirmen profitieren. Wenn dahinter nicht auch Machenschaften der Mächtigen stehen würden, müsste man/frau sich wundern. Zumal die wegen schwerer Korruptionsvorwürfen abgesetzte ehemalige Präsidentin Park Heun-hye in den wachstumsstarken Jahren zwischen 2013 und 2017 im Amt war. Positiv an den Entwicklung der zukunftsweisende Gesundheitsbranche ist, dass sie ebenfalls personalintensiv ist und somit auch dringend nötige neue Jobs schafft.

 

Jedenfalls bieten KDramen parallel mit dem rasanten Wachstum der Gesundheitsindustrie auch die passenden, spannenden Geschichten um unlautere Machenschaften im Schatten der Öffentlichkeit - als wäre das Stück vom Kuchen für manche immer noch nicht groß genug. Die menschliche Gier auf Kosten anderer weiß immer neue Geschichten  zu erzählen. Zum Glück ist darin auch Platz für Vorbilder, die sich mutig gegen die schiere Übermacht der Mächtigen auflehnen und intelligente Wege finden, dies erfolgreich zu tun. Schön wäre es, wenn sich immer mehr wagen wollten und dann auch könnten.

Beispiele

Darüber hinaus in anderem Kontext gelistet:

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