Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Historiendramen

Deep Rooted Tree

Politische KDramen, egal welcher Zeitrechnung, sind stets gepflastert durch Intrigen, Bestechlichkeit und Machtgerangel. Werte und Würde sind, so scheint es, selten die treibende Kraft bei jenen, die etwas zu sagen haben oder haben könnten. Sollte es mal eine integre Person geben, dann hat sie es schwer, zu überleben oder geschweige denn etwas zu bewegen. In dem KDrama "Deep Rooted Tree" wird das Portrait eines Beispiels gezeichnet, das die berühmte Ausnahme von der Regel darstellt. Natürlich ist auch diese Geschichte voll von Intrigen und Machtgerangel, Eigeninteressen und Rachegelüsten. Doch König Sejong, der 4. Joseon König, um den es hier geht, war ein echter Lichtblick am Joseon Himmel. Das KDrama ist das ebenfalls - ein Lichtblick.

 

König Sejong hat das koreanische Alphabet geschaffen. Nicht alleine. Doch auf ihn, seine treibende Kraft und seine Vision eines mündigen Volkes geht diese große Errungenschaft zurück. Die Geschichte erzählt eindrücklich vom holprigen Weg zur eigenen Schrift. Sie erzählt auch davon, wie wichtig sie ist, als identitätsstiftendes Medium selbstbewusster Bürger*innen. Zuvor war Hanja - der Kanon unzähliger Schriftzeichen chinesischer Herkunft - die verbindliche Schriftsprache des Landes. Nicht nur das, auch eine ganze Reihe koreanischer Vokabeln sind Lehnwörter chinesischer Herkunft - bis heute. Das spiegelt zugleich das asymmetrische Machtverhältnis der koreanischen Dynastien zu den chinesischen Dynastien.

 

Die Verwendung der Han-Zeichen symbolisiert dabei nicht nur die Hierarchie unter den Völkern, sondern auch die innerhalb des eigenen Volkes. Nicht umsonst ist die Rede von Schriftgelehrten. Sie hatten die Muse, diese (insgesamt mehr als 100.000) Zeichen zu erlernen. Sie hatten die Deutungshoheit. Für den Alltag reichten ca. 5.000 Zeichen. Immer noch eine ganze Menge, die zeitaufwendig zu erlernen dem einfachen Volk kaum möglich war. Eine Schrift, die Worte, Bezeichnungen und Bedeutungen in Schriftzeichen konnotiert, basiert auf einem völlig anderen Konzept als eine Schrift, die sich aus einem kompakten Alphabet zusammensetzt. Ausgehend von der Phonetik der koreanischen Sprache wurde durch König Sejong ein Alphabet entwickelt, das sich aus 14 Zeichen für Konsonanten und 10 für Vokale zusammensetzt. Das lässt sich vergleichsweise schnell erlernen, auch für die einfachen Leute. Was für eine geradezu liberale, fortschrittliche Errungenschaft! Was für eine Bedrohung für die elitären, privilegierten Klassen, die Gelehrten und Adligen...

 

"Deep Rooted Tree" führt diesen Erkenntnisprozess, was eine eigene Schrift für die Menschen in Joseon bedeutet hat, in wunderbarer Anschaulichkeit vor. Wahrlich fantastisch aufbereitet. Mit plastischen Protagonist*innen, multidimensional und mit hoher emotionaler Wucht. Prädikat "Besonders wertvoll".

 

Der Titel "Deep Rooted Tree" bezieht sich dabei auf Verse aus den ´Liedern der Drachen, die zum Himmel fliegen´ - das Yongbieocheonga. Dieses Zeitdokument über die Joseon Dynastie und ihr Erbe war das erste Buch, das auch in der neuen Schrift Hangul verfasst wurde.

 

Das dramaturgische Setting führt den König zwar (aus Sicht des Protagonisten) als den Bösen ein. Doch die 24 Episoden (analog dem Alphabet?) sind dazu da, einen Einblick in das faszinierende Schaffenswerk jenes großen Königs zu eröffnen - eingebettet in die sich spannungsvoll steigernde Eigendynamik der Vendetta eines Jungen aus einfacher Herkunft, der zum Krieger heranwächst und sich schließlich als königliche Palastwache an der Seite des Königs wiederfindet.

Historischer Kontext: König Sejong (1397-1450)

Yi Do, König Sejong, regierte von 1418 bis 1450 als 4. König der Joseon Dynastie. Seine Regentschaft gilt als außerordentlich. Dementsprechend wird er posthum auch als ´der Große´ bezeichnet. (Außer ihm wurde dieser Titel nur noch König Gwanggaeto (374-413), dem 19. Herrscher von Goguryeo, zugebilligt.)

 

Unter anderem geht auf König Sejong das koreanische Alphabet zurück. Doch auch in vielen anderen Bereichen bewährten sich seine klugen Maßnahmen - darunter  Forschungen und Erfindungen, Landwirtschaft, Medizin, Musik, Steuerreform und die Befriedung der nördlichen Grenzregionen. Sein Vater, König Taejong, mag die strukturellen Voraussetzungen des Joseon Reichs mit Blut geschaffen haben, doch König Sejon schuf mit seinen teils bahnbrechenden Ideen wichtige Grundlagen für das Leben der Menschen unter der Herrschaft künftiger Joseon Monarchen.  

 

Schon mit 16 Jahren stieg er im Ranking am Hof vom Prinzen Chungnyeong zum Großprinzen und schließlich im Juni 1418 zum Kronprinzen auf. König Taejong dankte im September desselben Jahres ab und übergab ihm den Thron. Mit seiner Königin Soheon zeugte er zehn Kinder. Der Erstgeborene unter acht Söhnen folgte seinem Vater als König Munjong auf den Thron. Der zweitgeborene ging als 7. König Sejo in die Joseon Geschichte ein.

 

Krankheit und der Verlust von Frau und manchem seiner Söhne hielt König Sejong nicht davon ab, seine Verantwortung für das Volk besonders ernst zu nehmen. Er vereinte in sich Intelligenz gepaart mit einer hohen Motivation, wirklich seinem Volk zu dienen. Sejong war inspiriert, innovativ, lernfreudig und stets am Austausch interessiert. Die Wurzeln des Staates bildeten für ihn das Volk. Gesund und kräftig bescheren sie dem Baum Wachstum, Blüte und Frucht. Dementsprechend sollten die Menschen sich auch ganz konkret physisch gut ernähren, und so investierte er einiges an Forschung und Innovationskraft in das Resort der Landwirtschaft. Unter ihm wurde außerdem so etwas wie ein Jugendstrafrecht eingeführt, das Menschen unter 15 Jahren nicht mehr mit Gefängnis bestrafte. Auch legte er selbst - abseits der repräsentativen Verpflichtungen - keinen Wert auf Prunk und Luxus, sondern lebte eher sparsam. 

 

Mit der Erfindung seines koreanischen Alphabets hat er sich jedoch ein geradezu unsterbliches Denkmal geschaffen, das bis heute ´sein Volk´ begleitet. Bis 1443 wurde in Hanja geschrieben. Dennoch war die gesprochene Sprache nicht chinesisch. So war es ihm ein Anliegen, den elementaren, im Volk verwendeten Lauten eine Form und einen Namen zu geben. Zusammengefasst wurden die Ergebnisse seiner im engen Austausch mit sämtlichen Menschen um ihn herum über zehn Jahre hinweg durchgeführten Studien im Hunminjeongeum, „Die richtigen Laute zur Unterweisung des Volkes“. Mit Hilfe von nicht einmal 30 Zeichen und einem einfachen Regelwerk ihrer Zusammensetzung sollte es auch dem einfachen Volk möglich werden, Gedanken nicht nur auszusprechen, sondern sie auch niederschreiben zu können. Dazu war ihm auch kein Weg zu weit: es wird berichtet, dass er 13 Mal den chinesischen Phonologisten Huang Tsan um fachlichen Rat anfragte.

 

Ein solches, geradezu progressives liberales Projekt war unter seinen adligen, gelehrten Zeitgenossen ein Dorn im Auge. Sie fürchteten nun um ihr Privileg. Allen voran machte sich der Gelehrte Choe Manri stark für das Festhalten an der Hanja Schrift. Erst posthum im 17. Jahrhundert (!) durfte sich das Hangul über die Literatur verbreiten und wirklich im Volk ankommen. Bis dahin wurde sie zwischenzeitlich sogar verborten. Heute ist der 9. Oktober in Südkorea ein nationaler Feiertag zum Gedenken an König Sejongs Sprachprojekt.

 

Das Zentrum der fruchtbaren Innovationen war das königliche Forschungsinstitut Jiphyeonjeon -  die Versammlungshalle der Weisen, die auf dem Palastgelände eingerichtet wurde. Hier diskutierten Wissenschaftler der unterschiedlichsten Fachdisziplinen über die Anliegen der Zeit und standen dazu auf kurzem Weg in engem Austausch mit dem König und seinen Ministern. Ca. 80  wissenschaftliche Werke u.a. über Politik, Geschichte, Literatur, Linguistik, Philosophie, Musik, Medizin, Landwirtschaft und Astronomie wurden dort verfasst. Zahlreiche ruhmreiche Errungenschaften, die auf die dort entwickelten Erkenntnisse zurückgehen, zählen heute zum kulturellen Erbe des Landes.

 

Das Erfolgsmodell bestand oftmals schlicht in der Einbeziehung des Volkes. Empirie war die Methode der Wahl. Die Menschen wurden bezüglich ihres Erfahrungswissens befragt. Beispielsweise in der Agrarwirtschaft: welche Erfahrungen machen die Bauern bezüglich verschiedener Anbautechniken und Pflanzen in den verschiedenen Regionen des Landes? Auf der Grundlage dieser Datenerhebung und in Relation zur gemessenen Niederschlagsmenge in den Regionen entwickelten die Wissenschaftler dann ein System das den rotierenden Anbau der fünf ertragreichsten Pflanzen vorsah. Außerdem wurden die Möglichkeiten des Düngemitteleinsatzes erforscht und beschrieben. Auf die Theorie folgte dann die Effizienz in der Praxis: die bearbeitete landwirtschaftliche Fläche im Land konnte während Sejongs Regierungszeit fast verdoppelt werden.

 

Auch in der Medizin setzte Sejong auf Empirie. Er sandte seine Gelehrten ins In- und Ausland, um sich dort mit den Gelehrten und Heilern über Heilpflanzen und Rezepturen auszutauschen. Die gesammelten, ausgewerteten und weiterentwickelten Erkenntnisse wurden in eigenen Werken festgehalten. In diesen sind 374 Heilkräuter, 109 heilsame Mineralien, 220 tierische, für den medizinischen Einsatz geeigneten Produkte, die Erkenntnisse über 703 verschiedene Wirkstoffe und die Therapie von 959 Krankheiten beschrieben. 1445 wurde das Uibang Yuchwi als 365-bändige medizinische Enzyklopädie herausgegeben. Dabei wurde auch die Forensik gesondert behandelt.

 

Das Ziel seines Handelns war stets durch eine volksnahe Perspektive geprägt. So war es ihm wichtig, dass die Menschen die wesentlichen Gesetze kennen, damit sie überhaupt wissen, wann sie eines übertreten. Er veranlasste humanere Haftbedingungen und führte die Möglichkeit der Berufung ein. Er wollte, dass Steuern gerecht erhoben werden, und entwickelte ein neues System, das auch spätere Könige übernahmen. Um den Menschen im nördliche Bereich des Landes, das an die Gebiete der Jurchen grenzte, ein friedliches Leben zu ermöglichen, baute er einerseits Verteidigungsanlagen und stärkte die militärische Präsenz. Andererseits förderte er neue Ansiedlung sowie Handel und sorgte zugleich für die Integration von Jurchen in Teile der Gesellschaft und des Militärs. Tatsächlich zogen die Menschen zwischen 1431 und 1447 in vierstelliger Zahl vom Süden in den Norden. 

 

Unter König Sejong wurde die Drucktechnik optimiert sowie der erste von China unabhängige und auf die Joseon Hauptstadt Hanseong als Bezugspunkt ausgerichtete Almanach entwickelt. Zu den Innovationen seiner Zeit zählen astronomische Geräte zur Positions- und Zeitbestimmung, Wasseruhren, Sonnenuhren sowie astronomische Uhren, mit denen die Zeit über die Sternkonstellation angezeigt werden konnten. Die Rückseite der aktuellen 10.000 Won Note bildet eine solche ab. (Auf der Vorderseite ist König Sejong zu sehen.) Außerdem konnte er zusammen mit seinem befreundeten Musiker Park Yeon eine spezielle Bambusflöte mit Grundtönen zum Stimmen der Musikinstrumente am Hof entwickeln. Ganz abgesehen von den technischen Innovationen zeichnet Sejong auch für musische Werke verantwortlich: allein mehr als 200 Musikstücke, inklusive eines eigenen, bis heute in Korea benutzten Notationssystems gehen auf ihn zurück. 

 

Kurzum, hier haben wir es mit einem König zu tun, der einmal kein Hampelmann seiner Minister war. Sejong verkörpert geradezu den Archetypen eines weisen Staatsmannes und zuallererst seinem Volk gegenüber verpflichteten, loyalen Monarchen, dem dann seinerseits wiederum die Verehrung seines Volkes sicher ist... bis heute.

 뿌리 깊은 나무 - Ppuri Gipeun Namu

Lit.: Tief verwurzelter Baum

 

2011, 24 Episoden

 

Hauptdarsteller*innen:

-Han Suk-kyu
-Jang Hyuk
-Shin Se-kyung
-Song Joong-ki 
-Yeo Jin-goo 

 

Plot:

Yi Do (König Sejong) sitzt zwar auf dem Thron, die Macht jedoch ist immer noch bei seinem Vater Taejong. So kann er nicht verhindern, dass sein Schwiegervater, der Premierminister, samt Familie und Sklaven dem Kalkül seines Vaters tödlich zum Opfer fallen.

 

Unter den Toten sind auch die Väter von Ddol-bok und Dam. Im Durcheinander des Massakers verlieren sich die beiden befreundeten Kinder aus den Augen. Ddol-bok ist verzweifelt über seinen Verlust und stinkwütend auf den König. Er schwört bittere Rache. Zufällig hört dies der König und ist zutiefst erschüttert über das Unheil, das er aufgrund seiner eigenen Macht- und Hilflosigkeit angerichtet hat. Das einschneidende Ereignis prägt ihn derart, dass er es mit seinem Vater aufzunehmen bereit ist und seine Verantwortung als König gegenüber seinen Untertanen künftig ernst nehmen möchte.

 

Dam landet bei König Sejong am Hof. Ddol-bok findet einen Lehrmeister in den Kampfkünsten. Dam verliert in der Folge der traumatischen Erlebnisse ihre Stimme. Ddol-bok bereitet sich diszipliniert auf seine Rachemission vor. Beide gehen davon aus, dass der/die andere nicht überlebt hat. 

 

Als die Zeit reif ist, findet Ddol-bok unter neuem Namen Kang Chae-yoon, als Palastwache Zugang zum inneren Kreis des Königs. Dort wird er mit einer Reihe von Mordfälle konfrontiert, die er nun aufklären soll. Darüber macht er die Begegnung mit der geheimen Gesellschaft der "verborgenen Wurzeln".  Diese folgen der politischen Vision, die Jeong Do-jeon in der Geburtsphase des neu geschaffenen Joseon gehabt hatte: eine starke Regierung dank Verfassung und Ministern, bei der die Könige politisch keine allzu große Rolle spielen. Joeng Do-joens Erbe führt inzwischen sein Neffe Jeong Gi-joon im Verborgenen fort. Ddol-bok stolpert bei seinen Recherchen außerdem über seine verloren geglaubte Dam, die heute als So-yi an der Seite des Königs mit großem Eifer bei der Entwicklung eines nationalen Alphabets arbeitet. Ein solches Alphabet ist den Adligen und allen voran den Mitgliedern der Geheimbundes ein gewaltiger Dorn im Auge.

 

Ddol-bok muss seine Rachemission noch einmal gründlich überdenken.

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