Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

KDrama nach Themen: Crime & Politics

Distorted

In "Distorted" wird eine spannende Geschichte rund um das Geschäft mit der Wahrheit erzählt. Ich meine, das gelingt besonders gut und gebe dafür das Prädikat "besonders wertvoll".

 

Das KDrama bietet hier einmal wieder eine kritische Auseinandersetzung mit dem recht diffizilen, je nach dem Auge des Betrachters biegbaren und manipulierbaren Konzept ´Wahrheit´. Ist der Rechtsstaat nur eine hübsche Farce? Vielmehr eine eloquente Kulisse für die Schattenherrschaft weniger? Gibt es Gerechtigkeit? Welche Wahrheit hören wir? Welche wollen wir hören? Welche lieber nicht? Ist es immer so gut, sie zu Tage zu fördern?

 

Im Angesicht der stetigen ´Lügenpresse´-Vorwürfe in alle Richtungen bietet "Distorted" eine brennend aktuelle Geschichte. Auch ein bisschen ´Watergate-Affäre´ im südkoreanischen Gewand. Dabei liegen anspruchsvoller Journalismus und sensationshungrige Klatschpresse, Staatsanwaltschaft und Rechtsanwälte als Gesetzesvertreter, sowie Saubermänner, Geschäftsleute und Banden als Gesetzesbrecher erschreckend nah beieinander. Selten ist es vor diesem Hintergrund so gut gelungen, die breite Palette an Positionen, Haltungen, Handlungsmotivationen und -zwänge sowie persönlichen Gefühlslagen so zum Greifen nahe anhand einzelner Schicksale aufzubereiten und in einer spannenden Geschichte zu vermengen. Da öffnen sich Abgründe in Anbetracht der gesellschaftlichen Ideale und ihrer Illusionen. Und doch geht die Hoffnung im Angesicht der (durchaus tödlichen) Übermacht nicht verloren. 

 

Dies ist keine (Super)Helden-Geschichte (wie etwa Lawless Lawyer, das sich mit ähnlicher Grundproblematik beschäftigt). Hier sind die ´Held*innen´ kleine, unscheinbare, fehlbare, und für sich genommen jeweils hilflose Rädchen und Marionetten in einem komplexen Getriebe, das von undurchsichtigen Kräften gesteuert wird. Sie bewirken jedoch gemeinsam etwas in Co-Kreation - indem sie ihre Potenziale bündeln, ihre Vorurteile über Bord werfen, sich auf einander einlassen, einander trotz anfänglicher Verachtung vertrauen lernen und sich nicht länger auf das besinnen, was sie trennt. Der Schlüssel ist eine verbindende Idee, die größer ist als jede/r einzelne selbst (mit ihren/seinen körperlichen, emotionalen oder sozialen Bedürfnissen). Dieser Idee wollen sie mit allen erdenklichen kreativen Mitteln Form, Körper, Gewicht und Ausstrahlung geben. Diese personenübergreifende Idee ist es, woraus sie (auch im Angesicht massiver persönlicher Bedrohung) Kraft schöpfen und die Angst überwinden. Hier ist es die Idee eines demokratischen Rechtsstaates, in dem es Gerechtigkeit für ALLE gibt; in dem vor dem Gesetz ALLE gleich sind; in dem jede/r Bürger*in die Verantwortung für seine/ihre Taten tragen kann/muss - der Preis für die Freiheit der mündigen Bürger*innen: ein Minimalkonsens an Gesetzen, Rechten und Pflichten, die für alle verbindlich und verbindend sind.

 

Diese Idee klingt schöner als sie in Wirklichkeit ist, denn meist bleibt es bei der Idee, die hinter den Kulissen mit Füßen getreten wird. Es sind Menschen, die diese Idee mit Leben füllen. Doch wo Menschen sind, da gibt es auch ihre Bestechlichkeit, ihre Gier, ihre Erpressbarkeit, ihre Verletzlichkeit und ihre Feigheit sowie die passenden Menschen, um solche Schwachpunkte skrupellos auszunutzen. Südkoreas junge Demokratie und lange Geschichte mit Korruption und Schattenherrschaften bietet ein realitätsnah skandalgeschwängertes Umfeld, um dieses spannende und zugleich empörende KDrama mit einem breiten Spektrum an Grautönen emotional differenziert und authentisch aufzubereiten. (Die Skandale, die hier anfangs durch die Presse gehen, und die Presse, die hier ihre Macht entfaltet, Wirklichkeit zu generieren, haben in Südkorea übrigens an den ein oder anderen echten Fall erinnert.) 

 

Indem die Story verschiedenen Protagonist*innen aus Presse und Rechtsprechung folgt, startet sie mit einzelnen, zunächst allenfalls lose miteinander verbundenen Handlungsfäden, die sich jedoch im Verlauf verstricken und gemeinsam einen starken Strang bilden, an dem alle gemeinsam ziehen können. Ein bisschen Geduld ist also von den Zuschauer*innen gefragt, doch die zahlt sich aus! Die unterschiedlichst motivierten Charaktere erwachen plastisch spürbar zum Leben, werden im Guten wie im Bösen nachvollziehbar und offenbaren eine Wirklichkeit um das Geschäft mit der Wahrheit, die eine/n erschauern lässt. Dabei werden die Zuschauer*innen raffiniert selbst auch als Teil der Story integriert -  als Repräsentant*innen der öffentlichen Meinung und damit zugleich als Täter und Opfer.

 

Wow. Tolle Leistung. Auch für ein wiederholtes Serienvergnügen aufgrund der differenziert aufbereiteten, komplexen Story bestens geeignet.

조작 - Jojak

Lit.: Manipulation

 

2017, 32 Episoden (à 35 Minuten)

 

Hauptdarsteller*innen:
-Namkoong Min
-Uhm Ji-won
-Yoo Jun-sang
-Jeon Hye-bin
-Moon Sung-keun

 

Plot:

Han Moo-young ist längste Zeit Teil der Judo-Nationalmannschaft gewesen, nachdem er sich hilflos einem Dopingvorwurf gegenüber sieht und keine Möglichkeit erhält, den Fall wirklich aufzuklären. Sein Bruder, Journalist eines renommierten Medienunternehmens, 

wird Opfer eines tödlichen Unfalls. Das investigative Splash-Team, zu dem er gehörte, wird zur selben Zeit im Rahmen einer fatalen Falschmeldung aufgelöst. Eine Staatsanwältin wird strafversetzt, nachdem die Voraussetzungen ihre Haftbefehls für einen ranghöheren Vorgesetzten außer Kraft gesetzt wurden. All dies sind verschiedene Ereignisse, die zur etwa selben Zeit geschehen, doch inhaltlich nichts miteinander zu tun haben (scheinen)...

 

Moo-young wird jedoch misstrauisch, nachdem er einen mysteriösen Einbrecher mit seltsamem Tatoo dabei ertappt, die Sachen seines Bruders zu durchsuchen. Er verfolgt den Einbrecher und entgeht knapp dem Tod. Das macht ihn neugierig. Wer war das? War der Tod seines Bruders kein Zufall? An welchen Fällen hat sein Bruder gearbeitet? Er findet in einem Sensationsreporter, der eine reißerische Doping-Story von ihm erhofft, einen Lehrmeister, der ihn in die Welt der journalistischen Recherchen eines Klatschreporters einführt. Gemeinsam gründen sie das Aeguk-Team für Sensationsgeschichten. Moo-young macht sich daran, die alten Fälle seines Bruders zu recherchieren, da er meint, hierin irgendwo seinen Killer aufspüren zu können. Dabei ist ihm jedes auch noch so niedere, doch journalistisch opportune Mittel recht.

 

Eine aktuelle Story, die aufgrund Moo-youngs Recherchen mit Menschenhandel beginnt, einen weit zurückliegenden Mord ans Licht bringt, sowie einen aktuellen Todesfall zur Folge hat, führt die Staatsanwältin von damals, den ehemaligen, seitdem aufs Abstellgleis gestellte Leiter des Splash-Teams und Moo-young zusammen. Von einander angewidert stehen sie einander gegenüber. Sie begreifen, dass sie bei ihren Versuchen, Licht in eine düstere Wahrheit zu bringen, jeweils mit massivem Widerstand aus allen Richtungen und obersten Ebenen konfrontiert werden. Eine Chance haben sie - wenn überhaupt - nur gemeinsam, indem sie ihre Kräfte intelligent bündeln und mit Augenmaß koordinieren. 

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