Unterwegs im Koreanischen
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Call it Love

"Call it Love" beginnt mit einem Schriftstellerzitat über die Liebe und den zusammenfassenden Worten einer Radiosprecherin aus dem Off: "Die Einsamkeit anderer zu verstehen, für mich ist das der Beginn der Liebe." Schöne, empfindsame Worte... und zugleich das Leitmotiv dieser Serie.

 

Es gibt da so viele einsame Menschen (auch wenn sie deswegen nicht notwendigerweise alleine sind). Es gibt auch jene, die den/die andere in ihrer Einsamkeit durchaus erkennen. Die Liebe in verschiedenen Facetten schwingt sich so durch die einzelnen Episoden - leise, zart, unausgesprochen, dann auch ausgesprochen, mal hierhin, mal dorthin. Im Fall von Shim Woo-ju und Han Dong-jin steht zwar einiges zwischen ihnen, jedoch die Liebe bahnt sich entschieden ihren Weg.  

 

Das KDrama bietet kein Boom-Squish, kein Spektakel, sondern Slow Food fürs Herz. So slow, das es manchmal fast den Rand des Erträglichen streift. Schon wie sich die beiden Protagonist*innen durch die Szenen bewegen, ist fast wie in Zeitlupe. Die Gesichtszüge bewegen sich ebenfalls minimal. Da werden zarte Emotionen zurückgehalten, doch manche messerscharfe Gedanken wiederum ohne zu zögern mitgeteilt - darin ist Woo-ju gut. Sie verkörpert eine scharfe Mischung aus Desinteresse und Impulsivität. Dong-jin ist seinerseits der Meister äußerlicher Indifferenz und Gleichmut. Er erträgt scheinbar alles still und gutmütig - geradezu stoisch. Doch im Grunde sind beide Opfer ihrer erlernten Hilflosigkeit und der Überforderung mit ihren äußert ambivalenten Gefühlen den eigenen Eltern gegenüber. Sie ihrem fremdgehenden Vater ausgeliefert, der die Familie für eine andere Frau verlässt und dieser am Ende noch das Haus vermacht. Er seiner exaltierten Mutter ausgeliefert, die notorisch die Ehemänner anderer um ihren Finger wickelt und auf deren Kosten ein schönes Leben führt (bei dem er eher stört). 

 

Um die beiden herum gibt es jeweils ein Netz liebender Menschen. Woo-ju und Dong-jin mögen sich alleine fühlen mit ihren Gefühlen, doch eigentlich sind sie es nicht. Woo-jus Freund, der Apotheker Yoon-jun, fühlt einiges mehr für Woo-ju und kennt sie besser als sie denkt. Dong-jins Schulfreund und Geschäftspartner wiederum kennt seinen Buddy wie seine eigene Westentasche. Dann ist da Woo-jus Schwester, die ihrerseits so ihre Schwierigkeiten beim Daten hat und schließlich just ihre Gefühle für Yoon-jun entdeckt. Und unvermittelt ist auch die Ex-Verlobte von Ding-jin wieder zurück, die ihn vor einem Jahr kommentarlos sitzen ließ, in die USA ging und nun plötzlich wieder da steht und jetzt dann doch bereit wäre für den nächsten Schritt. ... Irgendwie sind schon alle etwas verloren und manchmal unbeholfen in ihrem Gefühlsleben. Einsam. Aber eigentlich nicht allein.

 

Der Plot zielt jedoch noch auf etwas ganz anderes als die romantische Liebe: Rache ist die treibende Kraft der Story. Da ist Woo-ju auf ihrem Rachefeldzug gegen die Frau, die ihren Vater ausgespannt und sich das Haus als Erbe gesichert hat - und dann indirekt gegen deren Sohn, Dong-jin. Da ist der ehemalige Chef von Dong-jin, der sich dafür rächen will, dass Dong-jin zusammen mit seinem Partner (und Schulfreund aus Kindheitstagen) gekündigt hatte, um ein Konkurrenzgeschäft aufzuziehen. Und da ist die uralte Dynamik zwischen Woo-jus Mutter und der Nebenbuhlerin, die ihr vor Jahren den Ehemann ausgespannt hatte... 

 

Schön und irgendwie wie Balsam: das Rachemotiv kann sich hier letztlich nicht durchsetzen. Es legt sich vielmehr eine sanfte Schablone des Mitgefühls und der Vergebung über Groll und Bitterkeit. Gleich einem Seidenschal verhüllt dieses Mitgefühl die Wunden und verändert, bzw. weitet die Sicht auf die Dinge.  "Die Einsamkeit anderer zu verstehen, für mich ist das der Beginn der Liebe." Am Ende bekommen diese Worte dann noch eine größere (als ´nur´ romantische) Bedeutung - das Herz weitet sich wohltuend, Mauern werden durchbrochen und Heilung wird möglich. 

 

Blicke, Bewegung, Kameraeinstellung - damit wird in "Call it Love" schon mal die Zeit angehalten. Das alles ist meist so slow, dass man/frau hier und da den Protagonist*innen einen Schubs geben möchte. Dieser gefühlte Stillstand umhüllt dabei paradoxer Weise die durchaus bewegte Story, die ihre Dynamik aus den Rachemotiven gewinnt und tatsächlich auch mit Spannung aufzuwarten weiß. Diese eigenwillig dosierte Mischung aus dramatischen Ereignissen und Innehalten, aus Rache und Liebe, ergibt eine sehr spezielle, ambivalente, sich subtil einbrennende Dynamik und schwer fassbare Faszination dieses KDramas. Amor funkt aufmunternd dazwischen. Das macht er gut. Und auch die Mimen korrespondieren gelungen gefühlvoll, legen für Momente den Mantel ihrer selbstgewählten Apathie ab und zeigen sich. Hinzu kommt ein stets mit Bedacht durchchoreographiertes und präzise ausgeleuchtetes Szenenbild.

 

So gesehen, eine gelungene, zwar etwas speziell, doch letztlich fast zärtlich erzählte Geschichte.

사랑이라 말해요) - Sarang-ira Malhaeyo

Lit.: Nenn es Liebe

 

2023, 16 Episoden


Hauptdarsteller*innen:

- Lee Sung-kyung
- Kim Young-kwang 
- Sung Joon 
- Ahn Hee-yeon 
- Kim Ye-won

 

Plot:

Woo-joos Vater hat sie und ihre Geschwister samt der Mutter vor Jahren für eine andere verlassen. Nachdem der Vater nun verstorben ist, stellt sich heraus, dass seine Ex das Haus bekommt. Die will es verkaufen. Die drei Geschwister müssen ausziehen. Nur gut, dass Woo-joos Mutter in den USA weit genug weg ist und das nicht miterleben muss. Woo-joo jedoch kann das nicht auf sich beruhen lassen und sinn auf Rache. Die Ehebrecherin hat einen Sohn, Dong-jin. Dessen Unternehmen möchte Woo-joo nun in den Ruin treiben. Sie macht sich dort als Teilzeitkraft unentbehrlich, um auf diesem Weg einen geeigneten Schlachtplan zu entwickeln. Doch mit der Zeit sieht sie sich einem Dilemma gegenüber: ihr ist die Rache gar nicht mehr so wichtig, stattdessen wächst ihr Dong-jin ans Herz. In ihrer Familie ist seine Mutter jedoch die Erzfeindin... und damit auch er ein rotes Tuch.

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