Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Historiendramen

My Dearest

Wow! Mal wieder ein "Wow!". Historienepos. Bildgewaltig. Gnadenlos. Grandios. Was harmlos startet wird von der unbarmherzigen Geschichte eingeholt. 

 

Bitte gut anschnallen. "My Dearest" geht aufs Ganze. Packend! Bewegend! Mitreißend. 

Der Ausflug führt in ein schmerzhaftes Kapitel aus Joseons Vergangenheit, dessen historische Eckpfeiler in markanten Stimmungsbildern emotional gelungen eingefangen werden. (Zur historischen Mission der KDrama-Produktion in der Randnotiz weiter unten mehr...)

 

Schon nach der dritten Folge mag man/frau vergessen haben, wie harmlos doch die Schaukel anfangs noch hin und her schwang... damals, als die Welt noch in Ordnung war. Andererseits, das Schlimmste holt mitunter das Beste aus den Menschen. Für unsere Protagonist*innen mag das gewisslich stimmen, denn  je aussichtsloser die Umstände, desto beharrlicher der persönliche Einsatz.

 

Eine dramatische Geschichte. Eine bewegende Lovestory. Ein ausgezeichnetes Historiendrama. Auf jeden Fall sehenswert. Und "besonders wertvoll". Die Zeit rund um die Qing Invasion auf der Joseon Halbinsel wird hiernach jeder/m Zuschauer*in unvergesslich bleiben... Und die epische Beziehung unserer Protagonist*innen ebenfalls!

 

Was für ein Paar - Namgoong Min und Ahn Eun-jin entwickeln dabei im Verlauf ihrer Begegnungen ein starke, charismatische Anziehung für ihre jeweils ambivalent gezeichneten, jedoch dabei komplex nuancierten Charaktere. Das alles wird perfekt in Bild und Ton in Szene gesetzt. Das gilt insgesamt für das Layout der vielschichtig ineinander verflochtenen persönlichen sowie politischen Prozesse. Bis in die Nebenrollen werden in "My Dearest" differenzierte, berührende Charakterbilder gezeichnet. Stark!

 

"My Dearest" ist unterteilt in zwei Staffeln à 10 Episoden. 

 

Ergänzung nach der zweiten Staffel:

Nachdem nun weitere 11 Folgen von „My Dearest“ zu Ende sind, habe ich doch noch ein paar Gedanken, die ich ergänzen möchte.

Erstens.
Die Mission ist in meinen Augen rundum gelungen: Ein Meilenstein, was die dramaturgische Verzahnung von persönlichen Schicksalen, Love-Story und einem historischen Kontext, dessen für das nationale Selbstverständnis traumatischer Schatten bis heute reicht (vgl. Randnotiz unten). Ich finde, „My Dearest“ gehört eindeutig in die Hall of Fame der historischen KDramen. Rundum gelungen.

Auf der einen Seite ist der nicht enden wollende, epische Roller Coaster der schicksalhaften Love-Story… stellenweise mag man/frau gar ungeduldig werden, dass dies doch mal ein Ende haben muss. Auf der anderen Seite werden wir gerade dadurch raffiniert immer tiefer in die historischen und politischen Rahmenbedingungen jener Zeit mitgenommen. Zwei bezeichnender Weise unbedeutende, doch schicksalhaft in Liebe verbundene Zeitgenoss*innen und ihr persönliches Umfeld packen uns mit reichlich Gefühl am Kragen und torpedieren uns in jene ferne, für Joseon so schwierige Zeit. Ob wir wollen oder nicht. Im Grunde geht es uns ja in erster Linie um die epische, berührende Lovestory ? doch unweigerlich begreifen wir die Dilemmata des Volkes, seines problematischen Königs und des politischen Rahmens jenes historischen Kapitels…

 

Damit wären wir auch schon beim ´Zweitens´:

Was mich dann doch positiv überraschte: die konfuzianischen, auf Herrschaftsautorität gegründeten, moralischen Werte, insbesondere Sittlichkeit und Loyalität, stehen bei dieser Produktion ausdrücklich am Pranger. Die MBC KDrama Produktion „My Dearest“ aus dem Jahr 2023 bezieht dabei unter dem Strich eine erfreulich liberale Position. Offiziell, im Narrativ der Geschichte, werden die autoritären Werte zwar hoch gehalten, doch für die Zuschauer*innen offenbart sich dieser vermeintlich zielsichere Weg zu Ordnung und Harmonie ganz klar als gescheitert.

Es heißt, der Fisch stinkt vom Kopf her. Und auch die hehre, ethisch-politische Lehre des Konfuzius muss an diesem Kopf-Gestank scheitern, wenn die Autorität, verkörpert durch den Herrscher, den Lehrer oder den Vater, schwach, krank und wahnhaft ist. Loyalität gegenüber einem wahnhaften König oder einer fast fanatischen Prinzipientreue grenzt da geradezu an Dummheit. In Ordnung bringt die gar nichts. Im Gegenteil. „My Dearest“ lebt dramaturgisch gesehen an zahlreichen Nahtstellen von dieser offiziell ethisch legitimierten, inoffiziell jedoch dann doch wieder persönlich motivierten ´Dummheit´ einiger, die sich Gelehrte nennen. Die traditionellen Werte kommen hier nicht so gut weg…

 

Drittens:

Ahn Eun-jin hat sich, wie ich finde, im Verlauf der Serie in der Rolle der Gil-chae regelrecht in eine neue Liga ihres Schauspiels katapultiert - mit ihrer zunehmenden Ausdrucksstärke, Tiefe, Authentizität und ihrer auch wortlosen Ausstrahlungskraft. Respekt! Ich freue mich schon auf weitere Produktionen mit ihr in der Hauptrolle... 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier eine Randnotiz zum historischen Hintergrund der Qing Invasion 1936: 

 

Vorab - zur historischen Mission der KDrama Produktion

Die Zeit rund um die Qing-Invasion ist im Film und Serienkanon Südkoreas bislang noch nicht so stark präsent. Das mag daran liegen, dass diese zweite Invasion 1636 als so schändliche Niederlage in die Geschichte eingegangen ist. Wer erinnert sich schon gerne an einen so ´schwachen´ König und solche unsäglich peinliche Erniedrigung. Die Qing Invasion 1636 ist für das nationale koreanische Selbstverständnis sogar noch dramatischer und traumatischer als zuvor die grausamen Japanischen Invasionen der Imjin Kriege 1592 und 1598. Dies, weil sich Joseon den Qing letztlich unterwerfen wusste. Joseon hatte die Japaner in den Imjin Kriegen immerhin (damals mit Hilfe der Ming) zurückdrängen können, d.h. ihre Souveränität (wenn auch unter vielen Opfern) wahren können... 

 

Ein wertvoller Beitrag von "My Dearest" ist es, abseits der bewegenden epischen Lovestory auch die Gesinnung der Menschen im Joseon jener Tage im 17. Jahrhundert aufzuarbeiten - deren verschiedenen Positionen, die Haltung in den pragmatischen versus den prinzipientreuen Lagern. Jene Zeit der Invasion ist in Tagebüchern von Zeitzeugen gut dokumentiert. Die weltpolitische Betrachtung der Geschichtsschreibung diskutiert die Qing Invasionen in Joseon hingegen meist aus der Perspektive der Qing gegen die Ming und den politischen Machtkämpfen des chinesischen Kaiserreiches. Hier bekommt nun die Joseon-Perspektive gebührenden Raum und ein eigenes emotionales Narrativ im Massenbewusstsein. Und die ist geprägt durch Persönlichkeiten, Ideale, Wertesysteme, symbolhafte Gesten, sowie auch jenen kleinen und großen Taten und Opfer unscheinbarer Menschen, die oft durch das Raster der Geschichtsschreibung fallen. Damit ist "My Dearest" nicht nur zu Herz gehende Unterhaltung. Das KDrama hat gewissermaßen einen identitätsstiftenden, großartigen Auftrag und nimmt den sehr ernst. Es will entsprechend großartig sein. Es will greifbare, auf ihre jeweils ureigene Art großartige Menschen durch alle Gesellschaftsschichten den historisch fragwürdigen Ereignissen und Entscheidungen gegenüber stellen. Es will das Dilemma jener Zeit emotional erlebbar machen. Und das gelingt.

 

 

 

Die Qing Invasion 1636 und ihre Folgen 

Die "Barbaren", Jurchen aus der östlichen Mandschurei, marschierten 1636 ungerührt an den vorbereiteten Joseon Befestigungsanlagen vorbei und steuerten stattdessen zielstrebig den Sitz des Königs an. Die Ming, deren Kontakte Joseon nach der ersten Invasion der Barbaren im Jahr 1927 dennoch weiter gepflegt hatte, waren jedoch zu geschwächt und Anlegestellen für deren mögliche Hilfstruppen an den Küsten durch die Qing zudem bereits blockiert, so dass mit ihrer Unterstützung nicht zu rechnen war. Parallel wurde dem Joseon König Injo auch noch der eigentlich geplante, bewährte, für die Qing jedoch inzwischen vorhersehbare Fluchtweg auf die Insel Ganghwa blockiert. Zu den  Befestigungen, die (aufgrund des Fluchtplans) nicht eigens auf eine Qing Belagerung vorbereitet worden waren, zählte die dem Palast nahe Festung Namhansanseong, in der sich der König mit seinem Gefolge verschanzte... Und gerade dort fand die unsägliche Belagerung statt. Rund 70.000 Qing Soldaten hatten vor den Befestigungsmauern ihr Lager aufgeschlagen. Zwar kamen Joseon Truppen aus dem Süden zur Hilfe und auch die Festung konnte sich eine Zeit lang erstaunlich gut zur Wehr setzen, doch nach einigen Wochen im harten Winter, spätestens nach der Einnahme der Insel Ganghwa durch die Barbaren und der Verhaftung des zweiten Königssohnes, war die Grenze des Erträglichen erreicht. 

 

Eine radikal prinzipientreue Position, die jegliche Unterwerfung kompromisslos ohne Rücksicht auf Verluste als unter der Würde des Königs ausschloss, vertrat damals Minister Kim Sang-heon. Doch der König folgte letztlich dem pragmatischen, diplomatischen Engagement seines Ministers Choi Myeong-gil. Damit rettete er unzählige Menschenleben und bewahrte Joseon vor weiteren schrecklichen Massakern. Die Schmach der Unterwerfung Joseons unter die Qing brachte Köng Injo jedoch bis heute den Ruf eines schwachen Königs ein. 

Am Han River fand die Unterwerfungszeremonie statt. König Injo musste sich mehrmals vor dem Qing Kaiser verneigen - eine unermessliche Schmach für seine Souveränität. Er musste sich offiziell von den Ming abwenden, den Qing Kalender für Joseon akzeptieren, den Qing künftig Tribut zahlen, sie in Kriegen aktiv unterstützen und Flüchtlinge abweisen bzw. fassen. Neue Festungen durften nicht gebaut werden. Und dann nahmen die Qing auch noch den Kronprinz, dessen Familie sowie Familienangehörige der Minister als Geiseln mit in ihre damalige Hauptstadt Shenyang. Immerhin konnte erreicht werden, dass die Barbaren von weiteren Vergewaltigungen und Verschleppungen absehen mussten.

 

Der Krieg hatte ohnehin schon neben den Gefallenen im Kampf auch eine große Menge Opfer unter den Joseon Frauen gefordert. Die als Barbaren bezeichneten Jurchen, die Krieger der Qing, waren scharf auf Joseon Frauen - für das schnelle Vergnügen, für das Geld, das sie ihnen beim Verkauf einbringen würden, oder für den späteren Eigengebrauch zu Hause. Für Joseon Frauen bedeutete dies so oder so den Tod. Würden sie nicht durch die Hand der Feinde sterben, dann würden sie sich selbst das Leben nehmen müssen, denn auch schon beim leisen Verdacht einer Vergewaltigung durch den Feind hatten sie keinen Platz mehr in der Joseon Gesellschaft jener Zeit.
Insbesondere die Einnahme der Insel Ganghwa ist als ein schmerzliches Kapitel im Leben der Joseon Frauen in die Geschichte eingegangen. Wer als Frau ganz gleich welchen Alters nicht durch Barbarenhand starb, brachte sich selbst um. Unter jenen wenigen Überlebenden wiederum, sowie unter jenen verschleppten Frauen, die später wieder freigelassen wurden, mussten einige Ehen nachträglich geschieden werden, da die Männer ihre (offensichtlich, möglicherweise, wahrscheinlich, wer weiß) ´verbrauchten´ Frauen nicht mehr haben wollten...

 

Die größte Schmach war für viele jedoch, dass sich König Injo dem mandschurischen Stammesführer Hungtaiji vor aller Augen beugen musste. Mehrmals. Jenem Hungtaiji, der bereits seit 1626 Khan der Späteren Jin-Dynastie war und sich dann - nach der erfolgreichen Joseon Invasion 1636, die den Ming den letzten symbolischen Tiefschlag  versetzt hatte - zum Kaiser seiner neu gegründeten Qing-Dynastie erheben ließ. Der neue Qing Kaiser konnte zwar die Machtübernahme von den Ming in Bejing selbst nicht mehr miterleben, doch er legte mit der Unterwerfung Joseons das Fundament für seine neue Kaiserdynastie.

 

Joseons Kronprinz Sohyeon bemühte sich während seiner Zeit als Geisel der Qing in Shenyang (und später auch in Bejing) so gut er konnte. Er wurde in seiner Zeit fern von Joseon trotz aller Entbehrungen auch mit einer ungeahnten Weltoffenheit konfrontiert, die seine Sicht auf die Politik beeinflussten. Sein Vater hatte daher zunehmend Zweifel an der Eignung von Sohyeon als künftiger König. Der unerwartete Tod des Kronprinzen nach seiner Rückkehr an den Joseon Palast geht wohl auf ein Giftattentat zurück, das sein eigener Vater veranlasst hatte. Auch Sohyeons Ehefrau starb letztlich als Folge ihrer Bemühungen, den Tod ihres Mannes aufzuklären - hingerichtet wegen Verrats. Ihre drei Söhne wurden ins Exil nach Jejudo geschickt. Dort überlebte nur der jüngste. Als neuen Kronprinz hatte König Injo stattdessen seinen eigenen zweitgeborenen Sohn bestimmt, der 1649 zum König Hyojong gekrönt wurde.

 

Zuvor, 1648, war Joseon gezwungen, Prinzessinnen königlichen Bluts als Konkubinen an den Qing Regenten abzugeben. 1650 heiratete Dorgon, der defakto Regent des Qing Reiches und Onkel des noch jungen Qing Kaisers, seine erste Joseon Prinzessin. Eine zweite folgte später. Auch unter den adligen Joseon Familien mussten Ehen mit Qing geschlossen werden, um durch die neu geschaffene Verwandtschaft die Verbundenheit nach innen und außen zu stärken. Doch auch wenn die Qing nicht müde wurden, Joseon zu demütigen, hatte das im Volk genau den gegenteiligen Effekt. Nach außen musste es sich zwar beugen, doch im Innern loderte der Widerstand. (Ganz anders als die Haltung gegenüber den Ming zuvor.) Unter anderem wurde auch unerlaubter Weise (ganz offen renitent) an neuen Befestigungen gearbeitet.

 

Der neue Joseon König Hyojong, der ja selbst auf seine Zeit als Geisel der Qing zurückblicken konnte, hatte die Vision einer militärischen Operation namens ´Bukbeol´ entwickelt, die zum Ziel hatte die Qing mit einer ´Nordexpedition´ zu überraschen und zu bekriegen, um die uneingeschränkte Souveränität zurückzugewinnen. Diesen Plan konnte er während seiner zehnjährigen Regentschaft jedoch nicht umsetzen. Joseon blieb ein Vasallenstaat der Qing bis zum Ende des ersten Chinesisch-Japanischen Krieges 1895. 

연인 - Yeon-in

Lit.: Liebste


2023, 10 + 10 Episoden

 

Hauptdarsteller*innen:
-Namkoong Min
-Ahn Eun-jin
-Lee Hak-joo
-Lee Da-in
-Kim Yun-woo

 

Plot:

Eines Tages taucht der undurchschaubare Edelmann Lee Jang-hyun in Neunggun-ri auf. Er schert sich um wenig, flirtet gerne und scheint ein Geschäftsmann zu sein. Sein Auge fällt auf Yoo Gil-chae, Tochter aus angesehenem Haus. Doch die hat nur den jungen Gelehrten Nam Yeon-jun im Blick. Der wiederum interessiert sich für ihre Freundin. 

Die Invasion der Qing bringt das behütete Leben im Dorf ziemlich durcheinander. Die jungen Gelehrten wollen dem König zu Hilfe eilen. Lee Jang-hyun hingegen hält sich aus den politischen Querelen lieber raus. Und Yoo Gil-chae sieht sich unvermittelt in einer ganz neuen Rolle wieder: als Anführerin einer kleinen Flüchlingstruppe. So oder so, es geht zunächst darum, die Barbaren und den kalten Winter zu überleben... und alles, was vielleicht danach kommt, ebenfalls.

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