Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

KDrama nach Themen: Mehr Drama geht immer

Wonderful Days

Eine Familiensaga im Querschnitt. Typischer Weise enthält die Liste der Hauptdarsteller dieser Serie (s.u.) nur die ersten 3 Personen. Ich bin jedoch der Meinung, dass die gesamte Familie hierhergehört, denn die Familie ist das Thema. Klar gibt es eine Romanze (und nicht nur eine). Immer jedoch dreht es sich um die Familie - sie ist die Hauptperson. Und somit ist "Wonderful Days" das perfekte Studienobjekt, um die Familienstrukturen in Südkorea sowie die Rolle und Bedeutung der Familie im Detail zu studieren. Prädikat: "wertvoll".

 

Vorgeführt werden im gelebten Alltagsdrama Familienhierarchien, Umgangsformen, Gepflogenheiten und Traditionen. Die Kulisse hierfür bietet passender Weise das traditionelle Hanok, in diesem Fall ein Giwajib, ein Wohnhaus für eine bürgerliche Familie. Man erlebt in "Wonderful Days" Familie, wie sie gerne wäre, und Familie, wie sie wirklich ist, hinter der Fassade - mit all ihren Tabus und Lügen und Geheimnissen und Makeln. Dabei werden die Themen Behinderung, Ehebruch und Makel des/der Alleinerziehenden behandelt. Die Fragen, wer wen heiraten darf und was das dann für das Familienleben bedeutet, werden durchexerziert. Schließlich geht es auch um Stolz, Schuld, Scham, Aussöhnung, Vergebung und Emanzipation.

 

Mit dem Handlungsort Gyeongju gewinnt man zudem einen klitzekleinen Einblick in die geschichtsträchtige Silla-Stadt im Südosten Südkoreas. Die Grabhügel der Silla Könige bieten mehr als einmal eine malerische Hintergrundkulisse. Akustisch auffällig in den Dialogen ist zudem der spezifische, vergleichsweise melodische Busan-Dialekt, der in dieser Region gesprochen wird.

 

Dieses Familiendrama, in dem jeder und jede seine/ihre eigenen inneren und äußeren Kämpfe an sich und der Familie abarbeitet, wird mitfühlend, anschaulich und vielschichtig entlang zahlreicher Handlungsstränge durch die gesamte Familie erzählt. Dementsprechend hat dieses KDrama mit 50 Folgen mehr Episoden als sonst. Eins kann man dabei wirklich verstehen lernen: wie sich in Südkorea die Einzelperson für die Familie zurücknimmt, bzw. welche Kräfte man/frau aufbringen muss, um das Eigeninteresse gegenüber dem (vermeintlichen) Wohl der Familie, insbesondere der Älteren, durchzusetzen. Aufopferung und Leidensfähigkeit als Tugenden sind selbstverständlich hoch im Kurs. Sie werden dabei jedoch mal subtil und mal offen in Frage gestellt. Der Diskurs wird in der Drama-Familie geführt, aber zwangsläufig in den Familien der Zuschauer*innen fortgesetzt.

 

Eine sensible Studie und ein raffiniertes Szenario, um die tradierten Werte dem südkoreanischen Publikum vor dem Hintergrund des modernen Lebens im Jahr 2014 zur Diskussion zu stellen. Vielleicht muss man/frau zum Verständnis der ein oder anderen Dynamiken der Story auch wissen: Ehebruch ist in Südkorea erst seit 2015 straffrei, Schwangerschaftsabbruch seit 2017. Davor waren das Verbrechen. 

 

Manchmal sind die Familiendynamiken aus westlicher Sicht schier unerträglich. Auch mögen sie, was die Realität angeht, überzogen wirken. Es ist manches Mal unbegreiflich, zu welchen Entscheidungen sich die Protagonisten hinreißen lassen. Aber dann wiederum - was das Koreanische angeht - ist dies eben in der Essenz nicht überzogen. Diese Dynamiken sind real (aber nach guter Makjang-Art bieten sie dem Zuschauer durchaus auch die Möglichkeit einer Katharsis). Für westliche Zuschauer*innen sind sie jedenfalls für das Studium der kulturspezifischen Wertesysteme anschaulich, lehrreich und nicht zuletzt: hin und wieder auch nachdenklich stimmend. 

 

Randnotiz zu einem Leitmotiv, das harmlos im Hintergrund durchläuft, und über das frau sich im Laufe der Zeit anfangen kann, zu ärgen: Stets setzen sich die männlichen Familienmitglieder einfach an den gedeckten Tisch und laufen auch wieder (ohne etwa abzutragen) davon. Ganz klar, dass sich die Frauen um alles kümmern... 

참 좋은 시절 -  Cham Joheun Sijeol

Lit.: Wirklich gute Zeit
 

2014, 50 Folgen

 

Hauptdarsteller*innen:

-Youn Yuh-Jung
-Choi Hwa-Jung
-Oh Hyeon-Kyeong
-Kim Kwang-Kyu
-Kim Sang-Ho
-Kim Dan-Yul
-Hong Hwa-Ri
-Choi Kwon-Soo
-Jin Kyung

 

Plot:

Man könnte sagen, es ist die Geschichte des erfolgreichen Anwalts Kang Dong-seok, der nach 15 Jahren in seine Heimatstadt Gyeongju zurückkehrt, seine Jugendliebe wiedertrifft und dabei allerlei Verdrängtes, Vergessenes oder Verheimlichtes zu Tage fördert. Doch es ist mehr als das.

 

Eigentlich steht seine Mutter So-shim im Mittelpunkt, denn bei ihr laufen alle dramaturgischen Fäden zusammen. Sie ist praktisch der Kopf der Großfamilie, nachdem ihr untreuer Ehemann (eigentlich der älteste Sohn des Hauses) vor Jahren das Haus verlassen hat. Dies bedeutet, sie trägt nun die Verantwortung nicht nur für ihre vier Kinder, sondern auch für ihren bettlägerigen Schwiegervater, ihre zwei Schwager, drei Enkel und obendrein für die ehemalige Geliebte ihres Mannes, die mit im Hause wohnt... So-shim ist ursprünglich eine einfache Frau, die erst spät im Leben lesen und schreiben lernte, es aber nicht zuletzt durch Hingabe und fleißige Arbeit geschafft hat, ihrer Familie doch ein einigermaßen gutes Leben zu ermöglichen.

Ich bin der Meinung, Schauspielerin Youn Yuh-jung rockt die gesamte Show. Die Prozesse, durch die sie immer wieder geht, sind zahlreich und bewegend. An manchen Stellen, wo sie scheinbar sehr traditionell anmutet und ihre Entscheidungen tugendhaft im Dienste der Familie scheinen, entpuppt sie sich doch auch als wahrhaft modern. Ihre fehlende Bildung macht sie allemal mit viel Herz und gesundem Menschenverstand wett. Sie ist schon ein starkes Muttermodell. Aber dabei zeigt sie sich zugleich verletzlich und vermittelt sehr lebendig, dass diese von der Gesellschaft geforderte Mutter-Rolle praktisch übermenschlich schwer und eigentlich nicht zu leisten ist.

 

Fatale Beziehungsdynamiken sorgen für reichlich Aufregung. In ihnen wird immer wieder deutlich, dass Familie ein warmes Nest mit viel Rückhalt und Verbindlichkeit sein kann (und will). Andererseits wird auch bewegend vorgelebt, wie eng und erdrückend sie ist, wenn praktisch jeder in den persönlichen Angelegenheiten der einzelnen Familienmitglieder meint, mitreden zu müssen. Der Preis ist hoch. Ebenfalls wird deutlich, dass man diesen Familienfesseln nicht entkommt. Die Heirat wird dabei zugleich zur Doppelung der familiären Einflussnahme auf das persönliche Leben. 

 

Da ist Sohn Dong-hee (der tatsächlich nicht wirklich Soshims Sohn, sondern der ihres Mannes ist), und dessen (offiziell) jüngste Geschwister eigentlich seine eigenen Kinder aus Schultagen sind... Er (Schauspieler Ok Taecyeon ist auch bekannt als Rapper, Sänger und Songwriter) ist ein ewiger Unruhestifter und bewegt sich gerne am Rande der Legalität. Er durchläuft einige Entwicklungsprozesse und es ist interessant, ihm im Zuge der 50 Episoden beim Erwachsenwerden zuzusehen. 

 

Seine beiden Zwillinge wiederum bieten ein oft witzig pointiertes Feld, um Familienhierarchien unter die sozialkritische Lupe zu nehmen. Gegenüber dem dritten, geringfügig älteren Kind im Haus sind sie offiziell Onkel und Tante - das schafft mehr als einmal Raum für herzerfrischendes Family-Mobbing. Und dann sind die Kids natürlich irgendwann auch auf der Suche nach ihrer leiblichen Mutter... 

 

Da ist So-shims herzensgute Tochter Dong-ok, Zwillingsschwester von Dong-seok, die seit einem Unfall vor vielen Jahren aufgrund einer Gehirnverletzung in ihrer kognitiven Entwicklung eingeschränkt war. In der Begegnung mit einem jungen Arzt werden sie und ihre Familie mit der Frage konfrontiert, ob es sein kann, dass sich ein Mann wirklich aufrichtig in sie verlieben könnte (bzw. darf). Das Geheimnis jenes Unfalls erweist sich als ein besonders weitreichendes Schlüsselereignis, das noch mehr Leben in und um die Familie Kang bis heute erschüttert - dazu kommt im Verlauf einiges ans Licht.

 

An Dong-seok, dem älteste Sohn von So-shim, entzündet sich meistens der Streit. Er  verkörpert beruflichen Erfolg, modernes Denken, Selbstbewusstsein und ist offiziell nach außen der Star der Familie. Doch dafür stellte er einst sein persönliches Interesse über das und gegen das der Familie. Dies wurde ihm nicht vergessen. Mit diesem Makel wird er nach seiner Rückkehr bei jeder Gelegenheit gerne konfrontiert.

 

Die beiden Schwager von So-shim, ebenfalls Zwillinge (ein Familien-Gen?), sind noch unverheiratet und leben im Haus der Großfamilie. Ihre Romanzen bringen ein paar heitere Momente in die ansonsten immer wieder zermürbend moralischen Auseinandersetzungen zwischen den Familienmitgliedern.

 

Die ehemalige Geliebte von So-shims davongelaufenen Ehemann lebt inzwischen eine eigentlich sehr schöne Frauenfreundschaft mit So-shim. Die beiden teilen geradezu schwesterlich das elterliche Schlafzimmer. Sie hilft wo sie kann, doch ihre offizielle Stellung in der Familie ist eigentlich keine. Auch dieses Szenario nimmt im Verlauf der Geschichte einiges an Fahrt auf...

 

Den Hauptspannungsbogen richtet Amor jedoch auf Dong-soek und seine Jugendliebe Cha Hae-won. Sie wollen, aber dürfen nicht zusammenkommen. Zwischen ihren beiden Familien gibt es einiges an unerledigten Geschäften, denn einst arbeitete So-shim dort als Dienstmädchen. Heute wiederum ist Hae-wons Familie verarmt, während So-shim mit dem eigenen Schweinsfüße-Restaurant gut dasteht. 

 

Zu allem Übel bandelt sich auch zwischen Dong-soeks Bruder Dong-tak (alleinerziehender Vater) und Hae-wons Schwester Hae-Joo etwas an, das die Story zusätzlich verkompliziert und dabei noch ein paar weitere Erkenntnisse über südkoreanische Familienmoral liefert.

 

Und So-shims bettlägeriger Schwiegervater schließlich, den die Familie im Schichtdienst liebevoll aufopfernd und ohne zu murren pflegt, spricht im Zweifelsfall immer wieder von seinem Bett aus das Machtwort...

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