Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

The Glory

"The Glory" kommt zum Jahreswechsel 2022/23 mit einem rechten Paukenschlag. Mit einem High-end Produktionsteam in allen Instanzen verzwirbelt "The Glory" clever das brennende Thema ´Bullying´ mit dem Dauerbrenner ´Rachefeldzug´. Das Ergebnis ist packend, intensiv, rundum gelungen. 

 

Für das traurige Thema Bullying wurde 2022 von den Streaming Diensten gleich mehrmals die Bühne freigeräumt ("siehe auch "Weak Hero Class 1" und "Revenge of Others"). Alle diese Geschichten sind unfassbar in ihrer Brutalität und Grausamkeit - Teenager gegen Teenager! Ohne Gnade. Ohne Mitleid. Ohne Skrupel. Ohne Schuldgefühl. Die Grausamkeit will ich mal gar nicht den Streaming-Anbietern zur Last legen, im Gegenteil. Vielleicht ist das Thema bei ihnen sogar in den besseren Händen, da sie kein Problem damit haben, radikale Szenen zu zeigen. Es ist schlichtweg skandalös, dass solches Bullying - auch wenn es nur halb so drastisch ablaufen sollte - an Schulen und unter Jugendlichen zum Alltag gehört. Noch skandalöser, dass Eltern und Lehrer dies dulden oder sogar aktiv mit tragen und auch tatkräftig unterstützen.

 

"The Glory" (insbesondere Teil 1) schwenkt zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her und zeichnet dabei ein komplexes Bild der einzelnen Charaktere. Damals die Täter*innen werden heute zu Opfern. Damals das Opfer will endlich aus ihrer Rolle raus und ihren Malträtierer*innen ebenfalls das Leben zur Hölle machen. Die leidvolle Vergangenheit liefert das moralische Gerüst, wodurch die Zuschauer*innen die Selbstjustiz abnicken können. Ganz konkret gewinnt die Protagonistin auch Gehilf*innen auf ihrem Weg.

 

In "The Glory" ist außer der kleinen Tochter der Täterin keine/r wirklich glücklich. Die blasierten Mobber*innen von damals leben gelangweilt und/oder zugedröhnt und immer noch in ihrer arroganten Rolle gefangen vor sich hin. Immer noch in ihrer Clique von damals in unguten Banden verstrickt.  Wahre Freunde hat keine/r von ihnen gefunden. Vertrauen und Liebe ist in ihrem Leben ein Wort ohne Substanz. Sie leben in einer Variation von Hölle, die lediglich durch Seide und Plüsch aufgehübscht und getarnt ist.

 

Das Opfer von damals hat hingegen, so traurig die Umstände auch sind, einen Sinn, eine Richtung, einen Inhalt in ihrem Leben gefunden. Dabei hat sie obendrein unfreiwillig Freunde gewonnen. Da sie am eigen Leib erfahren musste, was die Hölle ist, kann sie davon zumindest unterscheiden, wenn sich zwischendurch auch andere Erfahrungen kurzer Glücksmomente andeuten. Diese Erfahrung (wie Glück sich im Vergleich zu Leid tatsächlich anfühlt) hat sie ihren Kontrahent*innen voraus, denn die haben nicht einmal ein Bewusstsein darüber, dass sie in einer Hölle emotionaler Leere leben. Sie ahnen es erst, als ihr Kartenhaus durch Moon Dong-eun ins Wanken zu geraten droht und sie sich den Illusionen ihres selbstgefälligen Lebens stellen müssen.

 

Noch ist die Geschichte nicht zu Ende erzählt. Teil 2 folgt erst im März. Mal sehen, wie Moon Deun-uns Pläne aufgehen, denn immerhin hat sie sich mit einer angelegt, die auf gar keinen Fall bereit ist, klein bei zu geben.

 

---------- EDIT nachdem ich die zweite Staffel gesehen habe -------------------
Die zweite Hälfte dreht sich eindeutig um die Rache.  Manche sagen ja, Rache ist süß. In diesem Fall nimmt sie einen drastischen Verlauf. Und in "The Glory" haben die Übeltäter*innen ihre Strafe offensichtlich mehr als verdient. Unter ihnen ist derart viel Gewalt und Missbrauch, dass man/frau es stellenweise fast nicht mit ansehen mag. (Ich finde, Netflix hat dabei mal wieder eine unnötige Schippe draufgelegt.) Nichtsdestotrotz bleibt es spannend. In jedem Fall wartet das KDrama mit einem stimmigen Ende auf.

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PS.:

(Die Autorin ist übrigens selbst Mutter einer Oberschülerin in Südkorea.)

 

 

Randnotiz: Fiktion und Realität sind nicht so weit voneinander entfernt

Manche mögen sagen, dass die Bullying-Brutalität in "The Glory" - etwa in der Szene mit dem Lockenstab - übertrieben dargestellt wurde. Tatsächlich gab es im Jahr 2006 in Südkorea einen genau solchen Fall. In einer Mittelschule in Cheongju wurde eine Schülerin von drei Mitschülerinnen wegen Geld gemobbt. Da sie nicht lieferte, wurde sie mit einem Baseballschläger geschlagen, mit einer Haarspange gepeinigt, mit Füßen und Fäusten getreten und mit einem heißen Lockenstab an den Armen mit Brandwunden versehen. Zeit zum Verheilen hatten die Verbrennungen nicht, denn alle paar Tage testeten die Mädchen die Temperatur des Lockenstabs an den Armen des Opfers erneut. Im Gegenteil, heilende Brandblasen wurden von den Mobberinnen mit den Fingernägeln gezielt wieder entfernt. Die brutalen Schläge führten außerdem zu einer Verletzung des Steißbeins, die einen sechswöchigen Krankenhausaufenthalt zur Folge hatte.

 

Tatsächlich wurden die Täterinnen in diesem realen Fall in Cheongju anscheinend offiziell bestraft, nachdem das Opfer entgegen den Drohungen die Täterinnen namentlich anzeigte. Und nicht nur die Täterinnen, auch die Schulverwaltung und Lehrer*innen wurden offenbar angemahnt. (Wie Opfer, Täterinnen und Schule danach weiter mit einander umgingen, geht allerdings aus den Polizeiakten nicht mehr hervor).

 

 

PS:

Das Thema MOBBING/BULLYING  an Schulen ist in unzähligen KDramen fast wie selbstverständlich gegenwärtig. Ausdrücklich im Mittelpunkt des Plots steht es jedoch ebenfalls z.B. in:

 더 글로리 - Deo Geullori

Lit: The Glory (anglizistisch)

 

2022, 16 Episoden

 

Hauptdarsteller*innen:

-Song Hye-kyo
-Lee Do-hyun
-Lim Ji-yeon
-Yeom Hye-ran
-Park Sung-hoon
-Jung Sung-il

 

Plot:

Moon Dong-eun wurde als Oberschülerin brutal von ihren Mitschüler*innen, einer Gruppe um die Tochter aus reichem Hause, Park Yeon-jin, körperlich und seelisch drangsaliert. Hilfe von außen bekam sie keine. Die Schule brach sie in ihrer Verzweiflung kurz vor dem Abschluss ab.

 

Knapp 2 Jahrzehnte später kommt sie zurück an ihre ehemalige Oberschule. Mittlerweile wurde daraus eine Privatschule. Moon Dong-eun ist heute Grundschullehrerin - dank Abendschule und zwei Anläufen fürs Examen. Aus gutem Grund: Sie hat einen Plan und setzt diesen nun konsequent um. Indem sie die Klassenlehrerin von Park Yeon-jins Tochter wird, wirbelt sie ihre alten Mitschüler* innen ziemlich auf und hat auch sonst einiges im Gepäck, das sie nun Stück für Stück offenlegt, um die Mobber-Clique von damals aufzumischen und in Schwierigkeiten zu bringen. Dabei erhält sie tatkräftige Unterstützung, unter anderem von dem jungen Arzt Joo Yeo-jeong, der selbst mit einer seelisch an ihm nagenden Vergangenheit zu kämpfen hat.

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