KDrama nach Themen: Historiendramen
Vorsicht: diese Serie erzählt eine koreanische Geschichte, sie erzählt von koreanischen Schicksalen. Aber es handelt sich nicht um ein KDrama. Es ist eine (westliche) Apple-Produktion bei der wohl einige (Apple-)Produzent*innen aus den USA mitzureden hatten.
Vorab also ein bisschen Kritik an der amerikanischen Serienadaption eines Bestsellerromans, der ´zufällig´ ein koreanisches Schicksal zum Thema hat. (Bevor ich dann schon auch noch in Lob übergehe...)
An der Produktion mögen Amerikaner*innen koranischen Familienhintergrunds mitgewirkt haben (die Regisseure, die Verantwortliche für die Skriptadaption und jede Menge Schauspieler*innen beispielsweise). Dennoch ist und bleibt es eine amerikanische Produktion. Das Traurige daran: die Serienproduktion wiederholt gewissermaßen - wenn man/frau so will - in einer medialen Neuauflage das Thema der Geschichte: in dem Fall Unterdrückung und Ausbeutung der ´koreanischen Erzählweise´, ´koreanischer Schicksale´ und sogar ein bisschen der KDrama-Seele...
Warum ein Buch, das auf rund 500 Seiten am Beispiel mehrerer Generationen einer koreanischen Familie und ihre persönlichen Schicksale vor dem Hintergrund japanischer Kolonialisierung und Rassismus bis heute erzählt, auf NUR 8 Episoden reduzieren? Warum nicht den Raum nutzen und die Story in mindestens 20 Folgen nacherzählen, oder 50 gar? Ganz einfach: die Serienproduktion ist nicht südkoreanischen Ursprungs und sie ist nicht für das südkoreanische Fernsehen gemacht, sondern für den internationalen Streaming Markt. Der Rest der Welt ist nicht soooo sehr am Koreanischen interessiert, aber lässt sich durchaus von koreanischen Schicksalen berühren. Also muss sich die Begeisterung für den ursprünglichen Bestseller im binge-fähigen, kompakten Format bunt und bewegend aufbereitet geschickt vermarkten lassen, um neue Streaming-Abonnent*innen zu Apple zu locken. Die Welt (jene, die das Buch noch nicht gelesen, aber nun die Serie geschaut hat) ist erschüttert und berührt von dem, was zwischen Japan und Südkorea abging, bis heute für viele Koreaner*innen prägend ist, und dabei dem Rest der Welt so viele Jahrzehnte gar nicht bewusst war. Allerdings wurden in der Serienadaption weniger die einzelnen Schicksale erzählt als vielmehr auf einprägsame Grundemotionen reduziert und diese gleichsam als generationenübergreifendes Leitmotiv in Schlüsselszenen über Zeitsprünge raffiniert verknotet. In deren Mittelpunkt steht Sunja - mit dem Fokus auf Sunja in ihrem dritten Lebensabschnitt. Diesen verkörpert Youn Yuh-jung, die ja schon durch ihren Oscar für "Minari" einen bleibenden Eindruck beim internationalen Publikum hinterlassen konnte und so gleichsam als ´Star´ unter vielen vergleichsweise unbekannten Schauspieler*innen reichlich Bildschirmzeit bekommt.
Nun ist es mal so.
Kommt man/frau vom KDrama, dann findet man/frau in "Pachinko" ein schönes Studienobjekt, um die unterschiedlichen Erzählweisen (Western-Style vs. Korean-Style) in Hinblick auf Emotionalität einander gegenüber zu stellen. Western Style wäre eher: ´Ich schaue den Mimen bei ihren Gefühlen zu´. Die einzelnen Sequenzen verschiedener Zeitschienen, die teilweise nur sehr kurzgetaktet aneinandergereiht werden, vermittelt diese ´westliche´ Handschrift. Das ist gleichsam westliche Sachlichkeit in der Darstellung von Emotionalität. Die (süd)koreanische Erzählweise wiederum zieht die Zuschauer*innen hinein in die Gefühlswelt. ´Ich fühle mit. Ich bin selbst auch drin.´
Nun hat bei "Pachinko" dann doch recht viel koreanisches Herzblut an der Story und Verfilmung mitgemischt. Das kann man/frau spüren. So ist tatsächlich eine interessante Hybrid-Produktion entstanden. Es ist kein KDrama, aber eine koreanische Geschichte mit viel koreanischem Herz. So weht der Geist koreanischer Erzählweise dennoch durch so manche Szene. Eigentlich ist sogar das gewählte Konzept für die Serienadaption das stärkste Element: wenn schon eine solch komplexe Familiensaga in 8 Folgen erzählen, dann durch die charakteristischen Grundemotionen in Form eindrucksvoller Szenen - weniger in Handlung, Action und Dialogen. Beispielsweise: Wenn die Mutter zur Hochzeit mit viel Liebe geradezu zeremoniell den Reis zubereitet, den sie eigentlich gar nicht essen dürfen, oder der junge Bankangestellte seinen teures Sakko in die Pfütze wirft und geradezu hemmungslos auf offener Straße zur Straßenmusik tanzt (in Japan!), oder die Großmutter nach Jahrzehnten völlig ergriffen erstmals wieder auf südkoreanischem Boden am Strand ihrer Kindheit steht... Es sind starke Szenen wie diese - eindrücklich, ohne Worte - die das Herz berühren (wollen und können), die erstaunlich viel (Zeit-)Raum bekommen. DAS, würde ich meinen, ist Korean-Style an der Erzählweise. Der hat sich hineingeschlichen in die (wenn auch dreisprachige, so doch) US-Produktion und selbstbewusst seinen Raum genommen. (Vielleicht so, wie sich die Menschen unter japanischer Vorherrschaft trotz allem Beugen und Leiden still ihre innere Würde und innere Renitenz erhalten haben...)
Und übrigens: der Titelsong ist zwar schön und gut, an dem möchte ich gar nichts aussetzen. Aber! Der Intro-Clip dazu ist mit das Schlechteste, das ich im Zuge meiner KDrama-Studien zu Gesicht bekommen habe. Nicht weil schlecht gemacht, sondern vielmehr: "Thema verfehlt". Ist ja ganz schön, dass alle Generationen hier zusammen kommen, doch die extreme Ausgelassenheit der Tanzperformance hat (jedenfalls in meinen Augen) mit dem Rest der Serie ansonsten nichts zu tun. Es wirkt eher befremdlich.. Vielleicht weil der nun im krassen Kontrast zum spezifischen, gedeckten, eher düsteren ´Han´ (koreanischer Schmerz/Weltschmerz) der Story sooo sehr shiny im poppigen US-Style daherkommt?
Dennoch: die Serie ist fesselnd, bewegend und dabei insgesamt ein eher unwirtlicher Ausflug in unwirtliche koreanische Lebenswelten, die emotional bis heute durch die japanische Kolonialzeit geprägt werden. Selbst Jahrzehnte später in Japan und in den USA präsentiert sich das Leben eher unwirtlich. Nur manchmal eröffnen sich Szenen bildgewaltig und atmosphärisch, als wollten sie daran erinnern, dass das Leben an für sich ein Geschenk ist...
Selbst wenn nur in 8 Folgen (und offenbar 8 weiteren in einer zweiten Staffel) erzählt, bietet "Pachinko" einen unvergesslichen, bildgewaltigen Ausflug in ein trauriges Segment jüngerer koreanischer Geschichte am Beispiel einer bewegenden Familien-Saga. Eine geballte Ladung an facettenreicher Zeitdokumentation, in der so viele reichhaltige Themen drinstecken, die in der Serieandaption allenfalls gestreift oder angetippt werden können. Nichtsdestotrotz. Durchaus eine Meisterleistung, das 500-Seiten Epos auf schlanke 8 Episoden zu komprimieren und dabei - ohne die Geschichte allzu sehr verbiegen zu müssen - eine stringente, zentrale, übergreifende emotionale Haltung auch im Angesicht der Unwirtlichkeit des Seins zu vermitteln: bei aller Unterdrückung wahrt die Protagonist*in Sunja (und nicht nur sie) dennoch eine stille, innere Würde, Geerdetheit und Klarheit, woraus sie die Kraft schöpft, dem Leben und seinen Herausforderungen immer wieder aufs Neue zu begegnen - in aller Schlichtheit.
Respekt! (Auch wenn es sich um kein KDrama als solches handelt, gebe ich dennoch das) Prädikat "Wertvoll"!
PS:
Nachtrag 2024: Aufgrund des Erfolgs gibt es inzwischen die zweite Staffel, die ich allerdings (noch?) nicht gesehen habe...
"Pachinko - Ein Einfaches Leben"
2022, 8 Episoden
Hauptdarsteller*innen:
-Youn Yuh-jung
-Soji Arai
-Jin Ha
-Han Jun-woo
-Jeong In-ji
-Jung Eun-chae
-Kim Min-ha
-Lee Min-ho
-Kaho Minami
-Steve Sanghyun Noh
-Anna Sawai
-Jimmi Simpson
Plot:
Die Familien-Saga verwebt die Lebenswege von 4 Generationen, in deren Mittelpunkt Sunja, Tochter einfacher Herkunft, steht, die in jungen Jahren hochschwanger ihre Heimat verlassen musste. Die Japanische Kolonialzeit hat dem Schicksal der gesamten Familie ihren prägenden Stempel aufgedrückt, der bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nachwirkt. Was die Familie durchmachen musste, wird in Zeitsprüngen und exemplarischen Sequenzen erzählt, die in Korea, Japan und in den USA spielen.