Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Historiendramen

Chicago Typewriter

"Chicago Typewriter" hat bei mir zwei Anläufe benötigt. Beim ersten Mal wusste ich nicht so recht, was ich da sollte. Ein von Erfolg und Geld verwöhnter, chicer, aber etwas paranoider Schriftsteller-Jüngling, und ein süßes Mädchen als sein Fan... die Story machte Anstalten, ein bisschen albern verspielt und oberflächlich daher zu kommen. Ich war nicht überzeugt. Obwohl ich Schauspieler Yoo Ah-in eigentlich sehr schätze.

 

Ursprünglich war ich neugierig wegen den Zeitsprünge zwischen dem Heute (2017) und der Vergangenheit (um 1930, als Korea japanische Kolonie war). Einer der beiden Handlungsstränge von Chicago Typewriter ist im Kontext der Gwangju Studentenbewegung 1930 angesiedelt. Die japanische Expansionspolitik hatte Anfang 1930er Jahren ihren Höhepunkt erreicht. In Bezug auf Korea wurde notfalls mit Gewalt eine rigorose Assimilierungspolitik verfolgt. Ethnische Diskriminierungen im Alltag (die sich bis heute als Rassismus gehalten hat) waren an der Tagesordnung und prinzipiell wurde die koreanische Sprache, Kultur und Geschichte im Rahmen einer japanischen Kolonialerziehung systematisch unterdrückt. Die erste Gwangju Studentenbewegung, die in eine landesweite Anti-Japan-Demonstration mündete, wurde im November 1929 ausgelöst, nachdem eine koreanische Studentin durch japanische Studenten belästigt worden war. Dieser Übergriff war sicherlich nicht der erste, doch die koreanische Studentenbewegung hatte sich derart formiert, dass auf diesen Vorfall spontan eine groß angelegte Straßendemonstration in Gwangju stattfand. Die Stimmung schwappte auf das ganze Land über.

 

Doch bezüglich dieses historischen Handlungsstranges tat sich gefühlt recht lange nicht so richtig was. Beim ersten Anlauf mit diesem KDrama schaffte ich es dementsprechend nicht über den "Anfang" hinaus. Dennoch, irgendwie stolperte ich weiterhin immer wieder über dieses KDrama und so ließ es mich nicht los. Also. Neuer Versuch. Und siehe da, mit etwas Geduld nahm mich das KDrama dann doch bei der Hand und entwickelte eine spannende Story mit viel Herzblut und atmosphärischer Dichte, insbesondere wenn es um die 1930iger Jahre ging. Der Einblick in jene Zeit der Unterdrückung hinterließ bleibende Eindrücke. Die Beziehungsdynamik zwischen den Leads war zwar v.a. in der Jetzt-Zeit schon manchmal für meinen Geschmack etwas zu luftig, harmlos und am Rand der Albernheit, sie wurde jedoch im Zusammenhang mit der Mission in jenen 1930iger Jahren ausbalanciert.

 

Dabei jongliert das KDrama einerseits mit dem Konzept der Reinkarnation und andererseits mit dem Konzept, dass manche Menschen nach ihrem Tod als Geister in den erdnahen Bereichen, manchmal sogar sehr konkret im räumlichen Umfeld ihres unerlösten abrupten Endes verweilen, bis sie dann doch irgendwie erlöst werden. Beides sind beliebte Motive, die häufig in KDramen aufgegriffen werden. In diesem Fall ist den Macher*innen eine besonders schöne und auch tiefgründige Story gelungen in Hinblick auf den Aspekt Erlösung. Die Charaktere bekommen 2017 gleichsam eine zweite Chance: sie haben die Wahl, ob sie im bekannten Muster weitermachen oder neue Entscheidungen treffen wollen. Sie haben zudem die Möglichkeit, sich mit vergangener Schuld oder offenen Fragen auszusöhnen, das was noch an Energie in der Vergangenheit hängt, loszulassen und im JETZT weiterzugehen. Rund um diesen Aspekt der Zeitsprünge wird ungeniert kreativ mit liebevollen Details jongliert. Dabei wird einer der Protagonisten, der seit 1930 als Geist von der Erde nicht wegkommt, zur verbindenden und treibenden Kraft, die beide Zeitstränge gleichsam zusammenhält. Eine besondere Pointe dabei:  Der Ghost von damals wird 2017 in der Begegnung mit seinen reinkarnierten Mitstreiter*innen zum "Ghostwriter".  Eine weitere Pointe: der Titel "Chicago Typewriter" ist doppeldeutig und bezieht sich sowohl auf die Schreibmaschine als "Waffe" (mit Worten) der studentischen Untergrundbewegung, als auch auf das Thompson Maschinengewehr - eine Schnellfeuerwaffe, die in jener Zeit in Mode war und ihren "Spitznamen" ursprünglich aufgrund ihres charakteristischen ratternden Abschussgeräusches erhalten hatte.

 

Im Verlauf der Geschichte beschleunigt sich die Taktung der Sequenzen, die in der Vergangenheit spielen - in Form von plötzlichen Erinnerungen oder Träumen. Je schneller die Zeitsprünge aufeinander folgen, desto höher steigt die Spannung. Es wird richtig dramatisch, sowohl in der Vergangenheit als auch heute... In jedem Fall bekommt man durch das KDrama eine anschauliche Vorstellung vom Gebaren der Japanischen Kolonialherren und der sich dagegen auflehnenden Widerstandsbewegung. "Chicago Typewriter" ist zudem in Sachen Mode und Ausstattung eine rechte Augenweide - sowohl 2017, als auch 1930! "Chicago Typewriter" ist allem voran eine bewegende Geschichte über Freundschaft. Und nicht zu vergessen: eine berührende Lovestory...

시카고 타자기 - Sikago Tajagi

Lit: Chicago Schreibmaschine

 

2017, 16 Folgen

 

Hauptdarsteller*innen:

-Yoo Ah-in
-Im Soo-jung
-Go Kyung-pyo

 

Plot:

Die Story konzentriert sich um drei koreanische Widerstandkämpfer*innen während der Studentenbewegung 1930, die sich im Jahr 2017 wieder begegnen. Es gibt zudem noch weitere Figuren, die damals wie heute eine Rolle im Leben der drei Protagonist*innen spiel/ten. Doch die wenigsten sind sich dieses vergangenen Lebens bewusst, wenngleich sie bis heute dadurch in Form charakteristischer Eigenheiten geprägt sind.

 

Der eine der Protagonisten ist heute ein weltberühmter Schriftsteller, der jedoch von einem Stalker belästigt wird und unter einer Schreibblockade leidet. Der andere ist seit über 80 Jahren ein Geist, der in einer alten Schreibmaschine festsitzt und auf deren rechtmäßigen Besitzer wartet. Die dritte ist eine Tierärztin sowie zugleich erster Fan jenes Bestsellerautors. Ihre Wege kreuzen sich und bieten ihnen die Möglichkeit, die Erlebnisse ihrer Vergangenheit, die bis heute nachwirken, zu transformieren, um fortan frei davon ihr Leben zu gestalten (oder endgültig die Erde zu verlassen). Dabei rücken die Ereignisse von damals noch einmal ins Bewusstsein und werfen so manches Licht auf offene Fragen, auf die Ereignisse jener Zeit, auf Verrat, Schuld und Tat.

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