Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Mehr Drama geht immer

Curtain Call

Ich stelle fest, dass 2022 der Anteil an Makjang in Südkoreas Serienproduktionen spürbar abgeklungen ist. Mit den 3 Staffeln "The Penthouse" in 2021 wurde die Boshaftigkeit im "War of Life" wohl derart auf die Spitze des bislang Möglichen getrieben, das sie nun vorerst ausgereizt ist? "Curtain Call"  mag dementsprechend eine  ziemlich ´weichgespülte´ Makjang-Serie sein,  dennoch platziere ich sie unter "Mehr Drama geht immer". Indem sie ja tatsächlich gar nicht wirklich böse sein will, repräsentiert sie - finde ich - einen nicht zu unterschätzenden, gesellschaftlichen Zeitgeist: den Wunsch nach Aussöhnung. Aussöhnung mit dem Norden. Aussöhnung zwischen den Generationen, zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Aussöhnung zwischen Pflicht und Traum. Die Suche, die Sehnsucht, die Notwendigkeit der südkoreanischen Gesellschaft, sich auf einem neuen Level auszubalancieren. Dafür steht für mich "Curtain Call".

 

Wie so oft werden dazu die Reichen unterschiedlicher Generationen ins Visier genommen. Auch in diesem Familienclan wird um das Erbe geschachert. Die dritte Generation könnte sich im Kampf um den goldenen Löffel selbst zerlegen. Aber einiges ist hier ein bisschen anders als ansonsten im KDrama Orbit.

 

Das Familienoberhaupt ist (ganz progressiv) eine Frau. Matriarchin statt Patriarch, das macht schon einen Unterschied. Sie steht zwar durchaus für Geschäftssinn und einen strengen Führungsstil, dennoch hat sie bei allem Respekt, den sie erfährt, ihr Herz für ihre Enkel*innen und Angestellten auf der Strecke nicht geopfert. Außerdem: Sie verkörpert einmal NICHT die Inkarnation abschätzigen Hochmuts. Sie ist keine, die ohne Rücksicht auf menschliche Verluste gnadenlos eigene Interessen verfolgt.

 

Sie hat eine gesunde Portion Demut bewahrt. (Das tut mal gut.) Denn sie ist selbst im hohen Alter noch nah dran an den sehr einfachen Wurzeln ihrer Herkunft. Das liegt auch daran, dass ihre Heimat im heutigen Nordkorea liegt. Die schmerzhafte Trennung bleibt ihr das ganze erfolgreiche Leben lang bewusst. Kein Geld kann ihr die Zeit zurückdrehen oder die politischen Strukturen neu ausrichten. Damit verkörpert sie stellvertretend einen Schmerz, den viele Familiengeschichten im Land teilen. Und so wird praktisch eine emotionale Brücke zu den Zuschauer*innen gebaut, worüber sie zur Sympathieträgerin der Serie werden kann.

 

Der Plot hat eigentlich enormes Potenzial für ´Mehr Drama geht immer´: der Enkel aus Nordkorea, nach dem sich die inzwischen alte und todkranke Vorsitzende in ihren letzten verbleibenden Wochen und Monaten so sehr sehnt, wird zwar gefunden. Seine Persönlichkeit taugt jedoch augenscheinlich nicht für ein seelenfriedliches Happy End und so wird stattdessen ein im nordkoreanischen Dialekt versierter Schauspieler als Fake-Enkel in die Familie eingeführt. Der macht seine Sache so gut, dass er schließlich selbst an seiner Identität zweifelt. 

 

"Curtain Call" gelingt es zwar, einige seiner Pointen gefühlvoll auszuspielen. Es gibt hier und da emotional gefühlvoll aufbereitete Volltreffer. Dennoch bleibt die Story über weite Strecken harmloser als nötig. Leider muss ich feststellen: sie hält nicht wirklich, was sie verspricht. Sie geht da kein Wagnis ein, wählt lieber warme Farben und zeichnet weiche Bilder.  Insgesamt findet "Curtain Call" zwar seine eigene Tonlage im KDrama-Orbit, allerdings hält es sich über weite Strecken zu bedeckt und zögert leider vor dem konsequenten nächsten Schritt, verharrt in Gutherzigkeit und verspielt damit dramaturgisch eine Chance. Mehr Biss hätte meiner Meinung nach wirklich nicht geschadet. Schade. 

 

Dennoch: "Curtain Call" macht schon auch Freude. Die Besetzung ist hochkarätig. Stellenweise messerscharf und zugleich pointiert witzig operiert das KDrama zudem vor dem Hintergrund der Nord-Süd-Dynamik gut gelaunt mit kleinen sozialkritischen Seitenhieben hier, da und dort. Dieses Potenzial schöpfen die Dialoge schon mal genüsslich aus. Unter dem Strich ist "Curtain Call" durchaus sehenswert, wenn man/frau mal KEINE Lust auf allzu viel Aufregung, Rache, Action, Krimi, Anwaltsgemauschel oder Liebelei hat. 

커튼콜 - Keoteunkol

Lit.: Vorhang auf

 

2022, 16 Episoden

 

Hauptdarsteller*innen:

-Kang Ha-neul
-Ha Ji-won
-Go Doo-shim
-Kwon Sang-woo
-Jung Ji-so
-Sung Dong-il
-Noh Sang-hyun

 

 

Plot:

Die CEO der Nakwon Hotel Kette Ja Geum-soon konnte ihre Heimat im heutigen Nordkorea gerade noch rechtzeitig verlassen, bevor die Grenzen gezogen wurden. Ihr Mann und ihr Sohn blieben jedoch zurück. 

 

In ihrer Sehnsucht träumte sie all die Jahre von einem Leuchtturm, als Symbol für die Hoffnung auf die Zusammenkunft mit ihrer Familie. Ihr Werdegang führte sie von der Reissuppenköchin zur CEO einer erfolgreichen Hotelkette. Und das neuste, zugleich wohl ihr letztes Hotel verkörpert nun auch ganz konkret diese Vision des Leuchtturms. 

 

Inzwischen ist Ja Geum-soon alt und todkrank. Ihrer größter Wunsch wäre es, ihren Enkel Im Moon-sung aus Nordkorea wiederzusehen, den sie nur einmal als Kind bei einer kurzen Familienzusammenführung kennenlernen durfte. Ihr langjähriger, treuer Assistent würde ihr diesen Wunsch gerne erfüllen, doch aus Im Moon-sung wurde ein Schläger, der als inzwischen Geflüchteter in China im Untergrund sein Unwesen treibt. So castet der Assistent stattdessen den Schauspieler Yoo Jae-heon. Gemeinsam mit seiner Schauspielpartnerin soll er in Ja Geum-soons Familie die Rolle der nordkoreanischen Verwandtschaft spielen - auf Zeit, bis zum Ableben der CEO. 

 

Das weckt bei allen Beteiligten innerhalb der Familie und in ihrem Umfeld die unterschiedlichsten Gefühle. Selbst romantische Empfindungen mogeln sich in die zunehmend komplizierte Gemengelage. Und dann existiert bei alledem ja auch noch der echte Enkel.

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