Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Beispiele für KMovie

Cassiopeia

Das KMovie “Cassiopeia” greift ein unangenehmes Thema auf: Präsenile Alzheimer Demenz. Demenz wird für eine zunehmend überalternde Gesellschaft immer präsenter und häufiger im persönlichen Umfeld von uns allen werden. Die meisten Fälle treten im Alter von ab 65+ auf. Dennoch ist ein geringer Prozentsatz auch schon in jüngeren Jahren betroffen. Das kann durch erbliche Faktoren bedingt sogar schon sehr früh eintreten - wie etwa im KMovie "A Moment to Remember" einfühlsam und unvergesslich dokumentiert. Doch das kann auch viele andere Ursachen haben. Eine Demenz ist in jedem Alter eine erschütternde Diagnose, da einer/m offenen Auges das eigene Leben unaufhaltsam entgleitet... schneller als man/frau ahnt, wird man/frau dann eigene Kinder, Partner*innen, Freund*innen oder Eltern nicht mehr erkennen können und auch die Körperfunktionen werden machen, was sie wollen.

 

"Cassiopeia" handelt von eine Frau in den 40ern, die von präseniler Alzheimer Demenz geradezu überrumpelt wird. Die Erzählweise ist hier jedoch etwas anders als in "A Moment to Remember". "A Moment to Remember" fängt die starke Emotionalität des mentalen Degenerationsprozesses in berührenden Szenen und einfühlsamen Beziehungsdynamiken ein und erzählt darüber die Geschichte, wie der Radiergummi im Kopf die Erinnerungen entfernt, als schmerzvollen Verlust aller Beteiligten praktisch von innen heraus. In "Cassiopeia" wiederum begleiten die Zuschauer*innen als Beobachter*innen vergleichsweise objektiv die sich summierenden sozialen Momente, in denen der exponentiell voranschreitende Zerfalls der Nervenzellen zum Ausdruck kommt - nüchtern konstatierend sozusagen. (So wie sich ja auch die Protagonistin anfangs sachlich, nüchtern, klar und eher streng präsentiert.) Emotionalität wird in diesem KDrama nicht dramaturgisch inszeniert, sondern sie ergibt sich aus der Summe von nüchtern beobachteten Situationen des individuellen Kontrollverlusts und des Auseinanderbrechens Su-jins vertrauter Welt in zwei - eine, in der noch Klarheit herrscht, und eine, die ihr fremd ist. Der Emotionalität, die darin steckt - Versagensangst, Hilflosigkeit, Scham, Ausgeliefertsein uvm. -   kann man/frau sich nicht entziehen. Sie entwickelt dabei vielmehr eine zunehmende eigentümliche Antriebskraft (so wie auch der psychische/physische Entwicklungsprozess der Protagonistin an Fahrt aufnimmt), zielstrebig ans Herz zu gehen und auch nachdenklich zu stimmen. 

 

In "A Moment to Remember" stand die Beziehungsdynamik mit dem geliebten Ehemann im Mittelpunkt, hier ist es das Porträt zwischen Tochter und Vater. In diesem Fall macht der Vater im Alter gut, was er in jüngeren Jahren nicht konnte, da er nicht da war.  

In "A Moment to Remember" steht die Protagonistin noch ganz am Anfang ihres jungen, vielversprechenden Lebens. In "Cassiopeia" hat Su-jin eine ganze Menge erreicht: sie ist Mutter, erfolgreiche Anwältin, geschieden auch. Die Tochter ist just dabei, zum Vater in die USA zu reisen. Bezeichnender Weise endet das Leben der Protagonistin, wie es bisher war, mit dem Abflug ihrer Tochter in mehrfacher Hinsicht. Da wird es sogar für die Sternenkonstellation Cassiopeia schwer, dem Leben Perspektive und Orientierung zu geben...

 

(Übrigens: baut das KMovie auf einer schönen Analogie zwischen Cassiopeia und Familie. Beide, die auf den Polarstern hinweisende Sternenkonstellation und die eigene Familie nehmen einer/m den Weg nicht ab, doch man/frau kann sich auf sie verlassen, wenn man ihn verloren hat und/oder sucht...)

 

Bewegend. Insbesondere durch die oftmals nüchtern eingefangenen Situationen, in denen die geordneten und deformierten Welten aufeinandertreffen und schließlich ineinander übergehen. Die Hilflosigkeit und Kälte der gesellschaftlichen Umwelt wirkt durch die gewählte Kameraperspektive und objektiv anmutende Erzählweise in ihrer ganzen ungeschminkten Härte und wird auf uns zurückgeworfen. So werden wir in zweifacher Hinsicht emotional hineingezogen in das Geschehen: in unserer Empathie mit Su-jin, der wir uns im Verlauf nicht entziehen können, und identifiziert mit jenen Menschen, die ihr begegnen, denn das sind wir als Zuschauer*innen ja auch. Wie gehen eigentlich wir mit Menschen um, die sichtlich die Kontrolle über ihr Leben verloren haben oder dabei sind, sie zu verlieren? Können wir das aushalten? Können wir dabei eine helfende Hand reichen? Eine Stütze sein? Und wenn es nur eine flüchtige Begegnung auf der Straße, ein/e Bekannte/r in der Nachbarschaft oder ein/e Kolleg*in bei der Arbeit ist? 

 

Cassiopeia hat bereits den Korean Association of Film Critics Awards 2022 gewonnen. Auch ich meine:  Prädikat "wertvoll".

카시오페아 - Kasiopeia

Lit.: Cassiopeia 

 

2022, 102 Minuten

 

Hauptdarsteller*innen:
-Ahn Sung-ki
-Seo Hyun-jin
-Joo Ye-rim

 

Plot:
Su-jin ist  hat erreicht, was sie wollte. Sie hat Erfolg als Anwältin und ist stolze Mutter einer süßen Tochter. Die Ehe ist leider auf der Strecke geblieben, doch immerhin ist mit ihrem Ex-Mann immer noch im Guten im Kontakt. In diesem Zusammenhang soll nun Tochter Gina in die USA zum Vater ziehen und dort die Schule besuchen. Der Abschied naht.

 

Gina fliegt in die Staaten. Su-jin gerät in einen Unfall. Im Zuge der Untersuchungen erfährt sie, dass sie unter Alzheimer leidet. Die Prognosen sind schlecht. Ihr Vater, der bislang oft auf Gina aufgepasst hatte, wenn Su-jin länger arbeiten musste, will sich nun um Su-jin kümmern. Mit ihrem Vater an ihrer Seite versucht Su-jin tapfer weiter zu gehen - begleitet von der Angst, ihre Tochter schon bald nicht mehr erkennen zu können und zum völligen Pflegefall zu werden...

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