Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

Südkorea im KDrama

Ästhetisch, gestylt & kultiviert

Bis in jedes Detail

Es ist wahrscheinlich nur die logische Konsequenz, dass eine südkoreanische Serienproduktion, die in der Erzählweise auf die Zwischenräume und Zwischentöne, in der Kameraführung auf Zeitlupen und langen Einstellungen, sowie im Schauspiel auf bedeutungsschwere Pausen und eindringliche Blicke setzt, auch die Details der Ausstattung mit Bedacht planen muss (und kann). Wenn die Kamera lange auf einer Einstellung verharrt, dann kann Frau das Auge schon mal schweifen lassen. Im KDrama wird es dabei stets reichhaltig bedient. Das ist natürlich mehr als einmal Product-Placement. Aber das macht auch mehr als einmal Spaß.

 

Lifestyle vermitteln Serien generell. Das gilt für Produktionen anderen Kulturkreise ebenso. Doch wann hat frau/man Gelegenheit, Lifestyleprodukte so eingehend in aller Ruhe zu studieren? Im KDrama auf jeden Fall.

 

KDramen sind differenziert durchgestylt. Das ist eines ihrer Qualitätsmerkmale. Das zeigt sich in der bedachten und stets stilecht passgenauen Auswahl von Locations und Architektur (innen wie außen) sowie Garderobe und Ausstattung in den Details. Das wird konsequent fortgeführt im handverlesenen Soundtrack. Außerdem habe ich in Serien sonst selten in so schöner Regelmäßigkeit die kunstvolle Inszenierung von (Natur-)Landschaften und Lichtstimmungen erlebt. Das kenne ich nur aus Filmen. Hinzu kommt, dass im KDrama auffällig häufig die Witterung und der Lauf der Jahreszeiten ästhetisch bewusst in das Geschehen integriert werden. 

 

Dies wirkt so nachhaltig auf die Zuschauer*innen, dass KDramen Modetrends auslösen und unter anderem einen regelrechten KDrama-Tourismus zu prägnanten Drehorten auslösen. Statistiken geben an, dass jedes Jahr rund 1 Mio. (überwiegend asiatische) Touristen gezielt einschlägige Serienschauplätze besichtigen. 

Mode und Lifestyle

KDramen wirken schon mal als Trendsetter. Da lohnt es sich für Unternehmen, ihre Produkte zur Verfügung zu stellen. Seoul ist als internationale, pulsierende Modemetropole für KFashion längst etabliert. Südkorea hat unter den innovativsten Ländern dieser Erde die Nase ganz vorn - nicht nur im Hightech-Segment. Einige der trendigen koreanischen Modelabel wurden durch Serien und ihre Stars international bekannt. 

 

Diese Wechselwirkung wird zum win-win für TV-Produktionsfirma, Zuschauer*innen und Unternehmen. Auch wenn sich die wenigsten einfachen Angestellten wohl die vorgeführten Designeranzüge, -kleider, -schuhe, -handtaschen, -uhren oder sonstige Accessoires der Luxusmarken leisten können, sie geben doch Modetrends vor. Sei es lässiger und dennoch chicer Streetstyle, oder eher konservativer Schnitt gepaart mit mutigen Farbkonzepten, stets präsentiert sich KFashion auffallend progressiv. 

 

Dieses Phänomen betrifft nicht nur Kleidung, sondern alle möglichen Details, darunter auch Luftbefeuchter, Akkustaubsauger, Ginseng Konzentrat für höhere Leistungsfähigkeit für Zwischendurch, erlösende Anti-Kater-Drinks nach einer durchgezechten Nacht,  Gesichtsmasken, Schmerzpflaster, stylische Bluetooth Kopfhörer etc.. Das KDrama informiert (je nach Sponsorenauswahl) über das, was angesagt sein will. Doch es informiert eben auch, was thematisch angesagt und im Bereich des Selbstverständlichen ist. Schon allein für derartige Studien lohnt es ich, das ein oder andere KDrama zu schauen.

 

Das ist meist poppig, peppig, rappig, bunt, frisch, innovativ und inspirierend. Und oft genug (da es in den Handlungen ja häufig um das eine Prozent ganz oben in der Gesellschaftspyramide geht) auch Avantgarde im Luxussegment.

 

Randnotiz:

Augenfällig dominant im südkoreanischen Kleiderschrank scheint mir der Mantel. Bevorzugt gibt es diesen in allerlei Variation. Den scheinen die Menschen dort (wenn frau dem KDrama glauben kann) so sehr zu lieben, dass sie ihn auch im Lokal nicht ausziehen. Ich bin es in meiner Kultur- und Subkulturkreis gewohnt, zuerst Mantel oder Jacke abzulegen. In Südkorea zieht man/frau die Schuhe aus. Der Mantel bleibt an. 

Landschaft und Witterung

Die klassische "Endless Love" Series mit "Winter Sonata", "Autumn in my Heart", "Summer Scent" und "Spring Waltz", die Anfang des neuen Millenniums den Hype um das KDrama weit über die südkoreanischen Grenzen getragen hat, machte die Jahreszeiten ausdrücklich zum Aufhänger aller vier Serien: Herbst, Winter, Frühling, Sommer. Doch in fast jedem KDrama hat das Wetter und die Jahreszeit seinen eigene Platz. Die (Kirsch-)Blüten im Frühjahr, die Glühwürmchen im Sommer, der Regen, der Nebel, die fallenden Blätter, der Schnee... Das ist eigentlich ganz schön. Es gibt den Szenen mehr Nachdruck und taucht die Intensität des Augenblicks in noch mehr stimmungsvolle Emotionalität. 

 

Für mich, als westlich sozialisierte Zuschauerin, mag dieser durchgängig feste Platz von Natur im Licht der Witterung im KDrama auffallen. Liest man jedoch koreanische Gedichte, ganz gleich aus welcher Zeit, dann findet sich dort dasselbe Motiv: Naturbetrachtung im Jahres- und Tageslauf.  Diese stilistische Bedeutung der Natur ist wohl seit Jahrhunderten im Konfuzianismus begründet: darin ist nicht der Mensch das Maß aller Dinge, sondern es geht zuerst um die Harmonie im Sinne einer Balance zwischen Himmel, Erde und Mensch. Damit wird der Lauf der Natur im Jahreskreis und im Wechsel von Tag und Nacht gleichsam zum Vorbild für ein solches Gleichgewicht. Die Natur (mit all ihren Erscheinungen) hat damit ihren festen Platz als moralische Orientierung und kosmisches Feedback für den Menschen auf seinem Weg durch das Leben. Die Harmonie einer malerischen Begegnung im ersten Kirschblütenregen bekommt damit auch eine philosphische Tragweite. Was für westlich sozialisierte Zuschauer*innen als nettes Detail wirken mag, ist zutiefst im koreanischen Wertesystem und Weltverständnis verwurzelt.

 

Jedenfalls schadet die Natur als festes Element im KDrama nicht. Dafür hat man ihr einen festen Platz als unterstützende Nebenrolle gesichert. Und diese wird immer wieder aufs Neue durch eine geradezu lyrische Inszenierung perfektioniert.

Architektur - innen und außen

KDramen vermitteln einen guten Eindruck von traditioneller und moderner Architektur in Südkorea. In manchen KDramen, die etwa nördlich des Han Flusses in Seoul  spielen, bewegt man sich gewissermaßen innerhalb der alten Stadtmauern und bekommt im Bukcheon Hanok Village ein Gefühl für die gewachsenen Strukturen der historischen Stadt. Dort existieren noch rund 900 traditionelle Wohnhäuser - Hanoks aus Stein, Holz, Erde und Reispapier. An dieses Quartier grenzt auch der Gyeongbokgung - der größte und eindrucksvolle Palast aus der Joseon-Dynastie, der immer wieder auch Schauplatz von Historiendramen ist. Im starken Widerspruch dazu stehen südlich des Flusses (Gangnam) die großformatigen Parzellierungen der neuen, hippen Stadt, mit Hochhäusern, die immer höher in den Stadthimmel wachsen und durch gleichförmige, orthogonal verlaufende Planstraßen erschlossen sind.

 

Südkorea gilt nicht klassischer Weise als ein Land, das sich mit einer eigenständigen modernen Architekturhandschrift hervorgetan hätte. In den Städten dominiert ein eher einfallsloser Wohnungsbau, der zu 98 Prozent durch ein in Form und Gestaltung eher simples, mehrgeschossige Apartmenthaus in unterschiedlicher Bauqualität bestimmt ist. Diese "Apate" waren Massenprodukte im Stile des Plattenbaus, die seit den 1960er Jahren im Auftrag von den Baukonzernen der Jaebeol fast ausschließlich unter Renditegesichtspunkten von der Stange entwickelt wurden. Sie verdrängten zunehmend die traditionellen Wohnhäuser. Beliebt waren die "Apates" anfangs nicht. Erst nachdem gezielt namhafte Schulen mit respektablen Abschlüssen, die eine erfolgreiche berufliche Ausbildung in Aussicht stellen, in die Neubaugebiete platziert wurden, und ein Upgrade der Ausstattung für mehr Komfort sorgte, wurden diese Apartmentsiedlungen für die Bevölkerung attraktiver. Sie gelten inzwischen als sogar bevorzugte Wohnform. Diesen Trend vermitteln die KDramen in schöner Regelmäßigkeit.

 

Individuelle, gar innovative moderne architektonische Entwürfe wiederum wurden lange ausschließlich für das eine Prozent der Jaebeol erstellt. Ausnahmen gibt es sicher auch hier, aber wenige. Erst in den letzten zehn Jahren kommt Bewegung in die südkoreanische Architekturbranche. Es wächst - ähnlich wie in der Mode - eine neue inspirierte Architekt*innen-Generation heran. Zudem gibt es Investor*innen, die über den Tellerrand blicken und die Entwicklungen in anderen Ländern berücksichtigen, sowie wohlhabende Bürger*innen, die einen hohen Anspruch an ihr Zuhause haben. Diese Dynamik der aktuellen Architekturszene kann man auch im KDrama beobachten. Bis ca. 2013 spielte die Architektur keine bedeutende Rolle. Sie war eher nichtssagend im Hintergrund. Zunehmend wird sie in besonderer Weise inszeniert - nicht nur als die exklusiven modernen Paläste der Jaebeol, sondern auch als zeitgemäße Wohnungsbauarchitektur mit nachbarschaftlicher Ausrichtung. Neuere KDramen sind daher auch gerne in den architektonisch innovativen Seouler Stadtquartieren Paju Book City oder Heyri Art Valley angesiedelt. Dort wurden in Sachen Städtebau und Gestaltung ambitionierte Weichen für ein zeitgemäßes architektonisches Selbstverständnis gelegt.

 

Parallel dazu bekommt der Erhalt der traditionellen Architektur einen neuen Stellenwert. Zunehmend werden traditionelle Hanoks neu gebaut. Auch das kann man im KDrama beobachten. Immer wieder bildet dort das modern renovierte, sanierte oder neu errichtete Hanok die Kulisse des Geschehens. Hin und wieder wird das Hanok auch als heruntergekommene und fast vergessene Variante nostalgisch gefühlvoll inszeniert. 

 

Bewegung ist ebenfalls im Bereich der südkoreanischen Innenarchitektur. Die Ausstattung der KDramen ist bis weit in die 2000er Jahre hinein noch weitgehend einfallslos, langweilig und bieder. Innenarchitektur ist im Koreanischen eher bedeutungslos, denn prinzipiell sind die Räume der einfacheren Bevölkerung schlicht und multifunktional konzipiert. Das ändert sich. Dies lässt sich derzeit noch hauptsächlich im Luxussegment beobachten, doch die Kreise weiten sich. Allemal für die oberste Schicht bietet der einheimische Designermarkt inzwischen exklusive Einzelanfertigungen aus erlesenen Materialien. Dieses Tendenz der zunehmenden Bedeutung individueller Innenarchitektur als Zeitgeist und Lifestyle spiegelt das KDrama in den letzten Jahren genüsslich. Dabei vereint die heranwachsende südkoreanische Designergeneration einmal mehr die Begeisterung für neue Technologie und eine starke Verwurzelung in der Tradition (hier: des Kunsthandwerks). Randnotiz: unter anderem machen in Südkorea rund 2.000 Auszubildene ihren Abschluss als Keramiker*innen. In Deutschland kann man sie wahrscheinlich an den Händen abzählen...

Bücher, Gedichte und Musik

Zu den auffälligen Regelmäßigkeiten in der Ausstattung von KDramen gehören reichhaltig bestückte  (öffentliche oder private) Bibliotheken sowie Szenen in Buchläden. Dies vermittelt zugleich einen charakteristischen Aspekt südkoreanischen Selbstverständnisses. Und der ist sogar in der Sprache selbst verankert - im hohen Stellenwert der Poesie. 

Randnotiz: Manche Sprachregel  in der Anwendung der koreanischen Sprache ergibt sich aus dem guten Rhythmus. Dafür lässt man schon mal eine Silbe weg oder fügt eine andere hinzu. Bislang habe ich keine Sprache kennengelernt, die so intuitiv benutzt werden kann, und die so selbstverständlich in Bildern kommuniziert. Das passt jedoch auch ganz gut zu einer eher emotional betonten Herangehensweise an das Leben, die ja auch in der Erzählweise der KDramen vorherrscht.

 

Südkorea ist nicht nur in High-tech und KFashion international Spitze, sondern auch in der Produktion von Lyrikbänden und deren hohen Auflagen spielt das Land im weltweiten Ranking an vorderster Front mit. In den Gedichten spiegelt sich über die Jahrhunderte hinweg neben zeitloser Naturbetrachtung im Einklang mit menschlichem Leid und Freud auch die schwierige und schmerzvolle Geschichte des Landes. Die Begeisterung ist jedoch nicht nur auf die eigenen Dichter*innen und Schriftsteller*innen begrenzt, sondern der Blick geht gerne über den Tellerrand hinaus. Zu Literatur und Lyrik gesellt sich wie von selbst die Musik. Und das ist nicht auf KPop Songs begrenzt. Klassische Konzerte in großen Sälen südkoreanischer Städte sind mühelos ausverkauft. Dieses Genre ist nicht einer bestimmten Altersgruppe oder Gesellschaftsschicht vorbehalten. Vielmehr werden die Künstler*innen auch von jungen Klassikfans begeistert gefeiert wie Popstars. Klassische Musik hat in Südkorea auch in der breiten und jungen Bevölkerung einen beeindruckend hohen Stellenwert. 

 

Diese Kultiviertheit in Literatur, Lyrik und klassischer Musik spiegelt ein kulturspezifisches Charakteristikum. Mühelos wird man seine Entsprechung im KDrama finden. Das KDrama stößt einen regelrecht auf diese Eigenart. Im Vergleich dazu spielt KPop als Leitmotiv für die Handlung im KDrama interessanter Weise selten eine direkte Rolle. Eher indirekt: durch Schauspieler*innen, die man/frau als KPop-Stars kennt, oder über den Soundtrack. 

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