KDrama nach Themen: Bildung & Arbeitswelt
Das KDrama „Namib“ ist nach einer der ältesten Landschaftsformationen und unwirtlichsten Gegenden dieser Erde benannt. Es handelt sich dabei geographisch um einen Ort auf dem afrikanischen Kontinent, wo der Atlantische Ozean in erbitterten Brandungen auf die Sanddünen der Wüste knallt. Die krassen Gegensätze – enorme Trockenheit einerseits und kalte Meeresströmungen andererseits – führen zu extremen Temperaturschwankungen und starken Sandstürmen. Die Region, die mit „Namib“ wörtlich als „große Leere“ bezeichnet wird, heißt auch "Tor zur Hölle" oder "das Land, das Gott im Zorn erschuf".
Was hat das mit dem KDrama zu tun? Damit sind die beiden Protagonist*innen gemeint: wie sie sich fühlen und wo sie stehen. SIE identifiziert sich dabei mit der Wüste, ER mit dem Meer. In der Tat bilden die beiden stark engagierten Hauptdarsteller*innen in ihrer hohen Intensität – nicht zuletzt ihrer Blicke, die oft mehr sagen, als Worte – ein tolles Paar. Dabei geht es jedoch nicht um ein romantisches Liebespaar. Vielmehr handelt die Story von der anspruchsvollen, komplizierten Beziehung zwischen einer Mentorin und ihrem Schützling in der gnadenlosen Idol-Industrie.
Die modernen Manufakturen der südkoreanischen Musikindustrie produzieren KPop-Stars praktisch am laufenden Band. Es ist ein Geschäft, in dem es um viel Geld geht. Dabei kann man/frau schnell vergessen, dass es sich bei den Produktlinien, die kreiert, entwickelt, perfektioniert und vermarktet werden, nicht nur um ein Investment mit möglichst hoher Rendite handelt. Tatsächlich handelt es sich um Menschen. Um junge Menschen, in einem fragilen Alter, in dem sie besonders viel Achtsamkeit, Führung, soziales Vorbild und bedingungslosen Rückhalt benötigen. Junge Menschen, für die es noch wichtig wäre, dass die Erwachsenen ihres Vertrauens sie bei allen Konflikten dennoch sehen können, zu ihnen stehen, sie unterstützen und umsichtig führen. Es geht dabei um junge Menschen, die zudem in ihrem künstlerischen Ausdruck sehr viel von sich preisgeben und sich damit besonders verletzlich machen. Es heißt nicht umsonst Schützling, denn die prädestinierten Idols benötigen einen zuverlässigen Schutzraum, um zu reifen und so ihre Talente zur vollen Blüte zu bringen.
Die Industrie jedoch sieht vor allem Talente. Die werden rekrutiert und ausgebildet. Es geht um Verträge, Rechte, Besitz. Um Verantwortung, Pflichten und extremen Druck. Starke Konkurrenz sowie durchaus auch unlautere Machenschaften bestimmen außerdem das raue Klima in der Unterhaltungsindustrie. Hinter Verträgen kann man/frau sich verstecken, Produkte kann man/frau hin und her reichen oder gar abstoßen, doch was wird aus den jungen Menschen?
In „Namib“ geht es um die soziale Verantwortung und Herausforderung in der Idol-Industrie. Um die Konflikte, Widersprüche und Dilemmata in der Beziehungskonstellation Schützling-Mentor*in. Um den Spagat zwischen effizienter Produktmanufaktur und persönlicher Rückendeckung. Oft vernachlässigt dabei: der Faktor ´Beziehung´ – eine aufrichtige, authentische Beziehung zwischen zwei Menschen, die einander wechselseitig für das, was sie sind, schätzen, respektieren und auch mögen. Ja, Gefühle füreinander gehören dazu, wenn es um Verbindlichkeit geht. Eine solche Verbindlichkeit aufzubauen und zu pflegen kann inmitten von Talentförderung, Leistungsorientierung, Konkurrenz und Mobbing schon mal anspruchsvoll sein, dabei auch gerne übersehen oder aus Bequemlichkeit vernachlässigt werden.
Beziehungen zwischen Menschen fördern früher oder später die Themen zu Tage, die jede/r so im persönlichen Gepäck mit sich trägt: darunter Motive, Hoffnungen, Konflikte und Ängste, auch die ungeliebten und verdrängten. In der Idol-Szene kommen noch ein hoher Termin- und Leistungsdruck, sowie die emotionale Intensität der Ereignisse hinzu, die oftmals verunsichern, überwältigen, so dass man/frau an die persönlichen Grenzen kommt oder sogar über sie hinausgeht. Man/frau lernt sich unter Stress unweigerlich von allen möglichen Seiten kennen. Schwächen sind an sich keine Schande. Scheitern auch nicht. Selbst bei Erwachsenen nicht. Der Unterschied besteht darin, dass Erwachsene gelernt haben (sollten), sich denen zu stellen und damit konstruktiv umzugehen. So gehen sie den jungen Menschen (im besten Fall) voran, machen Mut und werden zum Vorbild.
„Namib“ wagt sich an diese Themen und geht sie von der menschlichen Seite an. Es dreht sich daher weniger um die Details im Trainingsalltag der geförderten Talente. Im Mittelpunkt stehen vielmehr die Menschen, die jungen und die alten, und deren Beziehungen untereinander.
Insgesamt solide KDrama Unterhaltung in einem nicht so oft gezeigten Setting. Erfrischend ungewöhnlich auch die Familiensituation der Protagonist*in, in die der zeitweilige Schützling hineingezogen wird.
Vielleicht nicht der größte KDrama-Wurf, dennoch stringent und immer wieder spannend. Emotional komplex, dennoch nice-to-watch, ohne oberflächlich zu sein. „Namib“ hat Tempo, Songs und KPop-Vibes zu bieten. Es dreht sich hier zwar alles um den Nachwuchs, dennoch ist „Namib“ in meinen Augen ein recht erwachsenes KDrama.
나미브 – Namibeu
Lit.: Namib
2024, 12 Episoden
Hauptdarsteller*innen:
-Go Hyun-jung
-Ryeoun
-Yoon Sang-hyun
-Lee Jin-woo
Plot:
Kang Soo-hyuns Welt gerät ins Wanken, als sie aus dem Unternehmen Pandora Entertainment geworfen ist, das sie mit aufgebaut hat. Die Pläne, für ihren Sohn eine Fabrikgebäude zu erwerben, scheinen nun nicht mehr realisierbar. Oder doch? Ein As im Ärmel zumindest bleibt der erfahrenen Idol-Schmiedin noch: der begabte Trainee Yoo Jin-woo. Sie setzt alles auf ihn, um seinen Marktwert zu steigern, so dass sie ihn dann mit reichlich Gewinn weiterverkaufen kann…