Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Beispiele für KMovie

Oasis

"Oasis" wurde 2002 von der internationalen Filmkritik gefeiert. Regisseur und Drehbuchautor Lee Chang-dong, der bereits 1999 mit "Peppermint Candy" einen Meilenstein koreanischer Filmkunst geschaffen hatte, legte mit der ungewöhnlichen Liebesgeschichte zwischen einem geistig retardierten jungen Mann und einer jungen Frau mit infantiler Zerebralparese wenige Jahre später nochmal nach. Dabei setzte er wieder auf Sol Kyung-gu und Moon So-ri, die sich bereits in "Peppermint Candy" als Paar bewährt hatten. In "Oasis" zeigen sie nun abermals wahrlich herausragende Schauspielleistung! Die Liste er internationalen Auszeichnungen, u.a. in Venedig, Vancouver, Bergen, Brisbane, Seattle und Sevilla, sowie im eigenen Land ist lang. Verdient.

 

"Oasis" ist (Independent) KMovie pur! Es verkörpert in eindrücklicher Weise eine große Stärke südkoreanischer Filmproduktionen: Schonungslosigkeit! Wenn das gesellschaftliche Leben auch durch Fassaden, Mäntel, Make-up und den guten Ruf geprägt ist, so zeigt der moderne Kinofilm seit dem Ende der diktatorischen Zensur, was ´Independence´  wirklich bedeutet. Die Freiheit, die Dinge endlich zu zeigen, wie sie wirklich sind! Keine Angst vor dem was weh tut, hässlich ist, abscheulich ist! Die brutale Offenlegung menschlicher Abgründe, denen die Seele im Laufe eines Menschenleben schon mal ausgesetzt wird. Situationen und Momente im Leben, die man/frau gerne schnell wieder zu vergessen versucht. Die Grausamkeiten, die Menschen einander anzutun in der Lage sind. Der Blick hinter die Fassaden und unter die Mäntel, wo wir nackt und ungeschminkt sind, allein und verletzlich. Doch wo wir auch aufrichtig und echt sind, so, wie wir wirklich sind, woraus dann eine neue Form von Schönheit und Stärke wachsen kann. KMovies fördern selbst die ungeliebten, unschönen, verdrängten, verachteten, perversen, hemmungslosen, verstörenden menschlichen Emotionen in grandioser Intensität zu Tage, die oft so authentisch präsentiert werden, dass es weh tut (weil es so wahr ist). Die Protagonist*innen haben dabei keinerlei Anspruch, dass ´wir´ sie mögen, geschweige denn sympathisch finden. Dieser kreative Mut zur Inszenierung und (!) diese Bereitschaft zur Rezeption dieser filmischen Werke ist (nach meinem Empfinden) nahezu einzigartig. "Oasis" bietet eine eindrucksvolle Verkörperung dieser künstlerischen Grundhaltung.

 

Hier geht es um zwei Menschen, die von ihrem persönlichen Umfeld am liebsten sozial isoliert und ganz konkret weggesperrt werden. Sie sind in den Augen ihrer Familien nicht vorzeigefähig. In ihrer Behinderung sind sie letztlich nur lästig, machen Arbeit und Ärger, irritieren die ´Normalen´ durch ihre unberechenbares Verhalten, tragen nicht wirklich was bei... Die Familien schämen sich für sie.

Das KMovie zeigt ungeschönt, wie ´uns´ soziale Normen wichtiger sind als Menschen. "Oasis" gibt einen kleinen, ungeschönten Einblick in das Leben jener ´Missratenen´. Und siehe da! Es sind sensible, seelenvolle Menschen wie ´wir´ - mit Gefühlen, Träumen und Sehnsüchten. Menschen, die sich verlieben. Menschen, die Beziehungen eingehen. Menschen. Liebenswerte Menschen. Erwachsene Menschen mit einem eigenen Leben.

 

´Er´ ist ein körperlich gesunder Mann Ende 20, jedoch auf dem geistigen Niveau eines ca. 8 Jährigen. Er ist stark, aber leicht manipulierbar und eher einfältig. ´Sie´ wiederum ist aufgrund ihrer schwerwiegenden infantilen Zerebralparese körperlich derart eingeschränkt, dass sie auf fremde Hilfe angewiesen ist. Aufgrund der Beeinträchtigungen ihres Nervensystems, die sich auf die Willkürmotorik auswirkt, kommt es dabei auch zu Sprachstörungen, Spasmen, sowie sensorischen und motorischen Einschränkungen. Intelligenz ist eigentlich nicht ihr Problem, doch jene junge Frau in "Oasis" wurde offenbar nicht gezielt gefördert, lediglich grundversorgt. Sie kann sich kaum mitteilen.

Wie die Familien jeweils mit den beiden umgehen, ist horrend. Tatsächlich werden beide hemmungslos von ihren Familien ausgenutzt und für deren eigene Zwecke missbraucht. Und beide sind dem hilflos ausgeliefert. Er, weil er es nicht begreift. Sie, weil sie körperlich auf helfende Hände angewiesen ist.

Die romantische Beziehung zwischen den beiden ist sehr speziell. Ihr Auftakt geradezu fragwürdig. Und doch sind die beiden als das seltsame Paar, das sie sind, glücklich miteinander. Das Bild der Oase springt aus dem Bilderrahmen an der Wand und füllt den Raum. Die beiden haben in ihrer Zweisamkeit einen Raum geschaffen, in dem ihre Seelen auftanken können, in dem sie so sein können, wie es ihnen sonst verwehrt ist. Er ist der verantwortliche Mann und sie die begehrenswerte Frau! Diese Wirklichkeit ist dem Rest der Gesellschaft völlig fremd. Die Familien kommen nicht einmal annähernd auf den Gedanken, dass das so sein könnte, dass sich die beiden aufrichtig lieben - so wie sie sind. Dass die beiden das vermögen, was nicht einmal ihren je eigenen Familien möglich ist.

 

Diese Beziehungsqualität trotz aller Widrigkeiten authentisch dem Publikum nahe zu bringen, darin liegt die einzigartige Schönheit und die Kraft von "Oasis". Auch wenn ´schön´ ansonsten kein Attribut ist, das man/frau direkt mit dem KMovie assoziieren würde. Die Welt der beiden ist nicht schön. Und wie die beiden von ihrer Umwelt gesehen und behandelt werden, ist auch nicht schön. Wie sie miteinander umgehen, mag zwangsläufig mehr als ungelenk sein. Aber ihre Gefühle füreinander strahlen eine ungeahnte Anmut aus. Diese münden in ein geradezu leidenschaftlich fulminantes Finale, wenn ER alles riskiert, um sein Versprechen an SIE einzulösen: die Äste des Baumes vor ihrem Fenster absägen, die doch immer nur Schatten auf ihr geliebtes Oasenbild werfen... 

 

Wir bleiben nachdenklich zurück. Berührt und stellvertretend für die beiden Familien sowie den Rest der Gesellschaft, die ´wir´ in unserer Überheblichkeit so blind für die Welt der beiden sind: beschämt. 

 

Prädikat "besonders wertvoll".

오아시스 - Oasiseu
Lit.: Oase (anglizistisch)
 
 
2002, 132 Minuten
 
Hauptdarsteller*innen:
-Sol Kyung-gu
-Moon So-ri
-Ahn Nae-sang
 
Plot:

Hong Jong-du ist 29, als er seine zweieinhalbjährige Haftstraße wegen Fahrerflucht mit Todesfolge abgesessen hat. Seine Familie ist zwischenzeitlich umgezogen, hat es jedoch vorgezogen, ihn nicht darüber zu informieren... Kaum wieder auf freiem Fuß, besucht Jong-du die Hinterbliebenen des Todesopfers. Der Sohn zieht gerade in eine schönere Wohnung. Die Tochter ist eine junge Frau mit schwerer körperlicher Behinderung. Allerdings nimmt ihr Bruder sie nicht mit in die neue Wohnung, obwohl er diese nur bekommen hat, da er seine schwerbehinderte Schwester zu Hause pflegt. Seine Schwester lässt er jedoch alleine in der alten Wohnung zurück. Die Nachbarin soll ab und an nach ihr schauen...

 

Jong-du kann die junge Frau nicht vergessen und sucht sie wieder und wieder auf. Zunächst verschafft er sich ungefragt Zugang zur Wohnung und auch zu ihr. Darüber stolpern die beiden jedoch in eine ungeahnte Liebesbeziehung. Völlig unerfahren. Stellenweise überfordert. Dennoch unerschrocken. Für ihr soziales Umfeld jedoch nicht nachzuvollziehen.

 

Es kommt zum Eklat.

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