Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Von der Macht der Mächtigen

Don´t Look Back: Legend of Orpheus

"Don´t Look Back: The Legend of Orpheus" spielt im Titel nicht nur auf die antike Legende von Orpheus an, sondern auch auf Marc Chagalls gleichnamiges Gemälde an, das im KDrama als Leitmotiv zu finden ist. Im Original lautet der Serientitel "Hai" - auch dies eine Allegorie als Leitmotiv. Beide zusammen beschreiben im Grund worum es hier geht. Die Mythologie: Orpheus kommt letztlich mit seiner großen Liebe Eurydike nicht zusammen - auch wenn er sie aus dem Totenreich holen kommt, so schafft er es doch nicht, auf den "Blick zurück" zu verzichten (die Bedingung, damit die Rettung gelingen kann). Auf die Geschichte der Serie bezogen könnte das bedeuten: der Protagonist müsste auf seine Rache - sein Verhaftet-Sein in der Vergangenheit - verzichten. Und damit sind wir beim Kern der Story: Rache.

 

Die Story ist in der Welt der Jaebeol angesiedelt, deren Machenschaften das Schicksalsrad gewaltig antreiben. Sie hören nicht auf, die Welt ohne Rücksicht auf Verluste nach ihrem Sinne zu gestalten. Der Protagonist tritt beherzt gegen einen der ganz großen an, eigentlich sogar gegen zwei. Es wird auf allen Seiten reichlich manipuliert - als würde man an den Fäden von Marionetten ziehen. Manchmal mag man an Voodoo-Puppen denken... Polizei und Anwälte rennen den Ereignissen hinterher.

 

Eine feine Studie darüber, wie Unrecht mit Selbstjustiz ausgeglichen werden soll. Doch wieder gut machen, das ist nicht möglich. Der Vater des Protagonisten ist und bleibt tot. Das mit der Rache ist in diesem Fall zudem nicht so einfach, denn im Zuge seiner Schachzüge stolpert der Protagonist über Wahrheiten, mit denen er nicht gerechnet hätte, und über eine Liebe, der die Rache im Wege steht.

 

Der koreanische Originaltitel "Hai" bezieht sich auf ein zweites Leitmotiv: den Weißspitzen Hochseehai. Der Protagonist empfindet von Kind an eine große Affinität und Mitgefühl mit diesem Raubfisch. Hochseehaie müssen immer in Bewegung bleiben. Dabei bleibt ihr Maul geöffnet, so dass laufend frisches, sauerstoffreiches Wasser an ihre Kiemen gelangt und sie atmen können. Stillstand bedeutet, keine frische Sauerstoffzufuhr und ihren sicheren Tod. Damit sind sie zwangsläufig zu jeder Tages- und Nachtzeit aktiv und stets gefährlich. Hochseehaie sind außerdem immer allein unterwegs. Höchstens zur Jagd schließen sie sich auch mal in Gruppen zusammen. 

 

Wenn auch der Hai selbst für seine Atmung keinen Sog zu erzeugen mag, das KDrama vermag das sehr wohl. Der Soundtrack gibt den Rhythmus vor, die Melodie brennt sich ein, die Ereignisse nehmen ihren Lauf, und stets möchte man um die nächste Biegung schauen, was denn nun geschehen mag. Obwohl der Gute der Böse ist, fiebert man an seiner Seite. Und auf der Seite der Bösen gibt es auch die Guten. Wohin bloß mit der Moral...

 

"Don´t Look Back: Legend of Orpheus" gibt vor dem Hintergrund einer zarten Jugendliebe einen schönen historischen Einblick in die Geschichte der Jaebeol und ihre Machenschaften über die Zeit. Dabei werden auch die Rollen ihrer langjährigen Begleiter, die sie noch aus frühster Stunde vor ihrem Aufstieg als Jaebeol kannten, beleuchtet (Mitstreiter, heute Assistenten, Sekretäre, Fahrer, Anwälte o.ä.), mit denen sie eine gewachsene Nähe und Wissen umeinander verbindet, wie sonst mit keinem anderen). Randnotiz: Ein solch loyales Band fehlt den nachkommenden Jaebeol-Generationen in der Regel, da sie schon abgehoben vom Rest der Gesellschaft geboren werden. Um dies zu kompensieren, müssen Pseudo-Loyalitäten gleichsam mit viel Geld geschaffen werden (Vgl. z.B. "Money Flower", "Midas") oder für die Söhne von klein an gezüchtet, etwa mit gleichaltrigen Schulkameraden niederer Gesellschaftsschichten, die als ´Bodyguard´ hautnah an ihrer Seite leben und für alles Unangemessene die Verantwortung übernehmen sollen, damit dem Jaebeol-Sohn die Weste weiß erhalten wird (u.a. in "Revolutionary Love" ).

 

Das Schicksalsrad dreht sich in diesem KDrama gnadenlos über 20 Folgen. Die ersten Szenen, die im Jetzt angesiedelt sind, werfen den großen Schatten der Geschichte voraus. Doch dann folgen zunächst in einem Rückblick die einschlägigen Jugenderlebnisse, bevor der Faden im Jetzt wieder aufgegriffen wird. Manche nennen dieses KDrama ein Meisterwerk. Im Vergleich mit poppigeren und jugendlicher besetzten KDramen ist es jedoch etwas ruhiger sowie weniger schrill und bunt. Mit Son Ye-jin, Kim Nam-gil, Lee Yung-gil und Park Won-sang wurde es jedenfalls meisterhaft besetzt. Auch die differenzierten Nebenplots halten die Zuschauer auf Trab. ... Es bleibt spannend bis zum Schluss, wenn dann noch offene Fragen eine Antwort erhalten. Prädikat: "wertvoll".

상어 - Sang-eo

Lit.: Hai

 

2013, 20 Folgen

 

Hauptdarsteller*innen:

-Kim Nam-gil
-Son Ye-jin 
-Lee Jung-gil
-Ha Seok-jin 
-Yeon Joon-seok
-Kyung Soo-jin

 

 

Plot: (auf Spoiler wird möglichst verzichtet)

Ein japanischer Geschäftsmann mischt die Geschäfte rund um das Hotelbusiness von Jaebeol Jo Sang-guk und seinem Sohn auf. Tatsächlicher ist er auf einem Rachefeldzug, bei dem auch Köpfe rollen dürfen. Seine Identität - Yi-soo -  hat er vor vielen Jahren zurückgelassen und kehrt nun als Yoshimura aus Japan zurück.

Allerdings ist seine Jugendliebe Sprössling jener Jaebeol, auch wenn sie ein Jurastudium und den Beruf als Staatsanwältin dem Management im Familienkonzern vorgezogen hat. Sie ist just mit einem Schulfreund aus Jugendtagen verheiratet, der damals für sie dagewesen ist, als sie ihren Liebsten Yi-soo verloren glaubte.

 

Sie fühlt sich seltsam zu dem mysteriösen Yoshimura hingezogen, doch sie ist ja eigentlich frisch verheiratet... Langsam aber sicher dämmert ihr, dass es sich bei Yoshimura um Yi-soo handeln könnte, was aber eigentlich unmöglich ist. Sie geht ihrem Verdacht nach. Doch während sie sich immer sicherer ist, mit wem sie es zu tun hat, und während Yi-soo in seinen Racheplänen immer weiter voranschreitet, wird es emotional immer schwieriger für die beiden, sich ihrer Gefühle füreinander zu entziehen, auch wenn die Fäden hoffnungslos verfangen sind. Nicht zuletzt hat Yi-soo zwei finanzstarke, einflussreiche, skrupellose und in der illegalen Schattenwelt erfahrene alte Hasen aufgeschreckt. Mit denen ist nicht zu spaßen.

 

Randnotiz zur Macht der Mächtigen: Die Story spielt 2013 - das Jahr in dem Park Geun-hye, Tochter des einstigen Militärdiktators Park Chung-hee, als Präsidentin vereidigt wird. Noch ist in Südkorea das korrupte System mit allen über fünf Jahrzehnte systematisch aufgebauten Seilschaften intakt. Doch zunehmend gibt es in Staatsanwaltschaft, Polizei und Presse auch mutige Einzelpersonen, die Wege aus dem alten System herausfinden wollen. Drei Jahre später platzt die große Bombe um die Korruptionen rund um Präsidentin Park Geun-hye, in die auch Jaebeol wie Samsung involviert sind. Sie wird zu 20 Jahren Haft und hoher Geldstrafe verurteilt. Aber noch immer sind die Schattenstrukturen so stark, dass ihre Anwälte 2020 einen Antrag auf erneute Prüfung vor dem Obersten Gericht stellen, um sie trotz der überwältigenden Anschuldigungen frei zu bekommen. Abermals wird das Urteil 2021 bestätigt. Als letztes Aufbäumen versuchen nun aktuelle Bestrebungen aus dem Hintergrund, doch noch eine Begnadigung zu erwirken (es wäre nicht das erste Mal im Fahrwasser von Jaebeol Skandalen während des vergangenen Jahrzehnts)... 

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