Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

Mr. Queen

"Mr. Queen" ist so manches. Ein bisschen Historiendrama, ein bisschen ´Zeit und Raum sind relativ´, ein bisschen ´Rom+Com´. Beim erste Anlauf war mir ehrlich gesagt der Com-Anteil zu hoch, die Story insgesamt zu verspielt - ich bin recht schnell wieder ausgestiegen. Beim zweiten Anlauf hingegen war das genau das Richtige für mich. Ich habe mich prächtig amüsiert. Wer also in der Stimmung für eine gut aufgelegte Story mit bunten, historischen Gewändern und einigen charmanten Seitenhieben auf die patriarchale, männerdominierte Gesellschaftsstruktur ist, der wird bei "Mr. Queen"  passgenau abgeholt. 

 

Das Rezept ist für den KDrama-Kanon nicht neu: man/frau nehme ein Person von heute und setze sie in die Joseon Vergangenheit, wo sie mit ihrem modernen Selbstverständnis einiges durcheinander bringen darf. Die Tatsache jedoch, dass hier nicht nur die Zeit, sondern auch das Geschlecht vertauscht wurde, zündelt zusätzlich bissig, munter und recht erfolgreich an der Dramaturgie. Die Konfrontation von vorherrschenden und ungehörigen Geschlechteridentitäten könnte man/frau für südkoreanische Verhältnisse stellenweise fast schon als progressiv bezeichnen. (2021 erscheinen interessanter und erfreulicher Weise im selben Jahr gleich drei KDramen, die sich zwar noch eher vorsichtig, aber doch latent kritisch mit Geschlechteridentität unterschiedlicher Vorzeichen auseinandersetzen. Siehe dazu auch "The King´s Affection" und "Mine".)

 

Verpackt in verwickelte Palastquerelen des 19. Jahrhunderts bekommt man/frau einen losen Einblick in die Zeit des König Cheoljong von Joseon. Da die weibliche Hauptperson jedoch ein arroganter, selbstverliebter ´Mann´ aus dem Jahr 2021 ist, der sich in längst vergangener Zeit in wallenden Frauenkleidern wiederfinden muss, wird die reservierte, traditionsreiche Palastwelt reichlich provoziert. Um die Story schmackhaft aufzubereiten schadet es dabei nicht, dass die ´Königin´ ihres Zeichens eigentlich ein begabter High-end Chefkoch des Blauen Hauses ist - die Nummer 1 dort, um genau zu sein.

 

Die Palastintrigen rücken in diesem KDrama tendenziell in den Hintergrund. Im Vordergrund steht der Humor und ein ganz eigenwilliger Zugang zur Romanze. In der körperlichen Hülle der Königin steckt ein Machomann. Dem fehlt jegliches Gen für Unterwürfigkeit. Hoch angesehene Werte jener Zeit, wie Sitte, Maß und Takt, sind Fremdworte für ihn. Weibliche Scham, Scheu oder Schüchternheit kennt er nicht. Feminine Grazie ebenfalls nicht. Man/frau darf sich auf wunderbar choreografiertes Durcheinander freuen. Chapeau für Shin Hye-sun, die alles gibt, einmal aus ihrer ansonsten eher grazilen, schönen, anmutigen Rolle herauszutreten und hier etwas ganz anderes zu wagen! Breitbeinig, grob, frech und augenzwinkernd. Einigermaßen wortverspielt obendrein, denn die modernen Vokabeln und Begrifflichkeiten, die der in der Zeit reisende junge Mann ins verstaubte Joseon einführt, bringt die Gelehrten manches Mal an ihre Grenzen, bzw. die ihrer Schriften.

 

Was für ein Spaß! 

 

 

 

 

 

Randnotiz: König Cheoljong von Joseon

Cheoljong von Joseon (1831 - 1864) ist als 25. König der Dynastie in die Geschichte eingegangen. Da es keinen direkten Nachkommen des vorangegangenen Königs Heonjong gab, wählte die Königinwitwe vom 23. König Sunjo den Ur-Ur-Enkel des 22. Königs Yeongji als Nachkommen. Der hatte bisher jedoch mit seiner Familie im Exil in Armut gelebt. Ihm fehlte es an Bildung und Motivation. Das, was Cheoljong als Kind im Exil erlebt hatte, wie der Andong Kim Clan die Menschen des Landes durch Korruption unterdrückt hielt, machte ihm nicht viel Hoffnung. Seine eigene Familie war Opfer von Intrigen geworden. Sein Großvater wegen seines unerlaubten katholischen Glaubens in der Verfolgung von 1801 getötet worden. Es war auch eine Zeit von Bauernrevolten.

 

1849 wurde Cheoljong gekrönt und zog als Regent in den Changdeok Palast. Tatsächlich war er dort lediglich der offizielle Kopf für eine Politik, die weiterhin Königinwitwe Sunwon und ihr Andong Kim Clan vorgaben. In diesem Zusammenhang heiratete er auch eine Kusine dritten Grades von Königinwitwe Sunwon - Königin Cheorin. Ihr Sohn wurde 1858 geboren, verstarb aber knapp 1 Jahr alt.


Cheoljong versuchte offenbar immer wieder, Bestechung und Betrug im Palast  sowie im Land, Einhalt zu gebieten, doch dazu fehlte es ihm schlicht an echter Macht. Er war defacto nur eine Marionette. Nach seinem Tod wurde mit Gojong, Adoptivsohn der Königinwitwe Sinjeong des früh verstorbenen Kronprinzen Hyeomyeong, ein eher entfernter Verwandter zum neuen König ernannt - und zugleich zum letzten...

철인왕후 - Cheorinwanghu

Lit.: Königin Cheorin


2021, 20 Episoden

 

Hauptdarsteller*innen:
-Shin Hye-sun
-Kim Jung-hyun
-Bae Jong-ok
-Kim Tae-woo
-Seol In-ah
-Na In-woo

 

Plot:
Der erhrgeizige Chefkoch Jang Bong-hwan hat es 2020 bis ins Blaue Haus geschafft. Doch der arrogante Freigeist hat Rivalen und wird mit allen Mitteln aus seiner Position vertrieben. Auf der Flucht vor seinen Verfolgern stürzt er aus seinem Appartment mehrere Etagen tief in den Pool. Zwischen den Parallwelten des Diesseits und Jenseits wird sein Körper mit dem von Königin Cheorin aus dem 19. Jahrhundert vertauscht. Er erwacht im intriganten Palast zur Zeit der beginnenden Regentschaft von König Cheoljong im Frauenkörper der desiginierten Königin.

 

Die Hochzeit steht bevor, doch sowohl die Königin (alias homophober Frauenheld Bong-hwan), als auch der mit ihr verlobte König (seinerseits verliebt in seine Konkubine) legen nicht gerade Begeisterung an den Tag, wenn es um die Hochzeit, geschweige denn die Hochzeitsnacht geht. Bong-hwan ist zwar umgeben von Frauen - für ihn eigentlich ein Traum - doch als Königin im Frauenkörper nützt ihm das leider gar nichts. Stattdessen machen ihm die beiden Witwen der vorangegangenen Könige, die Hofdamen und die Minister reichlich Druck. Insbesondere Königinwitwe Sunwon drängt auf einen männlichen Erben, um ihren Familienclan an der Macht zu halten.

 

Bong-hwan hingegen möchte nur eins: möglichst schnell wieder in den See springen, um den fatalen Körpertausch rückgängig zu machen. Das wird ihm allerdings leider für eine Weile nicht möglich sein. Joseon-Frauenkörper und Neuzeit-Machomann-Bewusstsein müssen sich zwangsläufig (vorübergehend ?) miteinander arrangieren...

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