KDrama nach Themen: Historiendramen
"Uncle Samsik" bietet eine recht interessante Aufbereitung der komplexen Zusammenhänge zwischen der Parteipolitik und der noch viel entscheidenderen Hinterzimmer-Politik während der ersten Republik Südkoreas (1948-1960). Angesiedelt ist das KDrama hauptsächlich im Vorfeld der turbulenten Ereignisse und landesweiten Demonstrationen, die zum Rücktritt des ersten Präsidenten Rhee und zur Gründung der zweiten Republik führten. Die auf echte Demokratie und Wohlstand hoffende Nation stolperte daraufhin jedoch schon drei Jahre später mittels Militärputsch in eine dritte hinein. Die brachte ihr dann zwar mittels totalitärem Kapitalismus den erhofften Wohlstand, doch noch lange keine echte Demokratie...
Die Story des KDramas ist an den historischen Ereignissen, Themen und Personen jener Zeit zwar angelehnt, jedoch letztlich fiktiv - selbst wenn im Rahmen der April-Revolution punktuell historische Filmsequenzen eingestreut werden. Im Mittelpunkt steht Onkel Samsik. Für all jene, die über die südkoreanische Geschichte nicht so genau Bescheid wissen, bildet jener Onkel Samsik die emotionale Bezugsperson und dramaturgische Brücke, die sämtliche politisch komplexen Fäden zusammenhält. Auch ohne Vorwissen bietet "Uncle Samsik" ein spannendes, eindringliches Polit-Drama, das in der Zeit der Nachkriegsjahre spielt. Es ist insbesondere dem Herzblut der klasse Schauspieler*innen zu verdanken, dass sie es schaffen, die Zuschauer mit vergleichsweise ´trockener´ Kost zu fesseln. Empfehlenswert ist es, die Folgen zeitnah zu schauen, um den Faden nicht zu verlieren.
Wer den Hintergrund jenes Zeitgeschehens kennt, dem bietet die Serie gleich noch mehr. Die Zuschaue*innen können über den fiktiven Plot die bekannten realen Ereignisse und was die politischen Akteure jener Zeit antrieb auch mal aus einem anderen Blickwinkel sehen und verstehen lernen - als facettenreiche Menschen mit komplexen Motiven und Geschichten. Politisches Kalkül wird aus Beziehungsdynamiken und prägenden persönlichen Erfahrungen heraus greifbar. Das, was die Voraussetzung für jenes diktatorische Regime und seinen totalitären Kapitalismus schuf, um Südkorea in schillernden Wohlstand zu torpedieren – die den politischen Akteuren zu Grunde liegenden Bedürfnisse, Hoffnungen, Ideale und Sorgen – werden mit Leben gefüllt. Und zugleich auch das, woran die junge Demokratie bis heute zu knabbern hat – autoritär direktive, intransparent vernetzte, streng hierarchisch strukturierte Hinterzimmer-Politik.
In jener Zeit, in der das KDrama angesiedelt ist, wurde zunächst einmal um die Weichenstellung für die ´richtige´ Politik und überhaupt um eine politische Kultur gerungen. Man/frau muss bedenken, dass Korea bis dato noch keine wirkliche Erfahrung mit moderner, internationaler Politik und Wirtschaftspolitik auf dem Weltmarkt sammeln konnte. Bis Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich das Königreich Joseon vom Rest der Welt eher abgekapselt und auf sich konzentriert. Westliche Moderne und internationale Einflüsse kamen Anfang des 20. Jahrhunderts hauptsächlich im Verlauf der japanischen Kolonialherrschaftin Land. Die Weichen für eine politische Autonomie und eigenverantwortliche parlamentarische Politik waren erst im Zuge der Teilung der Nation und Gründung der Republik Korea als Südkorea 1948 gestellt worden. Und selbst da schauten die USA der jungen Republik genau auf die Finger. Ihre eigene Erfahrung mit einer politischen Mündigkeit des Volkes hatten die Menschen auf der südkoreanischen Halbinsel bis dato noch nicht wirklich erfahren können... Das von seinem rohstoffreichen, industriell besser aufgestellten Norden abgekapselte Land war damals eines der ärmsten Agrarländer weltweit.
Onkel Samsik bildet die widerstreitenden Gefühle im Land plakativ ab. Er steht für die vorherrschende Sehnsucht nach Wohlstand... oder einfach mal nach drei Mahlzeiten am Tag. Er steht somit symbolisch dafür, dass dieses ganz grundlegende, konkrete Bedürfnis in jenen politisch turbulenten Jahren für das breite Volk an vorderster Stelle stand. Hunger und Armut prägten den Alltag für viele. Demokratie als politisches Ideal klingt vielleicht gut, aber macht nicht satt. Und doch liegen Samsik die Menschen am Herzen. Onkel Samsik trägt in seinem Spitznamen bereits das, wofür er steht: sam (eum)sik = drei Mahlzeiten. Die gewährt er (als guter Onkel) seinen Leuten. Sein politisches Ziel ist es, jene Politiker mit allen möglichen Mitteln zu unterstützen, die ein solides Konzept haben, das Land dahin bringen können, dass das Volk bald genug zu essen hat. Der Weg dahin: die Wirtschaftskraft des (im Vergleich zum Norden) wirtschaftsschwachen Landes konsequent ankurbeln und damit angemessen vergütete Arbeit schaffen, dessen Gehalt für eine gute Versorgung der Familien reicht... selbst wenn das bedeuten mag, dass das Volk auf echte Demokratie noch eine Weile warten muss...
Prädikat "wertvoll".
Empfehlenswert also?
Ja, aber...
Es ist ja so eine Sache mit den Historiendramen, die sich mit der jüngeren SÜDkoreanischen Geschichte beschäftigen (und auch mit den KMovies über die ersten Nachkriegsjahrzehnte): Man/frau muss es schon sehen wollen. Rein optisch ist das zwangsläufig eher kein Leckerbissen, denn bunte Gewänder, wie sie noch zu Joseon-Zeiten gängig waren, sieht man/frau kaum noch. Die Mode ist nach der japanischen Kolonialzeit und spätestens seit dem Einfluss der USA im Zuge des Koreakriegs völlig verwestlicht. Das macht das Szenenbild vergleichsweise eher trist - dunkle Anzüge Krawatten und dunkel. Die Szenen spielen in Büros, Hotelbars, Konferenzräumen und Bunkern statt in üppig bepflanzten Palastgärten, auf malerischen Brücken über Bachläufe, in bunten Pavillons und Pagoden, oder im Schatten meditativer Wandelgänge - das alles ist Geschichte. Politik wird nun in geschlossenen Räumen gemacht. Auch Frauenrollen sind rar – vorbei die Zeit der Palastdamen, Palastdienerinnen und Prinzessinnen, der intriganten Königinwitwen und Königinnen oder spionierender Gisaeng... Dafür jede Menge ernste Männer in ihren (wie gesagt dunklen) Anzügen, rauchend und bevorzugt in abgedunkelten Hinterzimmern. Politik ist Männersache - ein Machtegrangel, das schon mal mit Hilfe von Schlägertrupps und Nacht-und-Nebel-Aktionen geklärt wird…
(Immerhin, Frauenpower versucht sich auch bei "Uncle Samsik" etwas Raum zu erarbeiten...)
Kurzum, das Setting ist eher düster, komplex, kompliziert gar - und Krawatten lastig.
Abgesehen davon ist "Uncle Samsik" wirklich gelungen gemacht. Das KDrama bringt jene tristen, ernüchternden Nachkriegsjahrzehnte Südkoreas, eindringlich gespielt und thematisch differenziert aufbereitet auch dem internationalen DisneyPlus-Publikum als eine Zeit nahe, die bei all der vorherrschenden Korruption, der Willkür und dem Obrigkeitsgehorsam dennoch durch viel idealistische Leidenschaft und politische Hoffnung geprägt war. Mal wieder High-end Historiendrama à la KDrama...
Plot:
Während der 1950er Jahre stolpert Südkorea so vor sich hin und versucht (mehr schlecht als recht), sich als Nation neu aufzustellen. Die USA mit ihrer
militärischen Präsenz praktisch als Vormund und im Rücken eine noch schwache Wirtschaftskraft, die Angst vor dem kommunistischen Norden und das noch fehlende demokratische Vertrauen in ein mündiges
Volk machen das nicht leicht.
In jener Zeit mischt Onkel Samsik hinter den politischen Kulissen ganz vorne mit. Er setzt seine Hoffnung auf den talentierten, visionären Kim San, der nach seinem USA Auslandstudium als Elite Soldat des Koreanischen Militärs ein Stipendium erhalten hatte und von dort einige wertvolle Erkentnisse mitgebracht hat - allem voran wie sein Land eine Abkürzung zu Wachstum und Wohlstand nehmen könnte... Die beiden schätzen einander und setzen aufeinander so gut es im politischen Gerangel jener Jahre eben möglich ist.