Das KMovie "Highway Family" bewegt sich im unteren Segment der Gesellschaftspyramide Südkoreas im Jahr 2022. Hier wird eine obdachlose Familie porträtiert, die ihren eigenen Lifestyle auf den Autobahnraststätten des Landes gefunden zu haben scheint. Eine glückliche Familie, die im Zelt schläft, von geschnorrtem Geld lebt und dabei reichlich Spaß zusammen hat. (Vielleicht als Randnotiz: die Autobahnraststätten in Südkorea sind erfreulich proper, sauber und erschwinglich.)
Das ist die eine Seite der Medaille. Als Zuschauer*in kann man/frau jedoch nicht anders, als bei all der augenscheinlichen Aussteiger-Familienidylle auch die andere Seite der Medaille zu sehen. Die hochschwangere Ehefrau und Mutter hat keinerlei ärztliche Begleitung während ihrer mittlerweile dritten Schwangerschaft. An ihren beiden inzwischen fünf- und neunjährigen Kindern geht jegliche schulisch ausgerichtete Bildung vorbei. Die Eltern behaupten, sie würde sie selbst unterrichten, doch Lesen, Schreiben und Rechnen stehen dabei jedenfalls nicht auf dem Lehrplan. Das Spielen auf den mit Pkws und schweren Lkws hochfrequentierten Autobahnraststätten ist gefährlich, die Aufsichtspflicht der Eltern dabei keinesfalls garantiert.
Der Vater hat hier (wie das eben so ist) das Sagen und objektiv betrachtet grenzen seine Entscheidungen rund um das selbstgewählte vogelfreie Familienleben schon mal an Verletzung der Fürsorgepflicht. Vermeintliche (Autobahnraststätten-) Idylle und Freiheit mögen dem Vater und seiner Sicht auf die Welt entsprechen. Ehefrau und Kindern hingegen sitzen nun mit in diesem Boot fest. Sie lieben einander als Familie und insbesondere die Kinder kennen es nicht anders. Sie verlassen sich auf ihren Vater.
Das KMovie segelt hart am Wind, was die moralischen Fragen rund um die Haltungen zu Arbeit und Gesellschaft, zu Fürsorgepflichten und Kindeswohl betrifft. Da mögen sich im Publikum Lager bilden. Und das ist durchaus gewollt.
Die zweiten Protagonist*innen neben der Highway Familie bilden ein Ehepaar, das ihr eigenes Kind verloren hat und heute ein Second-hand Möbelgeschäft betreibt. Solide. Prosozial. Verantwortlich. Emotional jedoch zutiefst verletzt und unglücklich.
Zwei Welten treffen aufeinander. Zwei Familien finden zueinander. Die eine ist innerlich zerrüttet. Die andere wird äußerlich zerrüttet. Gemeinsam bilden sie etwas Neues - eine alternatives Familienmodell für eine fünfköpfige Familie. Das müsste nicht das Schlechteste sein. Aber kann es so einfach sein? Und am verstörenden Ende steht die Frage nach dem Ende der Geschichte... Das bleibt dann ein bisschen im Auge der Betrachter*innen...
Ein eigenwilliger, nachdenklich stimmender Film.
Provokant. Sehenswert.
고속도로 가족 - Gosokdoro Gajok
Lit.: Highway Family
2022, 129 Minuten
Hauptdarsteller*innen:
- Ra Mi Ran
- Jung Il Woo
- Kim Seul Gi
- Baek Hyun Jin
Plot:
Ki-Woo wandert mit seiner Frau und den beiden Kindern obdachlos durchs Land. Die Familie schläft im Zelt und hält sich meist auf Autobahnraststätten auf. Dort leben sie von dem Geld, um das sie Passant*innen unter Vortäuschung falscher Tatsachen bitten.
Young-sun ist eine dieser Passant*innen. Berührt vom Schicksal der Kinder, gibt sie großzügig. Sie hat ihr eigenes Kind verloren und kommt mit dem Schmerz darüber bis heute nicht klar. Das belastet ihre Ehe. Umso mehr konzentriert sie sich auf ihren Secondhand Möbelladen.
Eines Tages trifft sie wieder auf die Highway Familie. Sie erkennt die Lüge ihrer Bettelgeschichte und mehr noch: das gefährdete Kindeswohl. Daher meldet sie die Familie der Polizei. Der Vater wird daraufhin eingesperrt. Doch was geschieht nun mit dem Rest der Familie?