Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Von der Macht der Mächtigen

The Empire

Vorab: soll man/frau "The Empire" ansehen? Auf jeden Fall. Ja! Aber: Lustig oder Seelennahrung ist das KDrama an keiner Stelle... Vielmehr provoziert es, indem es intelligent und vielschichtig mit den hässlichen Seiten der glamourösen Welt sowie dem schier chancenlosen Aufbegehren dagegen konfrontiert. Prädikat: "Wertvoll".

 

Die korrupten Netzwerke, die bis in die obersten Kreise und bis ins blaue Haus reichen wollen, sind als Kontext für KDramen und Movies mittlerweile geradezu inflationär. Ein Trend, den man/frau bereits in den vergangenen Jahren beobachten konnte. Doch 2022 übertrifft alles bisher produzierte. "The Empire" ist eine von vielen 2022er Produktionen, die mit der Diskrepanz zwischen freiheitlicher Demokratie, mündigen Bürger*innen und Menschenrechten einerseits sowie Klassengesellschaft, strengen Traditionen, Hierarchien und Autokratie andererseits abrechnet. "The Empire" geht dabei einen Schritt weiter als manch andere Produktion, in der Art wie hier schmerzhaft (ohne Schleifchen und Sahnehäubchen) aufgerollt wird, wie schwer und lang der Weg noch ist - hin zu einer Gesellschaft mündiger Bürger*innen, die sowohl sich selbst, als auch andere als solche sehen und verstehen. 

 

Die konservative Elite in "The Empire" gibt sich selbst geziert fortschrittlich, indem sie englische Wortfetzen in ihre Konversationen einwirft. Das wirkt allerdings (dramaturgisch durchaus wirkungsvoll) aufgesetzt und wenig überzeugend, vielmehr recht befremdlich, denn ihre arroganten Exklusivitätsphantasien sind doch nichts anderes als verlogene, feudal inspirierter Traditionen, alte Energie voller Spinnweben. Wenn da die junge Studentin auf ihrer Vendetta unverfroren gegenüber den selbsternannten Aristokrat*innen auftritt, dann ist das geradezu unerhört. Doch im Grunde ist es genau das und davon noch viel mehr, was es braucht, um das verstaubte elitäre Gebaren an seine Grenzen zu bringen und letztlich wirklich abzuschaffen. Bei dieser jungen Frau ist keine Ehrfurcht. Mag sein, dass sie den Mut der Verzweifelten in sich trägt. Macht nichts. Immerhin! Schon strauchelt durch ihre anmaßende Unverfrorenheit das modere System. Interessant, dass diese mutige junge Frau eigentlich als die Böse eingeführt wird - denn wir als Zuschauer*innen sehen die Story (zunächst) aus den empörten Augen der selbst geadelten Neureichen - jenen, die eine Klasse für sich darstellen wollen und die es gewohnt sind, hinter verschlossenen Türen die Geschicke nach ihren Interessen zu lenken. Die Dramaturgie identifiziert ´uns´ gewissermaßen mit denen, die das "Empire" regieren. ´Wir´ sind damit identifiziert, dass die Ordnung gewahrt und respektiert wird. Und doch fällt es ´uns´ schwer, uns auf ihre Seite zu stellen. Zu verlogen, zu krank, zu dekadent präsentiert sich diese elitäre Welt. ... Dieser Zusammenstoß zweier Welten ist hoch explosiv und zeichnet ganz wunderbar die Zerrissenheit und Widersprüche innerhalb der Gesellschaft. 

Die Journalistin wirkt dazwischen etwas hilflos als Spielball derer, die sie für ihre Interessen mit Information versorgen. Dabei ist sie bei allem Biss, den sie hat, doch zuerst auf der Jagd nach ihrem eigenen beruflichen Erfolg. Die ´Sache´, das was recherchiert und aufgedeckt werden will, wird Mittel zum persönlichen Zweck. Damit schippert der Journalismus mit seinem demokratischen Auftrag seinerseits ebenfalls am Rande der Dekadenz und macht wenig Hoffnung. (Aber eben ein bisschen schon...)

 

Und dann ist da die Protagonistin Han Hye-ryul: selbst Kind jener problematischen Elite, dritte Generation des Empires voller einflussreicher Jurist*innen, das ihr Großvater gegründet hatte. Zugleich Hoffnungsträgerin einer modernen demokratischen Gesellschaft. Sie nimmt ihre Verantwortung ernst und nutzt die Möglichkeiten, die ihre Herkunft ihr in die Wiege gelegt hat, konstruktiv im Dienst an der Gemeinschaft - dabei biegt sie (möglichst) NICHT das Gesetz nach ihrem persönlichen Gutdünken, sondern ihr wahrhaft innovatives Credo lautet: sie hält sich an das für ALLE verbindliche Gesetz. Sie versucht ihren beruflichen Weg wahrhaft integer zu gehen. Solch echte Integrität macht den Massen Hoffnung. Der Elite hingegen macht sie Angst, denn dies entzieht ihnen das Fundament ihrer Schattenmacht.

Die Fackelträgerin juristischer Integrität ist jenseits ihres berufsethischen Anspruchs allerdings auch ein Mensch, die in der Welt voller Privilegien groß geworden ist. Als Kind der Elite erbt sie zudem nicht automatisch nur Geld, Ruhm und Einflussmöglichkeiten, sondern auch alte Schuld, und sie steht im Zweifelsfall mit am Pranger. Als Frau wiederum hat sie Gefühle wie alle anderen. Als Ehefrau, besser gesagt betrogene Ehefrau, ebenfalls. Als Mutter. Und als Tochter auch. Damit ist sie an mehreren Fronten gleichzeitig gefordert. Mehr Drama geht immer...

"The Empire" erzählt von einer, die aus tiefer Überzeugung und Glauben an ein rechtsstaatliches System die autokratisch arroganten Eliteseilschaften aushebeln will. Sie ist jedoch Kind einer Familie, die in solchen selbst drin hängt, ob sie will oder nicht. Und doch ist sie aus genau dieser Familientradition heraus auch die Vollblut-Staatsanwältin, die sie ist. Aus Tradition möchte sie ihre Arbeit exzellent und vorbildlich machen. Und für sie ganz persönlich bedeutet das, mit dem Schmodder der Hinterzimmergeschäfte und den exklusiven Privilegien aufzuräumen. Endlich mal eine, die überzeugt ist, dass die Rechtsstaatlichkeit über ALLEN steht? Und nicht nur das: Die Protagonistin ist eine mit einem Ego, das (in dem Fall zum Glück?) stark genug ist, sich mit den mächtigen Feinden tatsächlich anzulegen. Gibt es also vielleicht doch noch Hoffnung für eine bessere, fairere Welt? "The Empire" arbeitet sich intelligent an dieser Frage ab. Eine einfache Antwort gibt es darauf nicht. Der erdrückende moralische Sumpf, den es dazu zu durchqueren gilt, ist geradezu überwältigend...

 

... Und dann ist da die vierte Generation im Familienclan... der Sohn von Han Hye-ryul. Er tickt dann auch schon wieder ganz anders... er ist seinerseits dabei Hoffnungsträger einer neuen Dimension. Er will sich freischwimmen aus dem Sumpf der Tradition, ist hin- und hergerissen zwischen seinen Gefühlen für Eltern und Großeltern sowie den eigenen Bedürfnissen und Wünschen. Aber er traut sich nicht, und doch...

 

"The Empire" stilisiert die Welt jener oberen 1-10 Prozent, jener unverschämt reichen und einflussreichen Elite der Gesellschaft, die sich einen Lebensstil erlauben kann, von dem der Rest der Gesellschaft träumt. Zugleich präsentiert sich diese Elite als verlogener, bigotter, moralischer Abschaum. Überall lauert Dynamit, das jeden Augenblick hochgehen könnte. Das KDrama zeichnet ein mattes, müdes, gelangweiltes, niederträchtiges, in Streitigkeiten verstricktes Bild der Reichen - kein strahlend schönes, vor Vitalität sprühendes. Reichtum wird zwar feudal zur Schau gestellt, wirkt dabei aber eher etwas pietistisch. Wenn die herrschaftliche Fassade der Jaebeol Dynastie in "Mine" zumindest nach außen farbenfroh und visuell überbordend mit spektakulären Details und exklusiven Artefakten inszeniert wurde, so wirkt das "Empire" des Juristen Clans der Familie Ham, einer der (fiktiv) einflussreichsten Familien des Landes, auch schon von außen eher kalt, leer, schal und trist. Die Farbsättigung wurde  entsprechend reduziert. Es wird an manchem Klischee gekitzelt. Privilegierte Dekadenz ist angesagt. Elitäre Arroganz bestimmt den luxuriösen, isolierten Orbit einer berechnenden, egoistischen Familiendynastie. Hier ist alles teuer, kahl, distanziert, dekadent und nichts ist einladend, warm, schön oder freundlich. Bei allem Reichtum und Erfolg ist doch keine/r frei oder glücklich. Vertrauen ist ein Fremdwort in dieser Familie. Damit wird das KDrama stellenweise schwer erträglich.

 

Überall lauert Dynamit, das dieses Empire zu Fall bringen könnte... doch wer wagt es, dies auch zu zünden?

 

 

 

 

Randnotiz:

Inflation der KDrama Produktionen, in denen die Reichen und Mächtigen im Zusammenhang mit Recht und Gesetz im Mittelpunkt stehen

Warum ist die Fülle an KDrama Produktionen, in denen die Reichen und Mächtigen im Zusammenhang mit Recht und Gesetz im Mittelpunkt stehen, derzeit so inflationär? Damit es vielleicht/hoffentlich langsam wirklich ins Massenbewusstsein sackt und es von dort bei jeder/m einzelnen ankommt, dass dies ein Ende haben muss/will/kann! Vorschlaghammer also: Das monarchische Joseon ist Geschichte! Aristokratie und Klassengesellschaft sind Geschichte! Diktatur ist Geschichte. Der Rechtsstaat setzt heute in Südkorea für alle Bürger*innen den gleichen Rahmen, innerhalb dessen sie ihr Leben leben dürfen/können/müssen. Damit es irgendwann auch der/die letzte kapiert: die traditionell elitäre Haltung ist veraltet, outdated. Sie WILL sich wandeln. Die Menschen aller Bevölkerungsschichten wollen ihren eigenen Wert, ihre Würde, und auch die ihrer Mitmenschen anerkennen lernen. Sie wollen ihren eigenen Selbstwert erleben, leben, ganz gleich, wo in der Pyramide sie stehen und unabhängig davon, wo sie vielleicht einmal hinkommen. Erst dann wird das demokratische System wirklich mit Leben gefüllt und ist nicht nur strukturelle, bieg- und beugbare Farce.

 

Das Rechtsystem sieht zwar in der Theorie freie Menschen vor, die Menschen müssen dies jedoch auch praktisch mit Leben füllen. Allerdings scheinen die Menschen wie in Trance immer noch in der Vergangenheit gefangen. Sie scheinen gekettet an die Überzeugung, dass ein Menschenleben erst mit einem bestimmten Einkommen, gesellschaftlichen Rang und elitärer Klassenzugehörigkeit einen Wert bekommt. Bildungszwang, Schönheitszwang, Heiratsvermittlung, Überschuldung für einen Lifestyle, der Respekt und Ansehen bringt, sowie Mobbing für die falschen Labels, die falsche Figur, die falschen Freunde... all dies sind Fesseln einer Tradition, die auf Klassengesellschaft baut. Bis heute spielen die meisten bei diesem alten Klassendenken munter mit und fühlen sich gleich ein bisschen wertvoller, wenn sie jemand haben, auf dem sie herumtrampeln können.

 

Furcht vor den Reichen ist sicher angemessen, denn so manche nutzen ihren Einfluss skrupellos zum eigene Vorteil. Sie gebärden sich vielleicht als Elite, doch man/frau muss ihnen deswegen nicht die Ehre geben, denn ihren unverschämten Reichtum haben sie so manches Mal schamlos und ohne Rücksicht auf die Verluste anderer erwirtschaftet. Wer sich auch 2022 wie Feudalherren gegenüber Leibeigenen aufführt, bei dem ist ´Ehrfurcht´ tatsächlich nicht mehr angesagt... ´Respekt´ ebenso wenig. Und dennoch. Die Menschen scheinen lieber an den alten Ketten festzuhalten, als dass sie einfach loslassen und würdevoll selbstbewusst ihrer eigenen Wege gehen. Sie suchen und sehnen sich nach den verheißungsvollen Pfaden, die sie in der Gesellschaftspyramide möglichst weit nach oben bringen, um so selbst ein vielversprechendes, luxuriös(er)es, verschwenderisches Leben führen zu können. Sie übersehen lieber, dass dies einen Preis hat, den andere zahlen. Dies, obwohl ihnen praktisch im Wochentakt im KDrama, im Kino und in den Nachrichten vorgeführt wird, dass die ehrwürdige Elite tatsächlich moralisch eher unterirdisch und ein solches Leben weder ehrenhaft noch erstrebenswert ist. Dass sich die Reichen mit ihrem Reichtum zwar einiges kaufen können, aber nicht alles. Dass sie nicht frei sind, sondern gefangen in der Pyramidenspitze.

 

So lange sich der Zuschauer*innen-Blick weiterhin durch arrogantes Gebaren sowie Luxusartikel blenden lässt und lieber am faulen Kern vorbeischaut, so lange wird es auch weiterhin endlose KDrama Variationen mit mal größerem oder mal kleinerem Vorschlaghammer geben (müssen). So lange, bis die Erkenntnis das Massenbewusstsein bestimmt und schließlich auch bei den einzelnen ankommt: wir sind ALLE prinzipiell Menschen mit Würde. Wir haben ALLE einen Wert unabhängig von Herkunft, Vergangenheit oder Zukunft - nicht nur ein paar Prozent in besonders teuren Kleidern. Reichtum oder Armut oder alles dazwischen und drüber hinaus ist vom Wert einer Person vor dem Gesetz unabhängig. Wenn wir, die wir das Gesetz anwenden, dennoch nach anderen Gesetzen vorgehen, uns verführen und kaufen und benutzen lassen, heimlich hoffend, so eine schnelle Abkürzung nach weiter oben nehmen zu können, dann haben wir selbst daran schuld. Niemand hat das Recht uns zu schlagen, zu benutzen und auszubeuten wie Leibeigene und nach Gebrauch wegzuwerfen, wie Abfall! Niemand.

디 엠파이어: 법의 제국 - Di Empaieo: Beob-ui Jeguk

Lit.: The Empire (anglizistisch): Reich des Rechts

 

2022, 16 Episoden

 

Hauptdarsteller*innen:
-Kim Sun-a
-Ahn Jae-wook
-Lee Mi-sook
-Shin Goo
-Kim Won-hae 

 

Plot:

Hier dreht sich alles um die Welt der Rechtsprechung. Das Familienoberhaupt war Richter. Sein Tochter ist die Direktorin der juristischen Fakultät der Minguk Universität. Ihre Tochter leitet eine Spezialeinheit der Seouler Staatanwaltschaft. Deren Mann ist Professor an der Minguk Universität, ihr Vater wiederum Anwalt und Chef der führenden, renommierten Anwaltskanzlei Ham&Lee. Wenn es bei den Hams und Hans nicht um die Gesetze der Menschen geht, dann zumindest um jene Gottes: keine Familienmahlzeit ohne einen Bibelspruch... Wer gehört dazu? Wer darf mit rein in den engeren Kreis? (Nur die Allernächsten werden hier geduldet - von Liebe zu reden, will irgendwie nicht so recht passen...)

 

Durch ihren beruflichen Einfluss drehen die Hams und Hans (und einige mehr) auf so manchen Wegen an den Geschicken der Gesellschaft. Wäre es nicht chic, dies nun auch ganz offiziell zu tun und für die Präsidentschaft zu kandidieren? Zu dumm, dass die hehre Elite so hehr gar nicht ist. Dass ihre (Familien)Mitglieder von denselben niederen Motiven und Bedürfnissen getrieben sind, wie der Rest der Welt. Dass das Fundament ihrer Macht darauf gebaut ist, dass Gelder illegal hierhin und dorthin verschoben werden. So etwas kann schon mal zum Stolperstein oder gar zum Verhängnis werden. Da muss schon mal ein Bauernopfer herhalten, um größeren Schaden zu verhindern. Da kann schon mal einiges hektisch Kopf stehen, wenn der Dolchstoß aus den eigene Reihen zu kommen droht...

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