VOR ORT IM LAND - Erste Etappe Incheon - 1. Tag
Wir sind gelandet. Tatsächlich gelandet. Total kaputt zwar – aber glücklich.
Der Flieger hat uns ausgespuckt aus seinem dicken Bauch. Uns und noch ein paar andere. Die meisten sind nach Tokyo weitergeflogen. Da standen wir nun auf übersichtlichen Fluren. Willkommen-Fühlen am Fünf-Sterne-Flughafen von Incheon ist einfach. In der Tat: ein Ort zum Wohlfühlen. Kaum zu glauben, dass dies einer der meistfrequentierten Flughäfen weltweit ist – zwischen vier Inseln, durch Landgewinnung praktisch mitten im Gelben Meer gebaut. Ankommen kann so schön sein: sauber, übersichtlich, komfortabel, freundlich. (Der Incheon International Airport hat offenbar zu Recht seine Fülle an Preisen gewonnen …)
Eonni hat den Überblick. Sie ist gut vorbereitet, weiß genau, was wir wo und wie erledigen müssen – SIM-Karte, spezifische Apps für die Navigation im Land – sie weiß einfach alles. Joka und ich tun, wie geheißen. Mit Stress und Hektik hat das alles wenig zu tun. Wir könnten fast vergessen, dass wir schon seit 15 Stunden unterwegs sind … Unser ursprünglicher Flug wurde vorverlegt, kam dann allerdings verspätet an. Egal. Jetzt fehlt nur noch unser Kia.
Jokas Auftritt. Souverän erledigt sie den Papierkram. Man sollte nicht meinen, dass wir knapp ein Viertel des Globus umrundet haben. Sie wirkt fit wie ein Turnschuh. (Vielleicht liegt’s doch am Alter?) Wir bekommen unser schickes Auto. In Europa fährt „the new K3“ (noch?) gar nicht. Das Gepäck lässt sich tatsächlich gut verstauen – wunderbar.
Unsere Unterkunft ist eigentlich gleich um die Ecke. Das Navigationsgerät steuert unser „Apate“ an, Eonni hat das Steuer sicher im Griff. Ein bunter Strauß neuer Geräusche säuselt um uns herum. Die Dame aus dem Navi hat es offenbar wichtig – mit diversen Warnmeldungen: zu schnelles Fahren, zu weit rechts, zu weit links, Unebenheiten auf der Fahrbahn usw. Das Auto hat ständig etwas zu melden … (Oh je – jetzt also noch eine, die ihr Machtwort sprechen will …)
Joka navigiert perfekt. Ich kann das von mir noch nicht behaupten. Ich bin fürs Schilderlesen in koreanischer Schrift zuständig – und das geht mir alles viiiiiiel zu schnell …
Unsere Themen heute:
Check, check … check-in. Mit etwas Geduld haben wir auch das Codeschloss im Griff.
18. Etage. Der Blick aus dem bodentiefen Fenster lockt mit freiem Fall in die Tiefe – und hinüber zum Festland von Incheon. Wir bleiben vorerst auf der Insel … weniger ist mehr.
Jetzt erst mal die sechs Beine hochlegen. Uff. Wir sehen Incheon bislang nur aus der Ferne – von unserer Couch aus, von unserer Insel Yeongjongdo … von einer Insel aus Inseln. Brücken und Uferlandschaften rahmen den Blick in alle Richtungen. Das Gelbe Meer knabbert mit sanften Wellen an Yeongjongdos Küste.
Incheon – ein paar Gedanken zur Stadt
Incheon ist eine Hafen- und Industriestadt in der Provinz Gyeonggi-do, etwa 28 km westlich der Hauptstadt Seoul. Knapp drei Millionen Menschen leben derzeit in der drittgrößten Stadt Südkoreas.
Gelebt wurde hier schon seit der Jungsteinzeit. Die natürliche, gut geschützte Bucht im Gelben Meer mit mehreren vorgelagerten kleineren Inseln dürfte dazu beigetragen haben. Der Hafen nahm erst 1883 seinen Betrieb auf. Damals lebten hier weniger als 5.000 Menschen. Seit den 1970er-Jahren hat der Hafen von Incheon allerdings rasant an Bedeutung gewonnen.
1979 wurde in der wachsenden Stadt eine eigene Universität gegründet, die 2009 durch einen neuen Campus in der Planstadt Songdo City erweitert wurde. Incheon ist mittlerweile nahtlos mit Seoul zusammengewachsen und über die U-Bahn in ein zusammenhängendes öffentliches Verkehrsnetz eingebunden.
Doch erstaunlicher Weise gibt es sie hier trotzdem immer noch: die simplen Fischerdörfer, aus einer anderen Zeit.
Yeongjong-Brücke
Zwei Brücken verbinden die künstlich durch Landgewinnung aus mehreren kleineren Inseln geschaffene Insel Yeongjongdo mit dem Festland.
Eine davon ist die 4,4 km lange Yeongjong-Brücke. Sie ist Teil des 40 km langen Expressway 130, über den Seoul direkt mit dem Flughafen verbunden ist. Die Fahrzeuge queren das Wasser des Chinesischen Meeres auf den äußeren Fahrbahnen – die U-Bahn fährt in der Mitte.
Incheon-Brücke
Die andere Verbindung ist die Incheon-Brücke. Die sechsspurige Schrägseilbrücke ist mit 21,39 km die längste Brücke Koreas. Im internationalen Vergleich rangierte sie im Baujahr 2009 auf Platz 7. Mit einer Spannweite von 800 m sicherte sie sich weltweit einen Platz unter den Top 5. Mit Baukosten von 1,4 Milliarden US-Dollar war sie entsprechend teuer – und ist heute mautpflichtig.
Superlative prägen die Konstruktion, denn die Anforderungen waren extrem hoch: Nicht nur musste die Brücke eine geeignete Höhe aufweisen, damit Containerschiffe problemlos darunter hindurchfahren können. Sie soll (theoretisch) auch einem Erdbeben der Stärke 7,0 auf der Richterskala standhalten und einem Tropensturm trotzen können, der mit bis zu 200 km/h darüber hinwegfegt. Die Tragfähigkeit der Pfeiler ist enorm – die Stabilität sei einzigartig, so Samsung C&T.
PS:
Im Koreanischen begegnet mir immer wieder ein Kulturtalent, das nach meinem Empfinden besonders ist: das emotional feinfühlige Storytelling, mit dem das Publikum möglichst dicht an ein Thema herangeführt wird – in Sympathie und Empathie. Diese (wie ich finde) wunderbare Gabe macht offensichtlich auch vor einem Brückenbauwerk nicht Halt.
Im Rahmen der Inbetriebnahme der Incheon-Brücke wurde aus trockener Bauphysik für einen Tag ein emotionales Erlebnis: Die Leidenschaft der Ingenieur*innen und aller Baubeteiligten, mit der während der Planungs- und Bauzeit an diesem Meisterwerk gewerkelt wurde, wurde für das breite Publikum spürbar gemacht. Die Anstrengung, die Disziplin, die Ausdauer, die Zweifel unterwegs, die Erschöpfung – und das unvergleichliche High, wenn das Werk schließlich vollbracht ist …
Kurz nach der Fertigstellung im Oktober 2009 hatten rund 20.000 Frauen und Männer die einmalige Gelegenheit, an einem Halbmarathon teilzunehmen, der als Incheon Bridge Marathon in die Stadtgeschichte eingegangen ist. Die Brücke gab den Weg vor. Einmal gestartet, gab es kein Zurück …
Damit wurde das Bauwerk gleichsam zur Ingenieurbaukunst zum Anfassen – und im Schweiß der Jogger*innen auch gleich geweiht, wenn man/frau so will. Eine Brücke, die seitdem ausschließlich motorisiert befahrbar ist.
Kulinarisches Fazit von heute:
Auch hier starten wir ganz unaufgeregt.
KimBap-Dreieck – in Algenblatt gerollter Reis mit variabler Füllung. Sehr lecker. Sehr praktisch. Das Sandwich à la Korea.
(Gefüllte Weinblätter gab’s auch noch ein paar – Reste aus Deutschland …)
Und dann Sushi Take-away, denn wir wollten nur noch die Beine ausstrecken und es gemütlich haben. Das Sushi stammt aus einem der zahlreichen Restaurants im Umfeld unseres Hochhauses – eines von vielen.
Während ich hier schreibe, dringt von draußen der Sound einer Oboe (!) zu mir durch. Jazzig. Irgendwo spielt jemand. Und irgendwo eine Bohrmaschine dazu …
Wir wohnen in einer Hochhaussiedlung. Optisch recht massig, vermittelt sie dennoch nicht den Eindruck von Sozialwohnungen. Kein Gebrüll. Kein Graffiti. Es ist ein anderes Erlebnis. Friedlich. Ruhig. Ich glaube, es liegt an den Menschen – und daran, wie sie miteinander umgehen: Im Restaurant, in den Geschäften, auf der Straße …
Respektvoll. Sehr angenehm.