Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

VOR ORT IM LAND - Erste Etappe Incheon - 3. Tag

Paju Book City, Heyri Art Valley und Demilitarisierte Zone (DMZ)

Es muss ja nicht immer der Blick zurück sein. Heute schauen wir nach vorn. Oder besser: Wir schauen uns an, wie Südkorea nach vorn blickt.

 

Ich gebe zu – ich bin jetzt schon einigermaßen begeistert.

Allein das, was ich bislang über Paju gelesen habe, war für mich ungemein inspirierend. Paju gilt als Brutstätte für Zeitgeist und als regelrechte Pilgerstätte für Kulturbegeisterte. (Damit ist Paju zugleich auch eine beliebte Kulisse und Shooting Location für Film und Fernsehen.)

 

Die Stadt nordwestlich von Seoul, deren nördliche Ausläufer an die Demilitarisierte Zone grenzen, steht für modernste Architektur unterschiedlichster Couleur und eine hochkonzentrierte kulturelle Vielfalt.

 

Konkret bezieht sich das auf die Paju Book City und das Heyri Art Valley – zwei Kulturareale, die in den letzten Jahren auf rund 125 Hektar ehemaligem Schwemmland herangewachsen sind.

Wir werden (uns das) ansehen.

 

Da Paju im Norden von Seoul liegt und direkt an die Demilitarisierte Zone (DMZ) grenzt, wollen wir uns auch dem Thema geteiltes Land stellen.

 

Das wäre zumindest der Plan für heute.

Unsere Themen heute:

  • MODERNE ARCHITEKTUR: Paju Book City
     
  • KUNST: Heyri Art Valley, Paju
     
  • GESCHICHTE: Demilitarisierte Zone (DMZ)

Ein eigenes Stadtviertel fürs Buch

Paju Book City

Paju Book City – ein Zukunftsort für Kultur und Kreativität

Das südkoreanische Ministerium für Kultur, Sport und Tourismus stellte den Boden für ein weltweit vorbildliches Stadtentwicklungsprojekt zur Verfügung: Auf 125 Hektar ehemaligem städtischen Schwemmland entstand eine strahlende Adresse für die Buchindustrie.

 

Von der Idee über Planung und Produktion bis hin zum Vertrieb – hier arbeiten heute über 10.000 Menschen in einem vergleichsweise entspannten Umfeld, das den modernen Zeitgeist atmet. Sie halten Gedanken in Wort und Bild fest und stellen sie der Menschheit zur Verfügung.

 

Seit 2009 wächst im Norden Seouls, in Paju, etappenweise eine autarke Buchstadt zwischen dem Han-Fluss und der Simhak-Hügelkette heran. Die Paju Book City bildet heute gemeinsam mit dem Heyri Art Valley einen Hotspot für hochkonzentrierte moderne Architektur – entworfen von südkoreanischen und internationalen Architekturbüros. In dieser Dichte und Vielfalt ist das Ensemble weltweit einzigartig.

 

Hier sind Buch, Kunst und Kultur zuhause – und viele, die damit zu tun haben. Stand 2018 waren in unmittelbarer Nachbarschaft unter anderem angesiedelt:

  • 198 Verlage

  • 177 Unternehmen im Buchgewerbe

  • 6 Verlage für Zeitschriften und Landkarten

  • 83 Druckereien

  • 17 Unternehmen für Videoanimation, Film und TV-Produktion

  • 23 IT-Unternehmen und Game-Developer

Forest of Wisdom

 

Shooting Location für die hier gelisteten KDramen: 

The Empire /  Eve / The Devil Judge / It’s Okay to Not Be Okay / The King: Eternal Monarch / The World of The Married /

Hotel Del Luna / Romance is a Bonus Book / I’m Not A Robot / Chicago Typewriter

 

 

Forest of Wisdom – ein Buch-Hotspot ohnegleichen

Mit dem Wald des Wissens wurde in Paju ein einzigartiger Ort geschaffen: Eine 24-Stunden-Bibliothek mit über 200.000 Werken aller Genres – gestiftet von Privatpersonen, Institutionen und Verlagen.

Der riesige Gebäudekomplex bildet ein Zentrum der neuen Buchstadt Paju und ist in seiner Form und Funktion weltweit einzigartig.

Im Inneren begeistern üppig bestückte Bücherregale, die bis zu acht Meter hoch unter die Decke reichen.

  • Im Forest of Wisdom 1 konzentrieren sich wissenschaftliche Werke.

  • Forest of Wisdom 2 bietet eine Auswahl von Verlagen, die heute ihren Sitz in der Paju Book City haben – darunter auch eine Sammlung von Kinderbüchern.

  • Forest of Wisdom 3 ist zugleich die Lobby des speziell für die Paju Book City konzipierten Gästehauses Jijihyang. Hier stehen Bücher zur Auswahl, die von weiteren Verlagen, Buchhandlungen, Museen und Kunstgalerien gestiftet wurden.

Das Starfield COEX ist darüber hinaus die Adresse in Paju für Konferenzen und Ausstellungen – ergänzt durch Cafés und Begegnungsräume.

 

Die Atmosphäre ist angenehm. Inspirierend.

Die Bücherwelt verbindet die Besucher*innen auf einzigartige Weise.

 

Eonni ist begeistert.

Sie wünscht sich, sie könnte Koreanisch lesen.

Und sie entdeckt einen deutschen Autor über Wald und Wildnis – hier übersetzt und ausgestellt.

 

Joka ist begeistert.

Sie verliebt sich in die Kinderbuchsammlung – und kauft eines über ein Paar rote Handschuhe.

Einer geht verloren, beglückt auf seinem abenteuerlichen Weg eine Hasenfamilie, eine Mäusefamilie und am Ende ein Eichhörnchen.

Die Mutter strickt dem Kind einen neuen.

Bezaubernd – vor allem die Illustrationen.

Macht nichts, dass es auf Koreanisch ist!

Impressionen - Paju Book City

Alles ganz schön Grün, in der Tat

 

Nur dass ich es mal gesagt habe:  es ist hier alles in Grün gebadet. Frau sieht die Architektur vor lauter Grün nicht... Bäume wachsen auch auf Häusern. Da ist die Rechnung doch wirklich gut aufgegangen... (Siehe: zum planerischen Hintergrund).

Prompt wird gefilmt...

 

Ich hatte wohl eingangs irgendwo erwähnt, dass die Book City gerne als Shooting Location gewählt wird.  Hier wir praktisch ständig gefilmt.

Auch heute.

 

Das ist allerdings schon passiert.

Sie sind am Einpacken.

Schade...

Ein Stadtviertel für die Kunst  

Moderne Architektur, zweiter Teil

Unsere nächste Adresse ist das Heyri Art Valley, ein paar Kilometer weiter nördlich der Book City. Eine Konzentration an Museen, Galerien, Ateliers und Theatern, die wir drei so noch nicht gesehen haben...

 

Ein Kuckuck ist übrigens auch mit von der Partie :-) und lässt geradezu aufdringlich grüßen...

Paju – Heyri Art Valley

 

„Heyri“ bezieht sich auf ein volkstümliches Lied aus der Gegend von Paju – Heyris Lied.

 

Ich finde, das Heyri Art Valley ist ein Stadtentwicklungsprojekt, das durch seine konkrete Wertschätzung für Kreativität und Kunstschaffende viele Menschen dazu motivieren kann, selbst ihr eigenes Lied beizutragen. Faszinierend, dass aus der in Südkorea immer wieder so aktiv und öffentlich geförderten Kreativität inzwischen ein regelrechter Exportartikel geworden ist – mit dem das Land heute weltweit die Massen aufmischt.

Paju – Heimat der Kunstszene

Im Zuge dieser Entwicklung wurde Paju zunehmend zur Heimat der Kunstszene. Heute sind hier unter anderem das Mimesis Museum, das Youlhwadang Book Museum, das Blume Museum of Contemporary Art, das Museum of Musical Instruments of the World, das Byeokbong Korea Schmuckmuseum, das Museum Time & Blade, das Toy Museum und viele weitere Kulturinstitutionen zu Hause.

 

Im Heyri Art Valley selbst konzentrieren sich zahlreiche Galerien, Werkstätten und Ausstellungsorte – ein kreatives Netzwerk, das sich wie ein begehbares Kunstwerk durch die Landschaft zieht.

 

Wir flanieren durch die Gassen, in denen die Autos auf die Fußgänger*innen achten – und nicht umgekehrt.

Café reiht sich an Café, Galerie an Galerie, Museum an Museum.

Dazwischen: Parks, Grün, der Fluss.

Ein Ort, der atmet – und inspiriert.

DMZ, die Erste

Grenzstimmung

Die Grenze zwischen Nord und Süd ist – und war von Anfang an – eine Grenze zwischen Paradigmen.

Gerade in diesen Tagen wirkt sie wieder etwas verhärteter.

 

Viele Menschen wollen sich das aus der Nähe ansehen. S

ie werden in Bussen herangekarrt und mit dem offiziellen Narrativ des US-dominierten Südens versorgt.

Wir winken dankend ab.

Das zählte nicht zu unserem Programm.

 

Wir wollen die Grenze zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aus nächster Nähe betrachten.

Dennoch wollten wir etwas von der Stimmung im Grenzgebiet schnuppern.

 

Am frühen Abend waren wir für jegliche touristische Aktion viel zu spät.

Doch das war genial. Wir hatten meditative Muse – und unsere Ruhe.

Der riesige Parkplatz war inzwischen leer …

DMZ – Zwischen den Linien

Wie auch immer Nordkorea und die Familie Kim heute dastehen mögen – die Vorstellung vom „kommunistischen bösen Feind aus dem Norden“ ist stark geprägt durch die Rolle der USA auf der koreanischen Halbinsel. Das vorherrschende Narrativ über die Teilung ist nicht neutral – es spiegelt politische Interessen wider und färbt die Wahrnehmung bis heute.

 

Dabei geht das tatsächliche Stimmungsbild, wie es unter der Bevölkerung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und vor dem Ausbruch des Koreakriegs vorherrschte, weitgehend verloren. Die komplexen Hoffnungen, Ängste und innerkoreanischen Dynamiken jener Zeit werden oft überlagert von geopolitischen Deutungen.

(Zum Umfeld des Koreakriegs kann man/frau im Zusammenhang mit meinen Reviews zu “Eyes of Dawn” und “Road No. 1” Hintergründiges nachlesen.)

Imjingak Resort – Sinnbild der Sehnsucht

 

Das Imjingak Resort steht symbolisch für den Wunsch nach Wiedervereinigung. Benannt ist es nach dem Imjin-Fluss, der nördlich von Paju zwischen Nord- und Südkorea verläuft.

So manch einer versuchte hier zu fliehen – sogar unter dem gefrorenen Fluss, nachts, mitten im Winter.

Eine Sondereinheit der nordkoreanischen Armee wagte 1968 genau das – im Rahmen eines gescheiterten Attentats auf den südkoreanischen Präsidenten.

 

Heute bietet Imjingak ein Nordkorea-Zentrum, den Wiedervereinigungspark, mehrere Monumente und Gedenkstätten sowie den Pyeonghwanuri-Park – mit dem „(Gras-)Hügel der Musik“ und einem Park mit über 3.000 bunten Windrädern.

 

Besonders eindrücklich: die Freiheitsbrücke.

Sie erinnert sinnbildlich an die Seelen derer, die ihre Familien und ihre Heimat im Norden vermissten.

Die Brücke wurde nach der Zerstörung der beiden Eisenbahnbrücken im Koreakrieg provisorisch errichtet – für den Austausch von Kriegsgefangenen.

Sie ist ein Symbol der Tragödie: schnell hingezimmert, Ausdruck der Sehnsucht – und doch im leeren Raum.

Ein stummer Zeuge der Auswirkungen des Kalten Krieges, der hier gewissermaßen immer noch herrscht.

Und zugleich ein Hoffnungsträger für eine „Rückkehr in die Freiheit“.

 

Die Stimmung ist eigentümlich.

Fotos in Richtung Militär und Stacheldraht sind streng verboten – unter hohen Geld- und Gefängnisstrafen.

Es ist still und ernst.

Und doch wirkt die Landschaft friedlich, fast zufrieden.

Für die Natur ist dies ein Paradies.

Pflanzen und Tiere haben ihre Ruhe.

Eonni entdeckt beim Streunen eine grüne Schlange …

Kulinarisches Fazit

Ja, also heute – das war definitiv mehr als nur ein koreanisches Sandwich!

 

In der Book City folgten wir einer Gruppe junger, hungriger Verlagsangestellten in ihrer Mittagspause und setzten uns kurzerhand ebenfalls in die Gastronomie ihrer Wahl.

Jackpot!

Genial leckere (chinesische) Nudelsuppe mit Morcheln, Gemüse, Meeresfrüchten – und auf Wunsch moderat scharf.

Ziemlich lecker!

 

Am Abend dann ein eher unspektakuläres, weil nicht spezifisch koreanisches, aber dennoch sehr gutes Sandwich im Apate.

 

(Somit immer noch nicht wirklich koreanisch … nun ja.)

Eonni hat das letzte Wort

Heute möchte sie doch noch anmerken, dass sie – abgesehen von den diversen Käbbeleien mit der Navigations-KI (Joka hat eindeutig die bessere Beziehung zur KI. Die beiden verstehen sich jeden Tag besser.) – sich ziemlich gut dabei gefühlt hat, als sie es beim dritten Anlauf endlich durch die Mautstelle geschafft hat.

Ein kleines Highlight des Tages, sozusagen.

 

Bei den ersten beiden Versuchen wussten wir schlicht nicht, wo wir zahlen sollten – und drehten deshalb prompt wieder ab.

Wie sich herausstellte: Wir konnten ja gar nicht zahlen, sondern mussten lediglich ein Ticket ziehen …

Es dauert eben, bis ich alle Schilder entziffert habe.

 

Wie gesagt: Beim dritten Anlauf – wir kennen uns dort jetzt recht gut aus – hat es geklappt.

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