VOR ORT IM LAND - Erste Etappe Incheon - 4. Tag
Heute steht der Wechsel unseres Basislagers an – auschecken, Geld wechseln, einchecken in Gwangju. Auf der Strecke dazwischen werden wir vielleicht (na, ziemlich sicher!) einen Abstecher ins Sunshine Land machen – denn zumindest Eonni und ich sind bekennende Fans des KDramas Mr. Sunshine...
Aber das ist nicht der einzige Grund. Der Besuch dort hat auch einen positiven Nebeneffekt: Für das Historiendrama, das zur Jahrtausendwende des vorangegangenen Jahrhunderts spielt – zur Zeit zunehmender japanischer Vorherrschaft in Joseon – wurde das Seoul jener Tage baulich nachempfunden.
Und zwar richtig, nicht als bloße Kulisse.
Das heißt für uns: Nach den Architektur- und Lifestyle-Eindrücken aus Silla-, Goryeo- und Joseon-Zeiten sowie den ersten zwei Jahrzehnten des blutjungen, frühen 21. Jahrhunderts, heute nun einige aus den ersten Jahrzehnten des vergangenen 20. Jahrhunderts...
Kurz vor Gwangju ist noch ein Spaziergang im Bambuswald angedacht. Möglicherweise auch einer unter Metasequoia-Bäumen.
Und dann wartet Gwangju auf uns – Hauptstadt der unbeugsamen Provinz Jeollanam-do, die seit dem 19. Jahrhundert nicht aufgehört hat, gegen die Unterdrückung ihrer Menschenrechte durch Adel, japanische Kolonialmächte und zuletzt Diktatur massiven Widerstand zu leisten.
Aber damit werden wir uns erst in den nächsten Tagen beschäftigen...
Unsere Themen heute:
Nachdem wir das Geld getauscht hatten, übergaben wir dem Navi das Kommando. Seltsamerweise schaffen es die Mautstellen immer wieder, uns zu verwirren.
Welche Fahrbahn ist für uns – und nimmt Bargeld?
Das ist die stets neue Frage...
Heute war unsere Übung für Fortgeschrittene.
Mal wieder musste frau nur ein Ticket ziehen, aber (!) es gab keines mehr... Das wussten wir nicht und nahmen – da wir ja mit leeren Händen weiterfuhren – sicherheitshalber die Detour.
Wer weiß, hatten wir wieder etwas übersehen?
Dabei passierten wir eine weitere Tollstation, wo die freundliche Dame im Häuschen irgendwann – im fernmündlichen Austausch mit ihrem Control Center – rekonstruieren konnte, woher wir kommen (ist ja alles videoüberwacht) und wohin wir wollen.
Wir durften passieren.
Zurück an unserer eigentlichen Mautstelle fehlten die Tickets selbstverständlich immer noch.
Doch dann haben wir es auch kapiert...
Irgendwann werden wir Profis – ich bin zuversichtlich.
Bis dahin müssen die Damen im Häuschen wohl noch so manches Mal zum Telefonhörer greifen...
Wahrscheinlich ist unsere Autonummer bereits jetzt landesweit bekannt.
Jedenfalls führte unser Weg nach Süden durch Reisfelder und zunehmend hügelige Landschaft.
Auf etwa halber Strecke machten wir einen Stopp im Sunshine Land.
Nonsan - Sunshine Land
Shooting Location für die hier gelisteten KDramen:
Mister Sunshine / Oasis / The King: Eternal Monarch /
Pachinko
Nonsan ist eine ländliche Stadt, bekannt für Erdbeeren und Reisfelder. Sunshine Land liegt im Dorf Hwanghwajeong-ri. Die Sunshine Studios sind Teil dieses Vergnügungsparks, der neben einem öffentlich zugänglichen 1:1 Survival Game Set auch das 1950 Romance Studio bietet – mit einem Stadtbild zur Zeit des Korea-Kriegs. Das übergreifende Thema ist das Militär, das sich auch in der unmittelbaren Nachbarschaft zeigt: Dort befindet sich ein Ausbildungsstützpunkt der ROK-Armee, in dem (unter anderem) zahlreiche K-Promis ihre militärische Grundausbildung absolviert haben – oder gerade absolvieren.
Also, das zumindest hat nichts mit Vergnügen zu tun... Zum Zeitpunkt unseres Besuchs verließ – so schien es – die gesamte Kompanie die Kaserne zu einem Marsch in voller Montur, inklusive Masken und Munition. Und das bei sommerlichen Temperaturen...
Wir waren lediglich im Open-Air-Set der Sunshine Studios. Diese wurden 2018 als Filmkulisse eröffnet – zur Nachstellung von Seoul während der Kolonialzeit, speziell für das KDrama Mr. Sunshine. Seither dient das Set auch anderen Produktionen, die in jener Epoche spielen.
Schon beeindruckend. Aus den Lautsprechern dringt der Soundtrack. Szenenerinnerungen werden wach – für jene, die bereits in die Geschichte eingetaucht sind. In manchen Gebäuden ertönen beim Betreten akustische Schlüsselszenen, die das Erlebnis noch vertiefen.
Joka, die bislang nicht wirklich überzeugt war vom KDrama Mr. Sunshine, war beeindruckt – und will es nach diesem Besuch doch nochmal damit versuchen...
Sunshine Studio
Anlässlich des KDramas Mr. Sunshine wurde das Seoul um 1900 – im Vorfeld der Kolonialisierung – auf einer Fläche von 17.830 m² nachgebildet. Das Set umfasst traditionelle Bauformen einfacher und adliger Familien sowie erste moderne Gebäude jener Zeit, darunter der Sitz der Hansung Electric Power Company und Seouls erste Straßenbahn.
Insgesamt lassen sich 37 Einrichtungen besichtigen:
5 Gebäude moderner Architektur jener Epoche
19 traditionelle Häuser
4 strohgedeckte Wohnhäuser
9 Gebäude im japanisch inspirierten Jeoksan-Stil
Darunter unter anderem: das Glory Hotel (mit Café in Betrieb), die Hongyeon-Brücke und die Jongno-Straße, wo sich Go Ae-shin und Eugene Choi zum ersten Mal begegnen.
Auch die japanische Bar – in der Eugene Choi, Kim Hee-sung und Goo Dong-mae regelmäßig einkehren – ist Teil des Sets.
Ebenso das Haus von Go Ae-shins Großvater, Hansungs elektrische Straßenbahn sowie zahlreiche Requisiten und Kostüme.
Damyang: Bambuswald
Vor den Toren der Stadt Gwangju liegt ein alter Bambuswald – samt Bambusmuseum, das alles ganz genau erklärt. Immerhin hat sich die Region bereits in der Joseon-Ära als Zentrum des perfektionierten Bambuskunsthandwerks profiliert.
Wir genießen den Spaziergang durch den friedlichen, schattigen Wald.
Die meisten Besucher*innen sind schon wieder weg.
Das trifft sich gut. Wir haben den Wald fast für uns allein...
KDrama überall
Übrigens: Das KDrama ist im Land derart omnipräsent, dass es uns sogar im Bambuswald einholt.
Aber nicht nur dort: in jeder Fernsehwerbung – egal zu welchem Produkt. Im Supermarkt – auf jedem Artikel, ganz gleich aus welchem Segment. Beim Zähneputzen, beim Einseifen, beim Abspülen, beim Essen, beim Wohnungseinrichten, beim Einkleiden sowieso – und auch beim Autokauf.
Ständig ist das KDrama präsent.
Schon ein bisschen verrückt.
Und dann eben auch im Bambuswald – denn dort wurde immer mal gedreht, wenn es sich anbot
Bambuswald schön und gut...
...aber Unterhaltung muss sein! Unter mehreren Gimmicks, die den Weg durch die Bäume säumen, auch dieses hier: Check deine Körpermaße. Passt du gut durch deine altersgemäße Breite?
Wir haben (erfolgreich) getestet...
Von links nach rechts: 20, 30, 40, 50, 60, Big-Size, Geht-gar-nicht. Es gab niemanden, der vorbeiging, ohne zu testen...
Lebendes Fossil: Metasequoia
Auf der Strecke streifen wir eine 8,5 km lange Mammutbaumallee mit bis zu 20 m hohen Bäumen.
Sie wirken seltsam vertraut – wie aus Kindertagen.
(Dies liegt wohl weniger daran, dass es ebenfalls eine Metasequoia-Allee auf der Insel Mainau am Bodensee gibt, die in meiner Kindheit schon einmal Ausflugsziel war.) Vielleicht kommt die Vertrautheit daher, dass die Allee in mehreren KDrama-Szenen gerne als charmante, verträumte Kulisse für Spaziergänge dient.
Oder – und das entstammt eher einem multidimensionalen Denken – liegt es daran, dass die Metasequoia die Gene der Urzeit in sich tragen und mit diesem Planeten eine lange Geschichte teilen...Fakt ist: Beim sogenannten Mammutbaum handelt es sich um einen Naturzeugen der Urzeit.
Bis 1941 war er nur aus Fossilfunden bekannt. Dann wurde – durch Zufall – ein überlebendes Exemplar dieser Gattung in einer entlegenen Bergregion Chinas entdeckt.
Inzwischen durfte sich die Baumart wieder reichlich vermehren.
Gängige Bezeichnungen sind – neben Metasequoie – auch chinesisches Rotholz, Wassertanne oder Wasserlärche.
Der Mammutbaum geht auf die Kreidezeit zurück und war damals Zeitgenosse der Dinosaurier.
Hm.
Wir meditieren also an dieser Stelle ein wenig über die Vergänglichkeit des Seins und das Wunder des Lebens auf diesem Planeten, bevor wir endlich unsere neue Unterkunft aufsuchen.
Heute war bislang der wärmste Tag – schwül auch.
Eonni hat das letzte Wort
Die Stimmung war heute freundlich und friedlich. Sowohl bei Mr. Sunshine, als auch in den Wäldern.