Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen

Crime & Politics

Die Republik will sich neu ausrichten

Südkorea zählt heute zu den wirtschaftlich stärksten und technologisch führenden Nationen der Welt. Im Bloomberg‑Innovationsindex 2021 belegte es erneut den Spitzenplatz. Die wirtschaftlichen Erfolge sind unbestritten – doch sie haben ihren Preis: soziale Spannungen, gesellschaftliche Ungleichheiten und persönliche Schicksale, die in Statistiken nicht sichtbar sind. KDramen greifen diese verborgenen Geschichten auf. Die Prägung durch die Militärdiktatur und die starke Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen weniger Großkonzerne (Jaebeol) wirkt bis heute nach.

 

Die Republik Korea wurde 1948 gegründet. Laut Verfassung wird das Land von einer gewählten Nationalversammlung und einem direkt vom Volk für fünf Jahre gewählten Präsidenten bzw. einer Präsidentin geführt. Das Staatsoberhaupt ernennt die Minister*innen, verfügt über ein aufschiebendes Vetorecht gegenüber Parlamentsbeschlüssen und ist Oberbefehlshaber*in der Streitkräfte. Die Ernennung des/der Premierminister*in erfordert die Zustimmung der Nationalversammlung.

 

Nach 25 Jahren Militärherrschaft und fast 40 Jahren – auch durch die USA und Japan gestützter – Diktatur erkämpften sich die Südkoreaner*innen 1993 die politische Öffnung nach innen und außen. Die Erinnerung an die Militärdiktatur ist jedoch lebendig. In den Köpfen vieler fallen die wirtschaftsliberalen Reformen der 1990er‑Jahre mit der Asienkrise zusammen: 1997 stand das Land mit 120 Mrd. US‑Dollar Auslandsverschuldung kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Über 10. 000 Unternehmen gingen in Konkurs, mehr als die Hälfte der Banken musste schließen.

 

Obwohl die Demokratisierung nichts mit der Asienkrise zu tun hatte, werden beide Ereignisse oft verknüpft. Die Ära der Militärdiktatur gilt mancherorts als Zeit wirtschaftlicher Stabilität – eine Sichtweise, von der die Jaebeol profitieren. Ihre wirtschaftliche Macht wird nicht selten stärker respektiert als die noch junge Demokratie.

2017 folgte nach dem Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Park Geun‑hye die Wahl von Moon Jae‑in (Demokratische Partei), der eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik anstrebte: Stärkung des Mittelstands, Arbeitsmarktreformen und mehr Transparenz in den Verflechtungen von Politik und Jaebeol. Da seine Fraktion keine Parlamentsmehrheit hatte, war er auf Koalitionen angewiesen. Am 10. März 2022 gewann Yoon Suk Yeol knapp die Präsidentschaftswahl. Der frühere Chefankläger gilt als Populist und konservativer Vertreter traditioneller, teils frauenfeindlicher Haltungen. Seine geringe Mehrheit könnte die politische Entwicklung bremsen – zugleich spiegelt das knappe Ergebnis die gespaltene Stimmung im Land wider.

 

Unterdrückung, Gewalt und Abhängigkeiten haben das Leben vieler Menschen über Jahrzehnte geprägt. Dass die letzte Präsidentin tief in Korruption verstrickt war, war für viele ernüchternd – ebenso wie ihre vorzeitige Freilassung Ende 2021 durch eine „besondere Amnestie“.

 

Transparenz und Demokratie müssen sich noch festigen – in Legislative, Exekutive und Judikative. KDramen zeigen immer wieder Figuren, die den alten Strukturen trotzen und für Offenheit eintreten. Solche Vorbilder sind wichtig. Denn eine stabile Demokratie braucht freie, mündige Bürger*innen – und dahin ist es in Südkorea noch ein Weg.

Gewalt. Körperliche Gewalt. Kindermisshandlung. Mobbing.

Die Prügelstrafe an Schulen ist in Südkorea seit 2010 offiziell verboten. Körperliche Züchtigung im Elternhaus bleibt jedoch ein anderes Thema: Über 80 Prozent der polizeilich bestätigten Fälle von Kindesmisshandlung gehen auf leibliche Eltern zurück – hinzu kommt eine unbekannte Dunkelziffer. Verlässliche, einheitliche Statistiken fehlen, da Polizei, Ministerien, Kinderschutzzentren und freie Träger jeweils eigene, teils auf Schätzungen beruhende Zahlen erheben.

 

Viele Eltern sind selbst in einem System aufgewachsen, das Kinder als „verlängertes Selbst“ der Eltern sah – nicht als eigenständige Persönlichkeiten. Entsprechend stehen in der Erziehung oft die Rechte der Eltern im Vordergrund, nicht die der Kinder. Gewalt wird als private Angelegenheit betrachtet, kaum als staatliche. In KDramen finden sich daher immer wieder Szenen, in denen Kinder geschlagen werden – nicht selten mit Verweis auf den „Stock der Liebe“. Für viele gilt körperliche Züchtigung als Mittel, den Charakter zu formen und zugleich Zuneigung zu zeigen. In vielen europäischen Ländern gilt dies klar als Missbrauch. Immerhin wächst auch in Südkorea das Bewusstsein für die Rechte der Kinder.

 

Die Zahl der von der Polizei untersuchten schweren Missbrauchsfälle steigt – auch solche, in denen Kinder durch elterliche Gewalt ums Leben kommen. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass Missbrauch zunimmt, sondern dass mehr Fälle gemeldet werden. Ein ermutigendes Zeichen dafür, dass die Vormachtstellung traditioneller Erziehungsmuster, die Gewalt begünstigen, langsam bröckelt.

 

Kindesmisshandlung ist auf den KDramen dieser Seiten explizit Thema in "Children of Nobody", "Mother",  "Angry Mom und "Sky Castle".

 

Erleben Kinder keine Gewalt im Elternhaus, so geschieht dies nicht selten in der Schule. Mobbing ist in südkoreanischen Bildungseinrichtungen ein gravierendes Problem: Statistiken zufolge sind rund 40 Prozent aller Schüler*innen betroffen – zwei- bis viermal so viele wie in vielen anderen Ländern.

 

Wer von klein auf seelisch und körperlich gebrochen wird, lernt kaum, als selbstbewusster, freier Mensch zu leben. Vor 20 bis 30 Jahren – noch ohne Hochtechnologie, allgegenwärtiges Internet und soziale Medien – kannten viele Menschen fast ausschließlich ein Umfeld, in dem körperliche Übergriffe als selbstverständlich galten. Die Kinder und Jugendlichen von heute, die jungen Eltern von morgen, wachsen dagegen mit einem weitaus größeren Zugang zu alternativen Lebensentwürfen, Wertesystemen und Erziehungskonzepten auf. Das gesellschaftliche Bewusstsein weitet sich, Konflikte mit traditionellen Strukturen nehmen zu. Neue Perspektiven gewinnen Raum. Über soziale Medien bilden sich Netzwerke des Widerstands und der gegenseitigen Unterstützung, Diskussionen entstehen, und veränderte Werte sowie ein neues Selbstverständnis setzen sich durch. Veränderung wird greifbar.

 

KDramen tragen dazu bei, indem sie positive Modelle zeigen, wie ein anderer Umgang möglich ist. Sie räumen erzählerisch mit überkommenen Mustern der Kindesmisshandlung auf. Kaum eine Serie, die im schulischen Umfeld spielt, spart heute das Thema Mobbing aus – und meist gibt es mindestens eine Figur, die den Mut findet, sich dem Unrecht entgegenzustellen.

Beispiele

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