KDrama nach Themen: Crime & Politics
Eine Frau, die man eingesperrt hat, weil sie zu viel wagte. „Queen Mantis“ nennt sie sich, und schon der Name ist ein Menetekel – oder eine Drohung. Die Gottesanbeterin frisst bekanntlich den Kopf ihres Partners, wenn er nicht mehr gebraucht wird. Ein provokatives Gleichnis in einer Gesellschaft, die Frauen gern als Opfer sieht, aber nicht als Rächerinnen.
Das koreanische Remake des französischen La Mante trägt den ursprünglichen Plot in ein sehr südkoreanisches Terrain: verlassene Minenstädte, die wie offene Wunden im Land liegen. Orte, an denen Kinder aufwuchsen, die später Täter oder Opfer wurden – oder beides zugleich. Hier wird nicht nur ein Serienkiller gejagt, sondern auch ein soziales Desaster: häusliche Gewalt, die in Südkorea so verbreitet ist, dass sie fast unsichtbar geworden ist. Die Polizei, die eigentlich schützen sollte, schaut weg.
Die Frauen in dieser Serie sind keine Heilige. Sie sind schwer zu lesen, widersprüchlich, gefährlich. Go Hyun‑jung spielt die Mantis herausragend. Mit einer Präsenz, die zugleich magnetisch und abstoßend ist – eine Frau, die man nicht lieben soll, aber auch nicht vergessen kann. Auch die anderen Frauenfiguren - allesamt sind sie vielschichtig, schwer zu durchschauen. Daneben wirken die Männer eher wie klischeehafte Schatten: Polizisten, Täter, Väter, alle in bekannten Kostümen.
Vielleicht ist das Absicht: eine Umkehrung der üblichen Rollen, in denen ansonsten Frauen die Staffage sind und Männer die Handlung tragen. In diesem Fall: Ein Krimi, solide, wenn auch in der Thematik nicht neu, doch in der eindrücklichen Aufbereitung durchaus.
„Queen Mantis“ ist mehr als ein Remake. Und mehr als ein Krimi. Es ist ein Spiegel koreanischer Widersprüche: zwischen Opferrolle und Selbstjustiz, zwischen patriarchaler Gewalt und weiblicher Gegenwehr. Es zeigt, dass Mord – auch als Rache – nicht zur Gerechtigkeit führt, sondern nur neue Abgründe öffnet.
Dabei stellt die Serie eine unbequeme Frage: Wenn die Institutionen versagen, wenn Gewalt im Privaten ungesühnt bleibt – ist Selbstjustiz dann ein Verbrechen oder eine Notwendigkeit? Die Antwort ist so klar wie unklar: Mord bleibt Mord, auch wenn er sich als Gerechtigkeit verkleidet. Aber die Zuschauerinnen und Zuschauer werden eingeladen, an diesem moralischen Abgrund zu verweilen, ihn zu betrachten, vielleicht sogar zu verstehen.
Im Zentrum von Queen Mantis steht zudem nicht nur die Jagd nach einem Serienmörder, sondern die brüchige Beziehung zwischen Mutter und Sohn. Jung Yi‑shin und Cha Su‑yeol begegnen einander wie Fremde, die durch Blut verbunden sind, aber durch Schweigen und Schuld voneinander getrennt wurden. Ihre Gespräche sind weniger Ermittlungsarbeit als das vorsichtige Tasten durch die Ruinen einer gemeinsamen Vergangenheit.
Die Serie spiegelt dieses beschädigte Band auch in anderen Eltern‑Kind‑Beziehungen: Väter, die nicht schützen konnten, Mütter, die verletzten, während sie zu bewahren versuchten, Kinder, die nicht nur Traumata, sondern auch das Schweigen erben. So entsteht ein Netz von Spiegelungen, das zeigt, wie Gewalt nicht isoliert bleibt, sondern durch Generationen wandert, Liebe verformt und Vertrauen zerfrisst. Queen Mantis gibt darauf keine Lösung, aber es lässt die Zuschauer in diesem Schwebezustand zurück – zwischen Nähe und Abstoßung, zwischen Bindung und Bruch.
Am Rande bleibt ein Stachel: die Darstellung einer trans Figur, die in die Nähe psychischer Störung gerückt wird. In einem Land, in dem Transidentität ohnehin marginalisiert ist, wirkt das wie ein Rückfall in alte Muster. Es ist ein kleiner, aber nicht unbedeutender Schatten auf einer Serie, die ansonsten so präzise die gesellschaftlichen Bruchstellen ausleuchtet.
Insgesamt würde ich sagen: Prädikat "wertvoll".
Randnotiz: das Ende der südkoreanischen Minenstädte
Südkorea hatte bis in die 1970er/80er Jahre hinein zahlreiche Kohle- und Erzbergwerke, vor allem in den Provinzen Gangwon-do (Taebaek, Sabuk, Hwangji) und Chungcheongbuk-do.
Mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel und der Abkehr von Kohleenergie wurden viele dieser Minen in den 1980er/90er Jahren geschlossen.
Zurück blieben „Geisterstädte“: halb verlassene Siedlungen, verfallene Arbeiterwohnungen, stillgelegte Schächte. Ganze Generationen zerfielen mit den Häusern, die sie einst bewohnten. Alkohol, Gewalt, Einsamkeit – die sozialen Nachbeben waren so verlässlich wie die Erdstöße, die früher den Boden erzittern ließen.
Manche Orte wie Taebaek oder Jeongseon haben sich später touristisch neu erfunden (z.B. als Ski-Resort oder für Festivals), andere blieben melancholisch entleert. Diese Orte tragen eine Aura von sozialem Trauma: Arbeitslosigkeit, Abwanderung, zerfallene Gemeinschaften. Genau das macht sie für Thriller und Dramen so aufgeladen.
사마귀: 살인자의 외출 - Samagwi: Salinjaui Oechul
Lit.: Gottesanbeterin: Ausflug der Mörderin
2025, 8 Episoden
Hauptdarsteller*innen:
- Go Hyun‑jung
- Jang Dong‑yoon
- Jo Sung‑ha
- Lee El
Plot:
Vor zwanzig Jahren ermordete Jung Yi‑shin fünf Männer und erhielt den Spitznamen „Mantis“. Seitdem sitzt sie im Gefängnis. Ihr Sohn Cha Su‑yeol, der sie seit Kindheitstagen verachtet, ist inzwischen Polizist geworden.
Als eine neue Mordserie beginnt, die die Handschrift der „Mantis“ imitiert, sieht sich Su‑yeol gezwungen, mit seiner Mutter zusammenzuarbeiten, um den Copycat-Killer zu fassen. Die Ermittlungen führen zurück in die Vergangenheit – in die verlassenen Minenstädte, in denen die Figuren aufwuchsen, und in die verdrängten Traumata von Gewalt, Missbrauch und institutionellem Versagen.