Unterwegs im Koreanischen
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KDrama nach Themen: Mehr Drama geht immer

Cain and Abel

Auch wenn ich normalerweise kein „cool“-Prädikat vergebe – hätte ich eines, würde ich es „Cain and Abel“ zweifellos zusprechen.

 

„Cain and Abel“ präsentiert sich in bester KDrama-Tradition der frühen KWave-Produktionen. Im Hintergrund treibt ein unheilschwangerer Soundtrack seinen Rhythmus durch die 20 Folgen – ein Leitmotiv, das Spannung und Drama immer wieder neu entfacht. Die dramaturgischen Elemente sind vertraut: Zwei Brüder, eine böse Stiefmutter, ein komatöser Vater, Amnesie, zwei Herzdamen und – wie es sich fürs Krankenhausmilieu, konkret die neurochirurgische Abteilung, gehört – natürlich ein Gehirntumor. Mehr Drama geht immer.

 

Im Fall von „Cain and Abel“ verlagert sich das Geschehen zeitweise nach China und rückt dabei die brisante Thematik nordkoreanischer Flüchtlinge in den Fokus. So bleibt die Handlung nicht auf Krankenhausflure beschränkt, sondern wird zeitweise actionreich und spannend, mit sozialem Tiefgang. Auf den ersten Blick mag die Handlung vertraut wirken – doch ehe man sich versieht, hat einen die Geschichte gepackt und lässt nicht mehr los.

Die Antagonist*innen sind hier wirklich böse – keine halbherzigen Grauzonen. Zwar taucht das Thema Vergebung auf, doch angesichts so viel Skrupellosigkeit könnte man/frau das Konzept manchmal grundsätzlich in Frage stellen wollen. Der Titel „Cain and Abel“ verweist explizit auf das biblische Motiv: Der erste Mörder der Menschheitsgeschichte wählte seinen eigenen Bruder als Opfer – aus Neid und im Kampf um Anerkennung. Dieser Konkurrenzkampf spiegelt sich hier in der Sehnsucht nach Anerkennung als genialer Neurochirurg – durch den Vater, die Fachwelt, Aufsichtsräte und als Mann durch die Liebe einer Frau. Die Stiefmutter treibt die Feindschaft zusätzlich mit bösem Kalkül voran.

Der Bruderzwist – der nicht durchweg nur Zwist ist – wird von So Ji-sub (oft wagemutig) und Shin Hyun-joon (mit traurig-melancholischem Blick, wie man ihn schon aus „Stairway to Heaven“ kennt) intensiv verkörpert. Die beiden Schauspieler gehen völlig in ihren Rollen auf und nehmen die Zuschauer*innen mit auf eine emotionale Achterbahnfahrt. Die Geschichte gewinnt zusätzlich an Tiefe, wenn der „kleine Abel“ eine lange Reise im Parka unter nordkoreanischen Flüchtlingen in China unternimmt. Damit wechselt die Serie zwischen elitären Welten der Neurochirurgie und dem harten Überlebenskampf am anderen Ende des gesellschaftlichen Spektrums.

 

Auch die beiden weiblichen Hauptrollen, Han Ji-min und Chae Jung-an, schaffen es, diese Kontraste überzeugend darzustellen. Die Produktion wurde mehrfach ausgezeichnet: Unter anderem erhielt So Ji-sub einen Preis vom Ministerium für Kultur.

카인과 아벨 -  Kaingwa Abel

Lit.: Kain und Abel

 

2009, 20 Episoden

 

Hauptdarsteller*innen:

-So Ji-sub
-Shin Hyun-joon
-Han Ji-min
-Chae Jung-an

 

Plot:

Lee Cho-in ist gleichsam der „kleine Abel“: Er ist der Liebling der Klinikkolleg*innen und ziemlich talentiert als Chirurg. Er versteht sich als Arzt im Dienste seiner Mitmenschen – nicht im Dienste seines Egos. Er hat inzwischen das Herz der Dame, die seit Kindheit eng mit ihm und seinem Bruder verbunden ist, für sich gewonnen. Überhaupt ist er meist gut aufgelegt und auch ohne die Anerkennung seiner Umwelt ein selbstbewusster Zeitgenosse. Die Konkurrenz mit seinem Bruder sieht er dabei allenfalls sportlich. Sein Traum ist kein elitäres medizinisches Zentrum, das sich primär in der Bilanz rechnet, sondern – ganz im Sinne seines Vaters, der ihn einst als kleines, uneheliches Frühchen in die Familie aufgenommen hatte – eine spezielle Abteilung, die (auch neurochirurgische) Notfallbetreuung bietet, gerade für jene, die es sich nicht leisten können…

 

Sein älterer Bruder Lee Seon-woo neidet Cho-in so manches. Das begann schon damals, als Cho-in als Baby mutterlos in die Familie kam. Seon-woos Mutter hat ihrem Ehemann bis heute nicht verziehen, dass er diesen „unehelichen Sohn“ in die Familie brachte. Noch weniger kann sie ihm verzeihen, dass er mit Cho-in große Pläne für die Zukunft des renommierten Krankenhauses hat. Als Seon-woo nach sieben Jahren aus den USA zurückkehrt, wo er sich inzwischen am Johns Hopkins Hospital als Neurochirurg einen Namen gemacht hat, weiß seine Mutter ihm einen starken Auftritt zu inszenieren. Dies soll der erste Baustein auf dem Weg zu einem exklusiven neurochirurgischen Zentrum sein. Der Vater hat schon seit geraumer Zeit nichts mehr zu melden, denn er liegt im Koma. Seon-woo will ihn mit einer gewagten OP retten. Cho-in ist aufgrund des Risikos dagegen. Seon-woo schlägt ihm daher vor, nach Shanghai zu reisen, wo ein Kollege dieselbe Praktik anwendet, um sich einen konkreten Eindruck zu verschaffen. Tatsächlich will er ihn am Tag der Abstimmung über die künftigen Weichen der Klinikplanung nicht dabei haben. Und manch andere Akteure der Chefetage wollen ihn sogar überhaupt nicht mehr, d. h. nie mehr, dabei haben…

 

Cho-ins Reisebegleitung in Shanghai ist Oh Young-ji, eine aus Nordkorea geflüchtete junge Frau, die hier auf ihren Bruder wartet. Sie ist auf Geld angewiesen und nimmt gerne eine Extrabezahlung dafür, dass sie laufend eine Statusmeldung über Cho-ins Aufenthaltsorte abliefert. In der kurzen Zeit der Begegnung findet sie in Cho-in eine Quelle neuen Mutes auf ihrem Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft in Südkorea. Sie kann nicht wissen, dass Cho-ins Mörder nur auf den geeigneten Moment warten, ihren Job zu erledigen.

Die Hinrichtung soll in der Wüste erfolgen. Cho-in überlebt gerade so und wird von einer Gruppe Nordkoreaner*innen gerettet. Ihr Anführer ist Young-jis Bruder. Er und Cho-in werden enge Kameraden. Dabei hat Cho-in keine Erinnerung an sein Leben davor … Auch wenn seine Liebe Kim Seo-yeon nicht aufgibt, nach dem Verschollenen Cho-in zu suchen, würde ihn niemand unter nordkoreanischen Flüchtlingen vermuten, die sich unter dem Radar in China bewegen. Allerdings ist Young-jis Bruder eine große Nummer in Geheimdienstkreisen und wird gesucht. Früher oder später muss sich Cho-in als nordkoreanischer Flüchtling (ohne Erinnerung) verantworten. Dabei droht ihm die Abschiebung nach Nordkorea.

 

Seine Familie hat ihn zwar offiziell schon begraben, doch Seon-woo ist weiterhin wachsam und hat seine Fühler nach seinem verschollenen Bruder ausgestreckt. Dessen unvermittelte Rückkehr wäre denkbar ungünstig für ihn, denn der wurde als Variable längst aus dem Familienleben und der Krankenhauspolitik entfernt. Aber da gibt es ja auch noch Young-ji, die inzwischen in Südkorea ein neues Leben begonnen hat und der die Urne mit der Asche ihres Bruders übergeben werden soll…

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