Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

Südkorea im KDrama

Nicht das Leben ...aber ein Blick in andere Lebenswelten 

Nachdem ich meine erste Serie, Designated Survivor: 60 Days, gesehen hatte, war ich tatsächlich ein wenig traurig, diese neu entdeckte Welt wieder verlassen zu müssen. Die feinen Gesten, das Verbeugen, eine durchgehende Höflichkeit im Umgang, das gegenseitige Ehreerweisen, der subtile Humor, „Hühnchen und Bier“ (auch wenn es nie wirklich gegessen wurde), das Blaue Haus als koreanisches Pendant zum Weißen Haus, die langen Einstellungen auf Details und das insgesamt langsamere Erzähltempo mit Raum für Zwischentöne – all das war mir über 16 Folgen regelrecht ans Herz gewachsen. Gleichzeitig irritierten mich manche Eigenheiten: der übliche Tritt gegen das Schienbein, die Art, mit Gesang und Tanz Wahlkampf zu machen, oder die ausgeprägten Hierarchien – alles Aspekte, die meine Neugier noch verstärkten.

 

Bald stellte ich fest, dass diese Serie nur der Anfang war. Die moderne Welt der KDramen hat in den letzten zwanzig Jahren ein erstaunlich weites Fenster geschaffen, das einen vielschichtigen Blick auf südkoreanische Lebensrealitäten erlaubt. Alltagspraktische Selbstverständlichkeiten werden hier – unabhängig von der eigentlichen Handlung – ganz nebenbei vermittelt: die Architektur, vom traditionellen Hanok über charmant heruntergekommene Rooftop‑Apartments mit Dachterrassenblick bis hin zu modernen Apartmenthäusern samt charakteristischem Geräusch des schlüssellosen Zugangs; das Lokalkolorit verschiedener Seouler Stadtviertel wie auch anderer Städte, etwa Busan, Gwangju oder Sokcho; Essgewohnheiten, soziale Umgangsformen, der hohe Stellenwert öffentlicher Verkehrsmittel; der Umgang mit modernen Technologien, die in meinem eigenen Alltag bisher kaum präsent sind, aber immer mehr Einzug halten; der Wert traditioneller Heilmittel; die teils dramatische Kluft zwischen Privilegierten und Benachteiligten – und immer wieder ein wenig Geschichte. All das ist, oft jenseits der vordergründigen Unterhaltung, Teil der Dramenkulisse und trägt auf nachhaltige Weise zur Bildung bei.

 

Gerade hierin liegt für mich einer der größten Reize: KDramen bieten nicht nur Unterhaltung, sondern eröffnen einen Zugang zu einer Kultur, die in ihrer Vielfalt und Dynamik begeistert, irritiert, herausfordert – und dauerhaft neugierig macht.

KStudies am KDrama

Nachdem ich meine erste Serie, Designated Survivor: 60 Days, gesehen hatte, war ich tatsächlich ein wenig traurig, diese neu entdeckte Welt wieder verlassen zu müssen. Die feinen Gesten, das Verbeugen, die durchgehende Höflichkeit im Umgang, das gegenseitige Ehreerweisen, der subtile Humor, das berühmte „Hühnchen und Bier“ (auch wenn es nie wirklich gegessen wurde), das Blaue Haus als koreanisches Pendant zum Weißen Haus, die langen Einstellungen auf Details und das insgesamt langsamere Erzähltempo mit Raum für Zwischentöne – all das war mir über 16 Folgen hinweg regelrecht ans Herz gewachsen. Gleichzeitig irritierten mich einige Eigenheiten: der gewohnte Tritt gegen das Schienbein, die Art, mit Gesang und Tanz Wahlkampf zu betreiben, und die ausgeprägten Hierarchien – alles Aspekte, die meine Neugier weiter anfachten.

 

Bald merkte ich, dass diese Serie nur der Anfang war. Die moderne Welt der KDramen hat in den letzten zwanzig Jahren ein erstaunlich weites Fenster geöffnet, das einen vielschichtigen Blick auf südkoreanische Lebensrealitäten erlaubt. Alltagspraktische Selbstverständlichkeiten werden hier – unabhängig von der eigentlichen Handlung – ganz nebenbei vermittelt: die Architektur, vom traditionellen Hanok über charmant heruntergekommene Rooftop Apartments mit Dachterrassenblick bis hin zu modernen Apartmenthäusern samt dem charakteristischen Geräusch des schlüssellosen Zugangs; das Lokalkolorit verschiedener Seouler Stadtviertel oder anderer Städte wie Busan, Gwangju oder Sokcho; Essgewohnheiten, soziale Umgangsformen, der hohe Stellenwert öffentlicher Verkehrsmittel; der Umgang mit modernen Technologien, die in meinem eigenen Alltag bisher kaum präsent sind, aber immer mehr Einzug halten; der Wert traditioneller Heilmittel; die teils gravierende Kluft zwischen Privilegierten und Benachteiligten – und immer wieder ein wenig Geschichte. All das ist, oft jenseits der eigentlichen Unterhaltung, Teil der Dramenkulisse und wirkt nachhaltig bildend.

 

Gerade hierin liegt für mich einer der größten Reize: KDramen bieten nicht nur Unterhaltung, sondern eröffnen gleichzeitig einen Zugang zu einer Kultur, die in ihrer Vielfalt und Dynamik begeistert, irritiert, herausfordert – und dauerhaft neugierig macht.

Der Erfolg des KDramas: dicht dran am Massenbewusstsein

Eine meiner ersten und naheliegendsten KStudies betraf das KDrama selbst. Wie auch in vielen anderen Ländern begannen die langlaufenden Serienproduktionen in den 1970er‑Jahren. Südkorea war damals noch Militärdiktatur, und das Themen‑ bzw. Genrespektrum war stark kontrolliert. Dennoch wurde auch in dieser Zeit nicht nur Nostalgie und Kleinstadtromantik vermittelt. Auch mit Tabuthemen wie Ehebruch (bis 2015 in Südkorea eine Straftat) wurde damals bereits jongliert.

 

Im Zuge der Demokratisierung ab Ende der 1980er‑Jahre wurden die Themen der Unterhaltungsindustrie nicht mehr so stark kontrolliert. Stattdessen nutzten die Fernsehserien ihre Möglichkeiten, um die Lebenswirklichkeit der Menschen abzubilden und sozialkritische Gesellschaftsthemen einer öffentlichen Diskussion zu stellen – allerdings stets in antikommunistischer Gesinnung, angesichts der nordkoreanischen Bedrohung.

Seit den 1990er‑Jahren ist die politische Zensur gewichen. Seither werden die Serien nicht selten nur wenig zeitversetzt zur Ausstrahlung gedreht, sodass die öffentliche Meinung direkt einfließen kann. Vielleicht ist das eines der Erfolgsrezepte … Ein anderes: Sie erzählen heute in kompakter Form von meist 16 oder 20 Folgen eine runde, vergleichsweise tiefgehende Geschichte – mit Zeit und Raum für differenzierte Porträts der Personen und ihrer Entwicklungen.

 

Koreanische Serien sind dicht an den Zuschauer*innen und somit am Massenbewusstsein. Sie greifen Meinungen auf und machen Meinung. Von ihnen geht heute eine enorme bewusstseinsverändernde Dynamik aus. Das KDrama nutzt diese Chance. Es geht nie wirklich zu weit, aber im besten Fall immer ein bisschen weiter – gerade so weit, dass das Publikum mitgehen kann, auch wenn es dabei oft heftiger Diskussionen bedarf.

Kritische aktuelle Themen sind zum Beispiel Scheidung (verpönt, aber immer häufiger), Erziehungs- und Familienprobleme (allen voran Bildungsstress und Misshandlung), Korruption (ein Dauerbrenner) sowie zunehmend auch Homosexualität und Transgender. Ein aktuelles Beispiel ist die 2021 erschienene Serie Mine. Unter anderem wird die lesbische Beziehung einer Protagonistin thematisiert. Eigentlich ziemlich raffiniert wird die Beziehung nur indirekt gezeigt, etwa in wenigen (aber immer wieder eingeblendeten, erinnerten) Szenen, in Blicken, Worten und einmal einer kurzen Berührung der Hände. Unglaublich, wie allein dies in dieser homophoben Gesellschaft die öffentliche Diskussion anheizte. Erstaunlich und erfreulich dabei: Die homophoben Positionen erhielten ziemlich massiven Gegenwind. Der Weg hin zu Offenheit und Toleranz auf breiter Basis scheint zwar noch weit, aber es gibt offenbar immer mehr Menschen, die ihn beschreiten (wollen).

In den vergangenen Jahren wurden die Fernsehsender als klassische Serienproduzenten zunehmend durch unabhängige Studios ergänzt. Der Erfolg führte dazu, die Serienproduktion gezielt – auch durch staatliche Förderung – auszubauen und als Exportartikel zu perfektionieren, zunächst für den asiatischen Markt, inzwischen weltweit. Streamingdienste wie Netflix tragen mittlerweile dazu bei, dass der Einfluss der 2008 gegründeten Korea Communications Commission (KCC) schwächer wird und die Aufarbeitung traditioneller Themen und Werte zunehmend auch innovativere und kulturunabhängige Formen annehmen kann.

 

Südkorea ist zwar ein kleines Land, doch sein Einfluss in der Unterhaltungsindustrie nimmt zu. Man findet inzwischen nicht nur US‑Dramen oder japanische Originale in koreanischer Interpretation, sondern auch KDrama als US‑ oder asiatische Remakes. Das liegt an der in mehrfacher Hinsicht perfektionierten Machart, aber auch daran, dass sich Menschen nicht‑koreanischer oder nicht‑asiatischer Herkunft – bei allen kulturellen Eigenheiten – mit den urmenschlichen „Dramen“ identifizieren können.

 

Ein wiederkehrendes Thema ist die Bedeutung der Familie. Sie spielt in KDrama die zentrale Rolle. Weltweit trifft man damit im Zuge einer zunehmenden Entfremdung und Individualisierung vielleicht eine Sehnsucht: nach verbindlichen Werten, nach Zugehörigkeit zur (Wahl‑)Familie, nach mehr emotionaler statt erotisierter Nähe in Beziehungen.

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