Unterwegs im Koreanischen
Unterwegs im Koreanischen

KDrama nach Themen: Beispiele für KMovie

Harbin

Prolog:

Man könnte bemängeln, dass historische Fakten über die historische Person Ahn zu kurz kommen. Dass in Bezug auf die in diesem Fall fiktiven Kamerad*innen und Gegenspieler zu viel dichterische Freiheit ausgenutzt wurde. Dass diese dabei zudem ihrerseits als individuelle Charaktere zu blass bleiben. Dass zu wenig Tempo und Spannung aufgebaut wird, dafür zu viel im Dunklen debattiert wird.

 

Doch das wäre ein völlig anderer Film geworden. Mit einer anderen Botschaft.

Von meinem Empfinden her will dieses KMovie nicht Geschichte erzählen, sondern das Dilemma, die Hürden, die Herausforderungen, die Leistung, die Leidenschaft, die Qual des koreanischen Widerstandskampfes als episches Monument inszenieren. Wir bekommen keine Held*innen in schillernder Rüstung, sondern verzweifelte Kämpfer*innen für eine gerechtere Welt - für ihre Freiheit, für ihr Land, das ihre Heimat ist, für ihre Familien oder die Familien, die sie selbst nicht haben. „Harbin“ will ihren Preis würdigen, den sie für all jene gezahlt haben, die heute tatsächlich in Freiheit und weitgehender Unabhängigkeit leben können. „Harbin“ will davon zudem kritisch erzählen. Mit dem Fokus auf das Ringen um Perspektive, Hoffnung, Moral und Rechtfertigung der vielen schmerzhaften Opfer.

Terra nullius - zwischen Licht und Dunkelheit, zwischen richtig und falsch, zwischen Recht und Unrecht.

Wer „Harbin“ gesehen hat, wird „Harbin“ nicht vergessen. Dafür sorgt die eindringliche Inszenierung, die filmtechnisch mit künstlerischem Anspruch konsequent durchkomponiert wurde, um Licht, Zeit und Raum in das perfekte Verhältnis zu setzen.

 

Hier wurde bewusst und gezielt mit filmischen Mitteln gearbeitet: Kamera, Licht, bildgewaltige Szenen, die sich ins Gedächtnis einbrennen! Dialoge liefern weniger Kontextinformation, sondern vermitteln vielmehr das persönliche und kollektive Ringen um die richtige Haltung. Da geht es um Moral und das Gegenteil davon.

 

Wir erfahren nicht viel über Ahn, über den man auch einen ganz anderen Film hätte machen können. Das hätte seine Persönlichkeit durchaus hergegeben. Und doch erfahren wir in drastischen Szenen und Momenten, wofür er zutiefst steht: Für eine aufrechte, gerechte Haltung, die Gleiches nicht mit Gleichem zurückzahlen will, sondern es besser machen möchte. Damit scheitert Ahn zwar, aber er gibt dennoch nicht auf. Bis zuletzt steht er für das ein, was er für richtig erachtet. Wir erfahren in „Harbin“ nicht, dass er während seiner Haft unter anderem ein Traktat verfasst hat - ein Konzept für eine bessere Welt. Aber wir haben ihn während der 108 Minuten als einen Mann kennengelernt, dem wir das durchaus zutrauen können.

 

Die anderen, die mit ihm und die gegen ihn arbeiten, sind praktisch namenlos und stehen für die vielen Namenlosen, die damals auf ihre Art gerungen und gelitten haben – unter der Kälte, der Grausamkeit, der Hoffnungslosigkeit dieses Untergrundkampfes im hohen mongolischen Norden. Und dabei dennoch ihren Beitrag geleistet haben.

Poetische Ästhetik der Dunkelheit.

Für ein westlich geprägte Publikum stellt „Harbin“ vielleicht in doppelter Hinsicht eine Herausforderung dar. Das KMovie ist (wie viele andere KMovies auch) nicht Action lastig, sondern setzt auf die Eindringlichkeit der Langsamkeit. Auch in diesem ist Action wohldosiert eingesetzt. Die subtil treibende Kraft bildet vielmehr das ästhetische Konzept: Dieses setzt nicht etwa auf Licht, sondern auf Schatten, auf die poetische Ästhetik der Dunkelheit und ihrer subtilen Nuancen, wo diffuses Licht Texturen und Formen hervorhebt. Auf sparsame, ausgewählte Farbimpulse und Kontraste.

 

Damit rückt durch den optischen Eindruck die eisig bittere Kälte im schneebedeckten Wald, auf dem zugefrorenen Fluss und in der Weite der Wüstenlandschaft der Mongolei fast fühlbar nahe an die Zuschauer*innen heran. Die Natur in ihrer kraftvoll ästhetischen Inszenierung wird gleichsam zum Symbol für den beschwerlichen Weg in die Freiheit.

 

Zum Auftakt erwartet uns die Unwirtlichkeit des Untergrundlebens, in dem das Licht spärlich ist und die Nahrung aus Zigaretten besteht. Dabei lässt der Zigarettenrauch das wenige Licht noch diffuser und die Mäntel die Kälte der kargen Räume noch kälter erscheinen. Schon katapultiert uns die Geschichte unvermittelt und schonungslos mitten hinein die ungeschönt abstoßende Hässlichkeit dieses Widerstandskampfes - im eisigen, blutverschmierten Schlamm rückt diese gar so nahe, dass die bestialische Brutalität  mitanzusehen fast unerträglich wird.

 

Das alles repräsentiert und verstärkt die schiere Verzweiflung der tapferen Krieger*innen, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz ihre Freiheit von den Unterdrückern erkämpfen wollen. Unter geradezu aussichtslosen Umständen. In einem fast übermenschlichen Ringen mit sich selbst und mit dem was recht ist…

Eine Würdigung des koreanischen Untergrundkampfes.

Dieser gemeinschaftliche Kampf für Gerechtigkeit, Unabhängigkeit und Freiheit macht die koreanische Identität als Nation zutiefst aus. Genauso wie das Leid, das das Volk aufgrund von Ungerechtigkeit, Abhängigkeit und Unterdrückung miteinander teilt: der ´Han´ als kollektiv geteilter, doch jeweils individuell gefühlter Schmerz. Aus diesem Han erwächst eine ungeahnte Kraft, die eine unvergleichliche kollektive Widerstandskraft mobilisieren kann (in diesem Fall gegen Japan).

 

Die Bereitschaft, Opfer zu bringen. Die Notwendigkeit, Opfer zu bringen. Das ist tief in der Tradition verwurzelt. Wie alles hat das zwei Seiten. Richtig? Falsch? Das muss jede/r mit sich ausmachen.

 

Um Wertung geht es in „Harbin“ nicht. Sondern um die Würdigung jener Menschen, die sich in den Dienst dieses gemeinsamen Widerstandskampfes gestellt haben: sich nicht einfach so (durch Japan) unterdrücken und als Untermenschen behandeln lassen zu wollen.

„Harbin“ stellt eine ästhetisch intensivierte Hommage an jene unerschrockenen Kämpfer*innen dar. Woo Min-ho wollte hier keinen Historienfilm kreieren. Das KMovie setzt vielmehr am Beispiel eines legendären Unabhängigkeitskämpfers nicht nur diesem, sondern stellvertretend allen ein Denkmal. Es setzt zugleich am Beispiel dieses legendären Attentats dem gesamten koreanischen Widerstandskampf - damals, davor und danach - ein Denkmal.

 

Prädikat "wertvoll".

하얼빈 – Haeolbin

Lit.: Harbin

 

2045, 108 Minuten

 

Hauptdarsteller*innen:

- Hyun Bin

- Park Jeong-min

- Jo Woo-jin

- Jeon Yeo-been

- Park Hoon

- Yoo Jae-myung

- Lily Franky

- Lee Dong-wook

 

Plot:

1909. Ahn Jung-geun ist einer von vielen, die aus dem Untergrund im hohen Norden den Widerstandskampf gegen Japans tyrannische Vorherrschaft im Land führen. Die Kämpfe sind brutal, und wie man es auch angehen mag, die Opfer zu schwerwiegend, ohne dass sie dafür entsprechend gewürdigt würden. Ahn favorisiert daher einen gezielten Coup gegen den japanischen Premierminister Itō Hirobumi – ein Attentat, an dem die Welt nicht vorbeischauen kann. Ein Attentat jedoch, bei dem er selbst nicht entkommen kann...

 

Überhaupt ist dieses Unterfangen fast unmöglich. Es ist logistisch nicht einfach und zudem extrem gefährlich. Und dann scheint es in den eigenen Reihen auch noch einen Maulwurf zu geben…

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